Bewertung
Joy Denalane

Maureen

Ihr Debüt "Mamani" vereinte künstlerischen Anspruch und Authentizität derart beeindruckend, dass es zweifelsohne als das beste deutsche Soul-Album bezeichnet werden kann. Mit dem Nachfolger "Born & Raised" schlug Joy Denalane dann eine andere Richtung ein, nämlich die von urbanem R'n'B, und beeindruckte abermals, diesmal mit einer kessen "Was Alicia und Mary können, kann ich auch"-Attitüde.

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Fünf Jahre später stellt sich nun unweigerlich die Frage, wie sie diesmal beeindruckt. Viel wichtiger ist aber erst mal die Frage, welche Art von Musik sie denn nun auf Album Nr. 3 bringt. Antwort: Die Berlinerin kombiniert die deutschen Texte des Erstlings mit den in den USA entstandenen Hip-Hop-Beats des Zweitlings. So einfach ist das. Und so konsequent bleibt Frau Denalane jener Attitüde treu. Und so erinnert sie nicht nur dann an Alicia Keys, wenn im Hintergrund Klavierläufe zu starken Beats tanzen wie in "Bin und bleib dein" oder "Du allein". Oder wenn sie in "Wo wollen wir hin von hier?" das gleiche Sample nutzt wie "Empire State of Mind" (aus "The Element of Freedom"). Auch stimmlich ist die Ähnlichkeit noch deutlicher als auf dem Vorgänger vorhanden.

Indem sie aber auch mal wie eine Jill Scott über einen sphärischen Synthie-Background fast sprechend singt ("Siehst du mich"), wie in Lauryn Hills Glanzzeiten einen Song auf einem Piano-Beat aufbaut ("Frei") oder á la Aloe Blacc und John Legend mit Bläsern und Samples gewürzten 70er-Jahre-Soul bringt ("Niemand"), orientiert sie sich an genügend anderen Künstlern, um nicht als Alicia-Kopie zu gelten. Genutzte Samples von Curtis Mayfield ("Nie wieder, nie mehr", das allerdings am Ende sehr abflacht) und Barry White ("Du allein"), ein Cover von Heatwave ("Happiness") oder eine James-Brown-Hommage ("Rosen") beweisen ebenfalls, dass die 38-jährige Sängerin in aller demütigen Verehrung gerne mal Werke und Stile anderer Künstler in ihre Musik einfließen lässt. Daraus kreiert sie dann gemeinsam mit dem Team um ihren Kollegen und Ehemann Max Herre einen eigenen Sound – mal smooth und ruhig, mal funkig und lässig.

Apropos Max Herre: Etwa ein halbes Jahr nach "Born & Raised"-Veröffentlichung hatten der und Joy sich ja getrennt. Wegen der zwei Söhne blieb der Kontakt aber bestehen, auch gemeinsame Musik machten sie noch. Somit löste Anfang diesen Jahres die Nachricht, dass die zwei wieder zusammen seien, zwar keine große Überraschung, aber doch angenehme Erleichterung bei den Fans aus. Und auch wenn Herre und Denalane auf diese Weise wohl mehr zum deutschen Klatsch und Tratsch beitrugen als beabsichtigt, so fließen Trennung, Vermissen, die Zweifel beim erneuten Annähern und das Wiederzusammensein doch deutlich in die Texte auf "Maureen" ein. Das wirkt manchmal bitter ("Bin ich jetzt frei von meiner Schuld, dich noch zu lieben") und hart ("Kann ich nicht für mich und doch bei dir sein") und dann aber auch in allem Realismus hoffnungsvoll ("Es wird nie wieder, wie es war, doch ich weiß, dass es wieder wird") und schön ("Er nimmt mir meinen Zweifel, meine Vorsicht. Jetzt weiß ich, ich hab es so vermisst, dass mir jemand zeigt, dass es Liebe gibt"), sodass man fast Shipper dieses Paars, das wieder zusammen gefunden hat, werden könnte.

Während "Rosen" als Song für starke Frauen wohl auf manche Hörer etwas lachhaft wirken könnte, überzeugt "Niemand (Was wir nicht tun)" mit selbst- und sozialkritischen Zeilen: "Können wir weiter rückwärts denke und dabei vorwärts laufen? Können wir Liebe predigen, wenn uns der Glaube teilt? […] Können wir den Weg gemeinsam gehen – und jeder will zuerst an's Ziel? Kann die Welt so reich gesät sein mit zu wenig und zu viel?" Das erinnert an "Mamani". Diesmal waren jedoch eher Zeilen über Joys Beziehungsleben dran – auch vollkommen okay. Hauptsache, die Dame hat etwas, das ihr am Herzen liegt, über das sie mit ihrer starken und gleichzeitig weichen Stimme singen kann. Gerade in "Frei" klingt sie nach purer Leidenschaft.

Fazit

Auch wenn Mrs. Denalane wieder Deutsch singt, ist "Maureen" mehr "Born & Raised" als "Mamani", dessen afrikanische Klänge Vergangenheit sind. Es fehlen allerdings auch der raue Charme und der Dampf vom Vorgänger. Da hier Leute am Werk waren, die für 50 Cent, Snoop Dogg oder Bilal produziert und einen Genre-Kracher wie Jill Scotts "Hate On Me" geschrieben haben, hätte man hier wirklich wieder Derartiges erwarten können. Umso mehr verwundert es, dass die wenigen Tracks, die ohne US-Unterstützung aufgenommen wurden, die besten sind. Vielleicht hätte man wirklich, wie zuerst geplant, bei englischen Texten bleiben sollen. Vielleicht hat man für Album Nr. 4 draus gelernt. "Maureen" hat seine guten Momente, ist aber nicht so beeindruckend und wegweisend wie die alten Platten. Tatsache ist jedoch nach wie vor, dass Joy Denalane auf einem ganz anderen Level als Cassandra Steen, Bintia oder Nadja Benaissa verkehrt.

Anspieltipps

Niemand (Was wir nicht tun)

Frei

Nie wieder, nie mehr featuring Julian Williams

Rosen

Mehr als wir

Artistpage

JoyDenalane.com

Tracks

1.Niemand (Was wir nicht tun)
2.Frei
3.Der Tag ist nah
4.Nie wieder, nie mehrfeaturing Julian Williams
5.Bin und bleib dein
6.Wo wollen wir hin von hier?
7.Siehst du mich
8.Lass es liebe sein
9.Happiness
10.Rosen
11.Du allein
12.Mehr als wir

Micha S. - myFanbase
28.06.2011

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