Bewertung
James Blake

James Blake

Wer Ende 2010 einen Blick auf die "Next Big Thing"-Listen diverser Musikfachzeitschriften und -portale geworfen hat, dem ist ein Name gewiss öfters untergekommen: James Blake. Kaum einem Debütalbum ist in den vergangenen Monaten so sehr entgegengefiebert worden wie jenem des jungen Engländers, der sich anschickt, dem Nischendasein des (Post-)Dubstep-Genres ein Ende zu bereiten - ein ambitioniertes Unterfangen.

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Der große Hype, der sich im Vorfeld dieser Veröffentlichung in Indie-Kreisen aufgebaut hat, kommt nicht von ungefähr. Immerhin kann James Blake mit Anfang 20 schon eine ganze Reihe beachtlicher EPs vorweisen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer stilistischen Bandbreite von großem Talent zeugen. Egal ob modernes Klavierspiel, gesampelte R'n'B-Beats oder stampfende Rhythmen aus dem Drum-Computer - das musikalische Sortiment, dessen sich der britische Nachwuchsproduzent im Zuge seines kreativen Schaffensprozesses bedient, ist breit gefächert. Spätestens seit Erscheinen der ersten Single aus seinem selbstbetitelten Debüt besteht an Blakes Vielseitigkeit endgültig kein Zweifel mehr: Mit "Limit to Your Love" lieferte er ein schlichtweg grandioses Feist-Cover ab, das ihm nicht nur Millionen von YouTube-Klicks, sondern auch einen festen Platz in unserem Musikrückblick 2010 bescherte.

Die Symbolik, mit der im Video zu besagter Vorab-Single gearbeitet wird, könnte treffender nicht sein. Genauso, wie James Blake keck jeglicher musikhandwerklichen Konvention trotzt, widersetzen sich darin Alltagsgegenstände den naturwissenschaftlichen Gesetzen. Genauso, wie das Trommelfell des Hörers beim Einsetzen des wummernden Basses nach nicht ganz einer Minute mächtig vibriert, bringen Schallwellen in dem Clip die Wasseroberfläche zum Erschüttern. Nichts wird hier dem Zufall überlassen, weder in Bild noch in Ton. Hört man die Coverversion erstmals im Gesamtkontext des Albums, wird schnell klar, warum sie als Vorbote für selbiges auserkoren worden ist: In Sachen Emotionalität bleibt das Stück nahezu unerreicht. Lediglich die Eigenkomposition "To Care (Like You)", deren Mittelteil ("How forlorn to watch you go / How full-on to watch you grow / Was to care like you protest too much?") sich unweigerlich ins Gedächtnis brennt, kann diesbezüglich mithalten.

Letztlich ist es aber die zweite Single-Auskopplung, "The Wilhelm Scream", die alles andere auf dem Album in den Schatten stellt. Was anfangs wie ein schlichtes Manifest der Rat- und Richtungslosigkeit eines resignierenden jungen Künstlers anmutet, gewinnt im weiteren Verlauf stetig an tonaler Komplexität und Dynamik. In der zweiten Hälfte des Liedes prasseln dann so viele clever aufeinander abgestimmte Eindrücke auf den mit guten Kopfhörern ausgestatteten Hörer ein, dass man hier getrost von einem der größten Highlights sprechen kann, die das Musikjahr 2011 bis dato zu bieten hat. Nicht umsonst ertappt man sich früher oder später selbst dabei, wie der Lautstärkeregler bei jedem Durchlauf ein Stückchen mehr in Richtung Anschlag wandert. Nur so wird nämlich gewährleistet, dass sich einem jedes auch noch so unscheinbare Soundelement - die bedrohliche Basslinie, der dumpfe Hall des Echolots, das willkürliche Gluckern in der Ferne - in vollem Ausmaß erschließt.

An anderer Stelle angewandt, offenbart die Taktik des wiederholten Hörens mit erhöhter Aufmerksamkeit die vielleicht einzige, zugegebenermaßen gut kaschierte Schwachstelle des Albums: Mit Blakes unbestrittenem Talent als Produzent können seine Fähigkeiten als Songwriter (noch) nicht ganz mithalten. Am deutlichsten zeigt sich dies bei Stücken wie "I Never Learnt to Share" oder "Give Me My Month", die sich jeweils nur um eine einzige, andauernd wiederholte Textzeile drehen. Dank Vocoder, Loops und sonstiger technischer Kniffe an sich gut umgesetzt, weicht hier der anfängliche Enthusiasmus doch recht schnell einer gewissen Ernüchterung. Denn irgendwie klingen diese Kompositionen eher nach Songfragmenten als nach komplett ausgereiften Ideen. Hätte der Engländer daran noch ein wenig gefeilt, käme als Antwort auf das im drittletzten Lied zentrale "Why don't you call me what we both know I am?" wohl nur eines in Frage: Freakin' genius.

Fazit

"James Blake" ist unterm Strich nicht das Überalbum geworden, das sich die Anhänger der davor veröffentlichten EPs vielleicht erhofft haben. Ebenso wenig ist es aber das zu Unrecht gehypte Debüt eines überbewerteten Möchtegerns, als das es mancherorts abgestempelt wird. Vielmehr handelt es sich dabei um das sehr feine Erstlingswerk eines talentierten Künstlers, auf dessen musikalische Entwicklung in den kommenden Jahren man gespannt sein darf.

Anspieltipps

The Wilhelm Scream

Limit to Your Love

To Care (Like You)

Why Don't You Call Me

Artistpage

JamesBlakeMusic.com

MySpace-Profil

Tracks

1.Unluck
2.The Wilhelm Scream
3.I Never Learnt to Share
4.Lindisfarne I
5.Lindisfarne II
6.Limit to Your Love
7.Give Me My Month
8.To Care (Like You)
9.Why Don't You Call Me
10.I Mind
11.Measurements

Willi S. - myFanbase
09.03.2011

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