Bewertung
Colin Moore

Leaving Home

Eben noch im Vorprogramm von Sophie Hunger auf den Konzertbühnen Deutschlands zu sehen, hält Colin Moore mit seinem Debüt dieser Tage auch in den hiesigen Plattenläden Einzug. Auf musikalische Gemeinsamkeiten zwischen dem Schweizer Exportschlager #1 in Sachen Singer/Songwriter-Kunst und dem Newcomer aus Montreal sollte einen die verheißungsvolle Live-Kombination allerdings nicht schließen lassen. Deren gibt es auf "Leaving Home" nämlich kaum zu finden.

Foto: Copyright: Suonix/Edel Music
© Suonix/Edel Music

Selten wird in der Musikwelt ein Begriff ähnlich überstrapaziert, wie es in letzter Zeit bei der Genrebezeichnung "Folk" der Fall war. Sowohl Sophie Hunger als auch Colin Moore schreiben sich besagte Stilrichtung auf die Fahne (oder zumindest das jeweilige MySpace-Profil), obwohl sich schon nach nur wenigen Tönen herausstellt, dass die einzig nennenswerte Parallele zwischen den beiden ein gleich lautender Songtitel ("Broken English") ist. Überhaupt scheint der werte Herr Moore gern aus der Reihe zu tanzen, denn von dem im Kreise seiner männlichen Kollegen fast schon zum guten Ton gehörenden Rauschebart fehlt bei ihm jede Spur. Und auch auf einen längeren Aufenthalt fernab der Zivilisation, bevorzugterweise in einer abgeschiedenen Holzhütte am Waldrand, gibt es in seiner Biographie keinerlei Hinweise. Ein veritabler Folk-Revoluzzer!

Tatsache ist, dass in Colin Moores kanadischer Brust in Wahrheit ein texanisches Herz schlägt. Anders lassen sich die unüberhörbaren Country- und Americana-Einflüsse, die den Sound und die Texte seines Debütalbums maßgeblich prägen, nicht erklären. Vorwerfen sollte man ihm die stilistischen Untreue seinem Heimatland gegenüber allerdings nicht, da seine rauchige Stimme mit dieser Art von Musik durchaus zu harmonieren weiß. Besonders im reduzierten Mittelteil des Albums, wo lediglich Akustikgitarre und Lap Steel den Grundton vorgeben, entsteht durch den selektiven Einsatz von Streichern ("Paint Me A Picture") bzw. Mundharmonika ("20 Years") im Refrain eine äußerst gelungene Südstaatenatmosphäre. Generell sind es diese eher introspektiven Lieder, in denen Colin Moore auch textlich überzeugen kann. Ansatzweise erinnert er dabei sogar an einen ganz groß(artig)en Berufsgenossen, Kristian "The Tallest Man On Earth" Matsson.

Deutlich weniger Geschick und Feingefühl beweist der Kanadier hingegen im Umgang mit beliebten (Alt-)Herrenrock-Themen wie Alkohol, Frauen und berufliche Ausbeute. Dass sich daraus durchaus tiefsinnige Texte basteln lassen, haben heuer schon die Drive-By Truckers auf "The Big To-Do" vorgemacht, und das nicht zum ersten Mal. Colin Moores Versuche, sich dieser Thematik anzunähern, wirken im Vergleich dazu eher stümperhaft: Nachdem er sein Verhältnis zu Spirituosen im gleichnamigen Song unmissverständlich klarstellt ("All my best friends are spirits, I keep them bottled up safe for me at home. "), zieht er - vermutlich unter Einfluss eben jener bester Freunde - schonungslos über all die "verdammt sturen und niederträchtigen Rothaarigen" her, die es gewagt haben, ihm einen Korb zu geben. Mitleid gibt es dafür keines, zumal er zuvor in "Dusty Cadillac" noch lauthals mit seinen ohnehin schon unzähligen Eroberungen prahlt. An einzelne Namen kann er sich dabei zwar nicht mehr erinnern, aber zum Hinausposaunen pikanter Schlafzimmerdetails ("Boy, can that girl *insert nasty little f-word here*!") reicht das Erinnerungsvermögen gerade noch. Wenn diese nicht ganz so gelungenen textlichen Ergüsse dann musikalisch auch noch mit allen nur erdenklichen Country-Klischees untermalt werden, dürfte klar sein, an welcher Stelle in Hinblick auf die nächste Veröffentlichung noch Verbesserungspotential besteht.

Fazit

"Leaving Home" zählt zu jenen Alben, bei denen man trotz einiger zweifellos gelungener Momente das ungute Gefühl einfach nicht loswird, alles irgendwie irgendwo irgendwann schon einmal gehört zu haben. Und das, mit Ausnahme der in der Albummitte angesiedelten Highlights, leider auch schon viel besser.

Anspieltipps

Paint Me A Picture

20 Years

Writer's Block

Artistpage

MySpace-Profil

Tracks

1.Broken English
2.Friends Of Mine
3.Disease
4.3 Fat Pills
5.Off The Rails
6.Paint Me A Picture
7.20 Years
8.Writer's Block
9.Dusty Cadillac
10.Prescious Time
11.River
12.Leaving Home
13.Spirits
14.Red Headed Girls

Willi S. - myFanbase
25.06.2010

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