Bewertung
Neil Young

Le Noise

Für seine gefühlte hundertste Platte hat sich Altmeister Neil Young diesmal mit dem Erfolgsproduzenten Daniel Lanois im Studio eingeschlossen – nur die beiden, eine E-Gitarre, eine Akustik-Gitarre und acht Songskizzen. Herausgekommen ist ein Werk, das passenderweise "Le Noise" heißt und seltsamerweise noch immer acht Songskizzen enthält...

Foto: Copyright: Reprise Records / Warner Music Group
© Reprise Records / Warner Music Group

Schon der grummelig-düstere Intro-Song namens "Walk with Me" wirkt nicht nur unfertig und grob angedacht, sondern ruft auch sofort Erinnerungen an den "Dead Man"-Soundtrack wach, der ja praktisch nur aus spontanen, rohen Melodien bestand. Gleichzeitig hat "Walk with Me" aber auch eine gewisse Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann: Zwischen den geschrammelten Gitarren mit all den verzerrenden Effekten drängt Youngs Stimme inständig "walk with me / shine me a light" – kein Wunder, bei so vielen verstörenden Klängen möchte niemand gerne alleine sein.

Obwohl sich das folgende "Sign of Love" als Liebeserklärung ganz hübsch macht, stehen auch hier wieder die brachialen Gitarren im Vordergrund – und man kann nicht umhin zu denken, dass Youngs Stimme oft gegen all den Krach ankämpfen muss, um nicht komplett unterzugehen. Ihre volle, eindringliche Wirkung kann sie hier und auch im Anschluss in "Someone's Gonna Rescue You" jedenfalls nicht entfalten.

Die große Wendung bringt das Herzstück "Love and War": Es lässt erstmals zarte akustische Klänge erklingen und entfernt sich auch von den bisher eher skizzenhaft gehaltenen Texten hin zu einer entspannten Erzählweise – man hat einen am Feuer sitzenden, vor sich hin klimpernden, vor sich hin sinnierenden Young vor Augen. Das gefällt gleich viel besser und zeigt wieder einmal, wie wenig es eigentlich braucht, um zu berühren: Eine Stimme, eine Gitarre und eine wunderschöne Melodie.

Zwar werden die Klampfen gleich danach wieder ordentlich gequält ("Angry World"), aber Lanois räumt von nun an Youngs Stimme doch etwas mehr Raum ein – das muss er auch, denn die zweite Hälfte des Albums birgt noch zwei weitere textlich anspruchsvolle, geradezu episch angelegte Songs, in denen Young sein Rock’n’Roll-Leben entglorifiziert ("Hitchhiker") und sich ausgehend von der Pionierzeit Sorgen über unser aller Wohlergehen macht ("Peaceful Valley Boulevard").

Für das abschließende "Rumblin’" schlüpft Young von der Rolle des Erzählers in die des Fragenstellers: "When will I learn how to listen? When will I learn how to feel?" wirft er zwischen die holprigen Melodien – und lässt damit auch den Hörer mit einem etwas fragenden Gesichtsausdruck zurück, der auch nach dem zweiten Hörgang nicht unbedingt verschwindet.

Fazit

"Le Noise" ist mehr eine Ansammlung von rohen Songskizzen und nicht ganz fertigen Ideen, als ein komplett durchstrukturiertes Album. Hat man das einmal akzeptiert, empfindet man zumindest die krachende Musik, die fast einer Urgewalt ähnelt, und die dabei entstehende düstere Atmosphäre als äußerst faszinierend. Hin und wieder hat man jedoch das Gefühl, dass sich Young und Lanois zu sehr aufs Herumwerkeln und -probieren konzentriert und dabei hinter ihrer "wall of sound" ein wenig das Ziel aus den Augen verloren haben.

Denn dass der gute alte Young selbst nach dem gefühlten hundertsten Album noch imstande ist, Meisterwerke zu schaffen, zeigen unter anderem Stücke wie das feinfühlige "Love And War".

Anspieltipps

Love and War

Hitchhiker

Peaceful Valley Boulevard

Artistpage

NeilYoung.de

Tracks

1.Walk with Me
2.Sign of Love
3.Someone's Gonna Rescue You
4.Love and War
5.Angry World
6.Hitchhiker
7.Peaceful Valley Boulevard
8.Rumblin'

Stephanie Stummer - myFanbase
12.10.2010

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