Bewertung
K.I.Z.

Urlaub fürs Gehirn

Die Berliner Formation K.I.Z. gehört zum Besten, was deutscher Hip-Hop in den letzten Jahren von sich gegeben hat. Mit ihren politisch in der Regel inkorrekten Lyrics, ihrem tiefschwarzen Humor und ihren Fähigkeiten am Mikrofon begeisterten Nico, Tarek, Maxim und Craft ihre Fans sowohl auf Platte als auch auf den Bühnen der Nation. Auch ihr neues Album "Urlaub fürs Gehirn" wird Kritiker und Hörer wieder in ihrer Meinung spalten!

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"Dieser Text ist der schlechteste seit langem, aber wer von euch Opfern hat schon mal eine Fliege mit Essstäbchen gefangen." Ja das trifft in der Tat auf den Opener "Küss mir den Schwanz" zu. Er besteht aus einer Reihe aus typischen K.I.Z.-Schenkelklopfern zu einem kräftigen Beat. Kein Highlight, aber ein tauglicher Beginn. Textlich etwas derber, aber gleichzeitig auch interessanter wird es in der Single "Urlaub fürs Gehirn". Zeilen der Sorte "Wie, es gibt kein deutsches Ghetto? Wir haben Ghettos hier erfunden." sind oberflächlich betrachtet natürlich fragwürdig. Wer den Humor der Jungs und ihre sozialkritischen Inhalte unter der Oberfläche erkennt, wird jedoch auch damit etwas anfangen können. Der Track selbst ist ein sehr poppiger und eingängiger - mit einem süchtig machenden Refrain und einigen, bereits zahlreich in der Presse kritisierten, Autotune Einsätzen.

Ebenfalls an der Geschmacksgrenze befindet sich das irrwitzige "Doitschland schafft sich ab". Die Mischung aus Sarrazin-Kritik ("Seit Millionen von Jahren sind sie hier und wollen sich einfach nicht integrieren. Schießt, schießt sie zurück ins All!") und Anti-Feminismus-Hymne ("Sabine, Lisa, Tanja. Ihr seid nur Geschirrspülmaschinen mit zwei Augen und n Tanga.") liefert einige frische und komische Zoten zu einem Beat im Midtempo. Leider kann die Berliner Hip-Hop-Bande das Niveau (wie immer) nicht auf der ganzen Albumlänge halten. "Heiraten" ist ein Beispiel für musikalische und lyrische Nachlässigkeiten. In solchen Momenten sind K.I.Z. von Acts, die eigentlich oft von ihnen auf die Schippe genommen werden, nicht mehr weit entfernt bezüglich des Niveaus. Glücklicherweise sind diese Ausfälle, wie schon auf den Vorgängern, rar.

In "Raus aus dem Amt" folgt leicht erkennbare Kritik am Hartz-IV-System, inklusive netten Reality-TV-Anspielungen á la "Doch in meinen Träumen esse ich immer noch Spaghetti von ihrem Bauch." Musikalisch ist der Track jedoch etwas anstrengend, da die Vocals hier zwischen schiefem Gesang, Geschrei und Rap wechselt. Wesentlich melancholischer ist der gesungene Song "Abteilungsleiter der Liebe", der die Kapitalismusgesellschaft ("Wer von euch weiß was outzusourcen heißt, es bedeutet das ihr rausgeworfen seid.") kritisiert und überraschend ernst daher kommt, aber vor allem musikalisch auch einen perfekten Popsong repräsentiert.

Ebenfalls ungewohnt ernst klingen die Töne in "Fleisch". Der Track ist eine halbe Coverversion (Instrumental, Songtitel) von Brotha Lynch Hungs. Die traurige Ballade erzählt von der Vergänglichkeit des Ruhms ("Manchmal fragen alte Fans bei Mäcces, ob ich Tarek KIZ bin. Und ich frag, welches Getränk sie zu dem Spar Menü denn möchten.") und Hoffnungslosigkeit am Abgrund der Gesellschaft ("Wie soll mein Sohne ohne Frühstück die Matheprüfung schaffen, ich muss zur Bahnhofsmission, sammele für ihn Flaschen"). Sehr gelungen! Dass "Urlaubs fürs Gehirn" das bis dato eingängigste Album der Truppe ist, beweisen Tracks, wie das besprochene "Abteilungsleiter der Liebe" oder eben auch "Fremdgehen", mit eingängiger Melodie, Gesang und Elektroelementen.

Ein großer Kraftakt für Fans dürfte "Mr. Sonderbar" sein. Das Lied spielt auf einem Techno-Beat, arbeitet wieder mit Vocoder und ist nur noch in den Strophen als Rap zu erkennen. Seltsam, aber für mich funktioniert dieses Rezept bestens. Der Text bewegt sich zwischen Non-Sense ("Ich muss Till Schweiger suchen. Hab ne Idee für ‚nen neuen Film, Drei-Loch-Stuten.") und satirischen Anspielungen ("Ich will meinen Nazisklaven quälen. Lass die Peitsche knallen. Mit Nagelschere soll er Rasen mähen. Jeder Grashalm muss gleich lang sein.").

Gegen Ende des Albums lässt das Album dann mit Tracks wie "Lach mich tot" oder dem Überlänge-Song "Koksen ist scheiße" etwas nach. Der Abschluss ist dann jedoch versöhnlich. "Biergarten Eden" ist eine herrliche Parodie auf Patriotismus und Gemeinschaftsgefühl in Zeiten von großen Sportevents oder Lenas Sieg beim Song Contest im letzten Jahr. Natürlich politisch völlig inkorrekt. Deftige Schoten geben sich hier die Kante ("Den Juden das Geld, den Schwarzen die Mädels. Weil wir brauchen bloß unseren Spargel aus Beelitz." – "Schwarz Rot Gold und wir reiten auf den Schäferhunden Richtung Horizont." – "Immer wenn 'ne Mutter einen blonden Knaben gebärt verlässt ein neuer Volkswagen 's Werk." – "Wir laufen Barfuß auf den Scherben der Reichskristall Nacht. Wünschen allen Immigranten eine weiße Weihnacht. Doch bevor ihr rein dürft in den Biergarten Eden, gibt's noch einigen Papierkram zu regeln.").

Satire darf halt alles.

Fazit

K.I.Z. liefern mit "Urlaub fürs Gehirn" ein Album ganz im Sinne der höchsterfolgreichen Vorgänger ab. Einige Tracks fallen ab, einige sind sensationell gut. In der Summe bleiben die Berliner aber auf dem Olymp des deutschen Mainstream-Raps!

Anspieltipps

Urlaub fürs Gehirn

Doitschland schafft sich ab

Abteilungsleiter der Liebe

Fleisch

Fremdgehen

Biergarten Eden

Artistpage

K-I-Z.com

Tracks

1.Küss mir den Schwanz
2.Urlaub fürs Gehirn
3.Doitschland schafft sich ab
4.Heiraten
5.Raus aus dem Amt
6.Abteilungsleiter der Liebe
7.Fleisch
8.In seiner Mutter
9.Fremdgehen
10.Lauf weg
11.Tsetsefliegenmann (Skit)
12.Mr. Sonderbar
13.H.I.T.
14.Der durch die Scheibeboxxxer
15.Lach mich tot
16.Koksen ist Scheiße
17.Biergarten Eden (Bonustrack)

Christian Finck - myFanbase
19.06.2011

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