Bewertung
Sam Amidon

I See the Sign

Cover-Alben eilt nicht selten der Ruf voraus, überflüssig und einfallslos zu sein. Und das völlig zu Recht. Denn viel mehr als uninspiriert vorgetragene Interpretationen der persönlichen Lieblingssongs einer Band, sind sie meist nicht. Umso erfreulicher ist es natürlich, wenn hin und wieder jemand mit so viel Sensibilität und Seele an das Originalmaterial herangeht wie der amerikanische Indie-Folk-Musiker Sam Amidon auf seinem vierten Solo-Album "I See the Sign".

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Was ausgerechnet dieses Cover-Album so besonders macht? Allem voran die Tatsache, dass es wohl kaum jemand als solches zu enttarnen vermag. Denn Sam Amidon drückt den traditionellen Folk- und Gospel-Songs, denen er auf seinem neuesten Werk frisches Leben einhaucht, nicht nur seinen ganz eigenen Stempel auf, er tut dies auch auf eine Art und Weise, die über die gesamte Albumlänge hinweg eine in sich stimmige und noch dazu ganz bezaubernde Atmosphäre aufkommen lässt.

Hauptverantwortlich für diese Atmosphäre ist zum einen Sam Amidons sanftes, einlullendes Organ selbst, das ab und an ein wenig an den Färöer Teitur erinnert und ganz wunderbar mit Gastsängerin Beth Orton harmoniert, zum anderen aber auch die charmant konfusen Arrangements, die immer wieder angenehm zu überraschen wissen. Denn auf "I See the Sign" regiert allem voran das organisierte Chaos. Eine Unmenge an Instrumenten ist in nahezu jedem der elf Songs zu vernehmen und dennoch gelingt Amidon und seinen tatkräftigen Unterstützern Shahzad Ismaily, Nico Muhly und Valgeir Sigurðsson das Kunststück, einen vielmehr minimalistischen als überladenen Eindruck zu erwecken. Denn hier sitzt alles genau dort, wo es hingehört, auch wenn dies beim ersten Hören noch nicht unbedingt ersichtlich wird. Sperrig ist das Album deswegen aber noch lange nicht, sondern schlicht und ergreifend erfrischend anders.

Es sind die repetitiv anmutenden Melodien und Lyrics, die noch den Geist der Originale mit sich tragen. Amidons Neuinterpretationen bleiben nämlich sowohl textlich, als auch melodisch weiterhin eher einfach gestrickt, werden aber mit derart wundersam schimmernden Accessoires versetzt, dass sie eine ganz eigenwillige Dynamik und Dramatik entwickeln. Dass der Sound, der aus den oft urplötzlich heranrollenden und meist genauso schnell wieder verschwindenden Streicherwogen, hier und da eingestreuten Holz- und Blechbläsern aller Art sowie klirrender Celesta, gezupftem Banjo und surrendem Minimoog entsteht, mal angenehm an die fröhlichen Sigur Rós ("Pretty Fair Damsel") erinnert und mal an Bonnie "Prince" Billy ("Johanna the Row-di"), scheint dabei kein Zufall zu sein. Denn während Ismaily, Sigurðsson und Muhly schon allesamt bei Will-Oldham-Produktionen ihre Finger mit im Spiel hatten, war letzterer darüber hinaus auch noch für die Arrangements auf Jónsis Solo-Album "Go" zuständig.

Wie wunderbar sich selbst ein Cover eines offiziell unveröffentlichten Songs von R. Kelly ("Relief") in das Klanguniversum dieser Platte einfügt, zeigt einmal mehr, mit welch überragendem Gespür für das Schaffen von Stimmungen Sam Amidon gesegnet ist. Denn er verwandelt den blassen R'n'B-Song in ein verspieltes, detailverliebtes Stück Musik, das berührt und beflügelt. Und das – im Gegensatz zu Will Oldhams Coverversion von R. Kellys "The World's Greatest" – gänzlich ohne Ironie.

Fazit

Sam Amidons "I See the Sign" ist eine moderne Hommage an traditionelle Folk-Musik, voller Feingefühl und liebenswerter Eigenheiten. Prädikat: besonders wertvoll an lauen Sommerabenden am Lagerfeuer.

Anspieltipps

How Come That Blood

Way Go, Lily

Relief

Tracks

1.How Come That Blood
2.Way Go, Lily
3.You Better Mind
4.I See the Sign
5.Johanna the Row-di
6.Pretty Fair Damsel
7.Kedron
8.Rain and Snow
9.Climbing High Mountains
10.Relief
11.Red

Paulina Banaszek - myFanbase
29.04.2010

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