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Dashboard Confessional

MTV Unplugged v 2.0

Jeder, der sich des Deutschland-Debüts "Hands Down", seines Zeichens Titelsong der Pro7-Serie "18 – Allein Unter Mädchen" –wir erinnern uns dunkel-, nicht entziehen konnte und auch beim "Spiderman 2"-Soundtrack genau hingehört und das ungewohnt kraftvolle "Vindicated" entdeckt hat, weiß, wovon ich spreche.

Foto: Copyright: Interscope Records
© Interscope Records

Wer sich nicht angesprochen fühlt, dem kann an dieser Stelle geholfen werden. Zu tun haben wir es hier in erster Linie mit Christopher Ender Carrabba, welcher sich vor einigen Jahren nach zwei erfolglosen Bandprojekten anschickte, mit seiner Akustikgitarre die Welt, zumindest die musikalische, zu verändern. Wie? Mit ein paar Händen voll melancholischer Melodien, nicht selten geprägt von Weltuntergangsstimmung, und mitunter auch mit der ein oder anderen gehörigen Portion Selbstmitleid. Bei einem seiner Auftritte von einem wichtigen MTV-Kopf entdeckt, welcher sowohl fasziniert war von den enthusiastischen Fans sowie von den beeindruckenden Live-Qualitäten Carrabas, verpflichtete man ihn kurzerhand als ersten "MTV Unplugged"-Act, der bis dato mit seiner Musik noch kein Platin eingefahren hat. Für Carrabbas bislang nur als Geheimtipp geltendes Soloprojekt "Dashboard Confessional", einzig und allein bestehend aus eben demselben, bedeutete das den Durchbruch.

Was braucht es also zu einer ordentlichen Unplugged-Darbietung? Nun – man nehme einen attraktiven Mann, drücke ihm eine Gitarre in die Hand und stelle demselben ein paar Musiker zur Seite – ab damit ins MTV-Studio, wo rund hundert gierige Fans wie die Löwen bei Raubtierfütterung auf den Saft für die Gitarre warten, um lautstark Mitgröhlen zu können. Fertig. Der Rest läuft ganz von allein.

Bei der Songauswahl bedient man sich der beiden Akustik-Vorgänger "The Swiss Army Romance" und "The Places You Have Come To Fear The Most", auf denen Chris Carrabba nicht nur mit sich selbst hart ins Gericht geht, sondern auch mit seinem unmittelbaren Umfeld abzurechnen weiß. Gleich im Opener "Swiss Army Romance" plädiert er für mehr Aufrichtigkeit, die bei sich selbst anfangen muss: "You're dying to look cute in your blue jeans/ but you're plastic just like everyone/ You're just like everyone… I'd like to see you undone.” Richtig Tempo gemacht wird ein paar Lieder weiter auf "The Good Fight”, in dem gegen die Politik im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten gewettert wird.

Skippt man vor zur Nummer sieben, erlebt man Chris genau so, wie man ihn kennt und liebt: Sich selbst und alles hinterfragend, wertend und zweifelnd. Die Erkenntnis, zu der er in "The Places You Have Come To Fear The Most" kommt, ist folgende: Du kannst dich verstellen so viel du willst, lass dich verbiegen, sei jemand ganz anderes, aber bedenke "that you can't fake it hard enough to please everyone or anyone at all.” Also bleib’ doch gleich Du selbst. Amen.

Letzten Endes ist es allerdings die Liebe, und hier eben meistens die unerfüllte, die in den Liedern Dashboard Confessionals den Ton angibt: Sehnsucht, Enttäuschung, Herzschmerz. Und wer glaubt, einem wie dem Carrabba könne sowas nicht passieren, der irrt. Aber wie!

Das Gegenteil beweist er uns mehr als eindrucksvoll zwischen den Zeilen des verzweifelten "For You To Notice", in dem er seine Herzdame mit Engelszungen bekniet, ihn nicht zu übersehen; von ihm "Notiz zu nehmen" eben.

"I'm starting to fashion an idea in my head/ where I would impress you with every single word I said/ would come out insightful, or brave, or smooth, or charming/ and you'd want to call me/ and I would be there every time/ you need me, I'd be there every time.” Der Arme? Geht noch weiter. Denn seine Traumfrau entpuppt sich als harte Nuss und so winselt Carrabba weiter: "But for now/ I'll look/ so longingly/ waiting for you to want me/ for you to need me/ for you to notice me.” Ja, der Arme.

Wer bisher noch nicht das Bedürfnis hatte, Chris mal ganz fest in die Arme zu nehmen, ihm über die Wange zu streicheln und zu sagen "Das wird schon wieder", wird dieses spätestens bei "Remember To Breathe" verspüren. Hier kämpft er an gegen die schiere Vollkommenheit einer vergangenen Liebe, schwelgt in Erinnerungen, denen er auch beim besten Willen nichts Negatives abgewinnen kann: "She fixes her lips/ they always look perfect/ never a smudged line/ never too much." Oje, den hat’s erwischt. Gerade rechtzeitig kommen ihm da die folgenden Worte über die Lippen: "And the memories fade/ it'll be okay/ all right." Remember To Breathe. Na also.

Wer Chris’ gebrochenes Herz nun zusammenkleben, reparieren und die geschundene Seele mit zwei Kilogramm Wund- und Heilsalbe einreiben will, geht besser direkt über zur letzten Nummer. Denn "Hands Down" beweist: Herr Carrabba hat auch gute Tage. Wie die aussehen? Ganz einfach: Er verbringt seine Zeit gemeinsam mit dem Mädchen, das es vermag, den sensiblen Emo-Rocker alles bisher Dagewesene vergessen zu lassen. Alles ist perfekt, der beste Tag seines Lebens. Berauscht vom Zauber des Moments singt er: "My heart is yours to fill or burst/ to break or bury/ or wear as jewellery/ which ever you prefer.” Genug gelitten - und am Ende gibt es auch für den Prinzen das Happy End. Wir freuen uns mit ihm.

Dickes Plus: Dem Album ist eine DVD beigelegt – und zwar ganz ohne Aufpreis. Unbedingt ansehen, hier gibt es den ganzen Konzertmitschnitt!

Anspieltipps

Remember To Breathe

The Good Fight

The Places You Have Come To Fear The Most

For You To Notice

Hands Down

Tracks

1.Swiss Army Romance
2.The Best Deceptions
3.Remember To Breathe
4.The Good Fight
5.The Sharp Hint Of New Tears
6.So Impossible
7.The Places You Have Come To Fear The Most
8.Turpentine Chaser
9.Living In Your Letters
10.For You To Notice
11.The Brilliant Dance
12.Screaming Infidelities
13.Saints And Sailors
14.Again I Go Unnoticed
15.Hands Down

Aljana Pellny - myFanbase
22.01.2006

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