Bewertung
Broken Social Scene

Forgiveness Rock Record

Fünf Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung unseres Lieblingskollektivs aus Kanada ins Land gezogen. Man hat sich in der Selbstinszenierung versucht und Soloalben veröffentlicht, im Endeffekt mussten die kreativen Köpfe Kevin Drew und Brendan Canning aber eines erkennen: Zusammen ist's doch viel kuscheliger!

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Vorab die für manche Leute (mich eingeschlossen) sicher beruhigende Nachricht: Das Buddeln hat ein Ende! Die Zeiten, in denen man sich Schicht für Schicht und Tonspur für Tonspur vorarbeiten musste, um an den Kern eines BSS-Songs zu gelangen, sind vorbei. Das Großartige daran: Broken Social Scene lassen deswegen keineswegs Genialität und Anspruch missen – auch ohne meterdicke Schallmauern schaffen sie es mit links in die Anwärterliste für das Album des Jahres.

Wo früher die vielen Tonschichten eine Gefahr für Gehörgangverstopfung waren, spazieren die Songs nun leichtfüßig und locker durch die Mitte und verwandeln sich einer nach dem anderen rasch in einen Über-Hit. Die Ende April erschienene "Forgiveness Rock Record" konzentriert sich also mehr auf das Wesentliche und umarmt den Hörer mit großzügiger Geste und umwerfenden Melodien. Dass es dennoch an allen Ecken und Enden blinkt, glitzert und es ständig neue Arrangements und Ideen zu entdecken gibt, ist irgendwie klar. Was bei Broken Social Scene das Prädikat "leichter zugänglich" bedeutet, ist noch immer weit von den Begriffen "gezügelt" oder "straight" entfernt.

Die zumindest grobe Ordnung ihrer unzähligen Einfälle beschert uns auf jeden Fall ein paar der besten Nummern, die das Jahr 2010 zu bieten hat: Das treibende, herausfordernde, mit einem Hauch von Futurismus ausgestattete "Chase Scene", welches sich gegen Ende hin furios steigert; die Beinahe-Hymne "Forced to Love", die gleich beim ersten Hörgang als eine der prägnanteren Nummern im Gedächtnis bleibt; die Tatsächlich-Hymne "Water in Hell", die das vielleicht am einfachsten gestrickte Stück ist, aber dafür auch das durchschlagkräftigste; das ebenso hippe wie durchdachte "Ungrateful Little Father"; das zarte, fast schon zerbrechliche "Sweetest Kill", das live besonders unter die Haut gehen dürfte...

So gut wie jeder der 14 Songs hätte sich hier eine Erwähnung verdient – und auch das ist erstaunlich: 14 Stücke bedeuten auf herkömmlichen Alben oft schon ein paar Längen oder Durchhänger, die "Forgiveness Rock Record" wartet aber mit so viel Ideenreichtum auf, dass es tatsächlich kein einziges Gähnen zu vermelden gibt.

Fazit

Falls es jemals etwas zu vergeben gab, ist mit dieser Glanzleistung bestimmt alles vergessen: Die Freidenker von Broken Social Scene haben unnötigen Ballast abgeworfen und sind zu einer neuen Höchstform aufgelaufen – herausgekommen ist ein unglaublich vielseitiges und intelligentes Album, das kaum totzukriegen ist.

Anspieltipps

World Sick

Chase Scene

Texico Bitches

Forced to Love

Ungrateful Little Father

Sweetest Kill

Water in Hell

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Tracks

1.World Sick
2.Chase Scene
3.Texico Bitches
4.Forced to Love
5.All to All
6.Art House Director
7.Highway Slipper Jam
8.Ungrateful Little Father
9.Meet Me in the Basement
10.Sentimental X's
11.Sweetest Kill
12.Romance to the Grave
13.Water in Hell
14.Me and My Hand

Stephanie Stummer - myFanbase
19.12.2010

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