Bewertung
Joe Cocker

Hard Knocks

Einen Mann, der seit knapp 50 Jahren im Geschäft ist, braucht man sicher nicht mehr vorstellen. Man kennt Joe Cocker, schätzt ihn und weiß, was einen auf seinem 22. Studioalbum erwartet: Soulig-bluesig rockende Coverversionen, die so gar nicht nach Cover, sondern nach ganz eigenständigen Neuinterpretationen klingen. Dafür ist er bekannt. Das kann er so gut wie kaum ein anderer. Und genau das macht er diesmal nicht.

Foto: Copyright: Columbia Deutschland
© Columbia Deutschland

Auf "Respect Yourself", dem vorvorletzten Album des Briten, waren erstmals sieben von elf Liedern neu und extra für ihn geschrieben. Diesmal sind es ganze acht bzw. neun (denn der Titeltrack ist erst zwei Jahre alt und durch Marc Broussard kaum bekannt) von zehn Songs. John Robert Cocker wollte mal etwas anderes machen. Hörte fast 500 Lieder durch und fand nur jene zehn passend. Wollte auch kein Duett mit Joss Stone, obwohl dies bereits angeleiert worden war. Er wollte einen poppigeren und moderneren, aber nicht zu modernen Sound. Dafür holte er sich Matt Serletic als Produzenten. Namen wie Celine Dion und Stacie Orrico in dessen Vita lassen vermuten, dass er die radiokompatible Pop-Welt kennt, Namen wie Aerosmith, Courtney Love und Santana wiederum, dass er sich auf die Individualität von speziellen Künstlern einlassen kann.

Und so ist die neue Platte des 66-Jährigen auch nicht zu poppig geworden. Mr. Serletic hat es aber geschafft, eine ungeheure Spritzigkeit rüberzubringen – etwas, das man gar nicht vermutet, wenn sich unter den Songschreibern Folkpop-Chanteuse Chantal Kreviazuk, Boyband-Übeltäter Nick Lachey, Ex-Evanescence-Mitglied David Hodges und diverse Countrymusiker befinden. Doch so frisch wie im Titelsong oder so lebhaft wie in "Get On" hat man Cocker schon lange nicht mehr gehört. In bester "Summer in the City"-Manier könnte man zu diesen Stücken richtig abtanzen! Gerade "Get On" wirkt mit seinen schillernden Bleckbläsern, dem dreistimmigen Damenchor und seinem hämmernden Beat wie maßgeschneidert für die Musiklegende.

Was der Wahl-US-Amerikaner ebenfalls schon immer drauf hatte, sind monumentale Balladen. Die heißen diesmal "Unforgiven" (übrigens keine Neuaufnahme des Songs vom 89er Album "One Night of Ssin"), "So It Goes" und "Thankful" und kommen im ersten Fall klassisch, im zweiten akustisch und im dritten gospelig daher. Solche Nummern sind meist riskant, denn sie könnten von jedem x-beliebigem Schnulzensänger gesungen werden. Besonders Joes Lieblingstitel "Unforgiven" macht aber deutlich, dass eben keiner so authentisch und leidenschaftlich wie der Grammy-, Golden-Globe- und Oscar-Gewinner singt. Nicht umsonst wurde es in nur einem Take aufgenommen.

"So" und "Stay the Same" sind wohl die harmlosesten Songs auf "Hard Knocks", gehen rein ins Ohr und sofort wieder raus. "The Fall" dürfte wohl durch seine gemeinsam funkig jammenden Streicher und E-Gitarren live mehr Eindruck machen. Und an "Runaway Train" irritieren die elektrischen Spielereien im Hintergrund etwas – andererseits hat es einen schönen treibenden Beat und eine überraschende Akkordfolge. Auch wenn jene Titel nicht zu den erinnerungswürdigsten des mit dem britischen Verdienstorden ausgezeichneten Crooners zählen, haben sie doch eins: Joe Cockers einzigartige Reibeisenstimme mit all ihren Nuancen zwischen "rau" und "zärtlich".

Am Albumende kommt dann das einzige Cover: "I Hope" wurde von den Dixie Chicks in hörbarer Zusammenarbeit mit Blueslegende Keb' Mo' geschrieben, von dem Countrytrio unter der Regie von Tony Brown aufgenommen und für zwei Grammy nominiert. Doch Brown meinte, die Chicks würden dem Stück nicht gerecht, und produzierte nun die Cocker-Version. Und so bringt der Altmeister vor einem Gospeltrio um die großartige Ashley Cleveland sein Organ zur besten Leistung der Platte und macht noch mal ordentlich Eindruck.

Fazit

Cocker tat gut daran, mal auf neue Songs zu setzen. Schwächere Titel fallen in einer Sammlung von Coverinterpretationen natürlich nicht so auf, doch auch hier haben sie eben das gewisse hörenswerte Etwas, nämlich eine einzigartige Stimme. In 39 Minuten nicht immer innovativer, aber souveräner und manchmal großartig spritziger Musik lässt diese gehörig Dampf ab und bringt mindestens genauso viel Gefühl rüber.

Anspieltipps

Hard Knocks

Get On

Unforgiven

I Hope

Artistpage

Cocker.com/de

Tracks

1.Hard Knocks
2.Get On
3.Unforgiven
4.The Fall
5.So It Goes
6.Runaway Train
7.Stay the Same
8.Thankful
9.So
10.I Hope

Micha S. - myFanbase
28.10.2010

Diskussion zu dieser CD