Bewertung
Anouk

Hotel New York

Wir schreiben das Jahr 2004, als sich Anouk Teeuwe im Rotterdammer "Hotel New York" absetzt, um dort mithilfe des Songwriters Bart van Veen ihr mittlerweile fünftes Album aufzunehmen. Zwei Jahre später: In ihrer Heimat, dem Land der Tulpen und orangefarbenen Fußballnationalmannschaftstrikots, hat das nach seinem Entstehungsort benannten "Hotel New York" bereits zweifach Platin eingefahren. Also: Was ist dran an "Hotel New York"?

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Ein Hotelzimmer als spirituelle Oase zu erwählen erscheint für den ein oder anderen unter uns zunächst befremdlich. Fremd: Genau das ist es, was man den durchschnittlichen Hotelzimmern dieser Welt vorwirft zu sein. Und da drängen sich natürlich automatisch Bedenken auf, das könne dem Gedanken an ein persönliches Hoserunterlassen doch nur abträglich sein.

Anouk hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Vorurteil zu entkräften. Um sich songtechnisch austoben zu können, checkt sie erneut ein im überaus charmant aufgemachten –und nebenbei bemerkt keineswegs durchschnittlichen– "Hotel New York" und greift somit auf eine altbewährte Inspirationsquelle zurück. Schließen sich andere tage-, wochen- oder gar monatelang in ihrem Studio ein, um sich Lust und Frust von der Seele zu schreiben, bevorzugt Sängerin Anouk die vertraute Atmosphäre des Vier-Sterne-Hotels, welche ihr bereits zu so manchem Hit verhalf. Ihre Wahl begründet die Holländerin mit der "einzigartigen Verbindung zwischen mir und diesem Hotel, die meine Kreativität freisetzt." Und tatsächlich, das Konzept scheint aufzugehen. Der Großteil der Songs, die sich letztendlich auf dem Album wieder finden, sind Momentaufnahmen.

Vielseitig und ergreifend schlicht präsentiert sich das neueste Werk der Dreißigjährigen. Die Zeiten, in denen sie sich ausschließlich auf Rock eingeschossen hatte, sind vorbei. Anouk zeigt sich erfrischend experimentierfreudig: Zwölf Tracks sind dabei herausgekommen, mal flott, mal balladesk. Im Song "Heaven Knows", geschrieben mit Ehemann Raymond Stotijn, schreckt man auch vor Reggae-Elemente nicht zurück.

Die nach eigenen Angaben rundum zufriedene Anouk stellt die Liebe ins Zentrum ihres Lebens: "Vielleicht ist es ein Klischee, aber ich bin nie fertig mit dem Thema Liebe. Das ist es, worum es immer geht, ehrlich!" So auch in ihren Songs. Daher rollt die inzwischen glücklich verheiratete Mutter dreier Kinder selbst die verflossene wieder auf und widmet "More Than You Deserve" der Vergangenheit mit einem Mann, der sich mit nur einer Frau an seiner Seite nicht zufrieden gab. Sie strampelte sich frei, will ihn aber nicht ungeschoren davonkommen lassen: "Oh no/this ain't a way to live/ 'cause I will be/watching every step/scared I won't find you again/ ‘cause If I leave yourself/ then you can hide away". Spätestens durch diesen Song macht sie ihm da einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.

Trotz der gegenwärtigen Glückseligkeit hat Anouk zuweilen noch sehr an Vergangenem zu knabbern. "And I don't know why you're gone/ now you're gone/ no beautiful goodbye/ you will never leave my mind/and it turns out to be so much different than our dreams/ now you're, you're a star in heaven". Welches einschneidende Ereignis zu diesen traurigen Zeilen veranlasste, lässt sich nur befürchten. Fest steht, dass Anouk nur zu gern die Zeit zurückdrehen würde. Und das vermittelt sie so eindrucksvoll, dass man es ihr mit diesem Lied gleichtun will: Nicht die Zeit zurückdrehen, aber die Repeat-Taste drücken.

Dieser Drang intensiviert sich. "Falling Sun" hängt sich ans Hosenbein einer großen Liebe, die alles ist, was ihr in stürmischen Zeiten auf rauer Gefühlssee geblieben ist und nicht vom Unwetter fortgewaschen wurde. "A sea of love/ don't let it drown us/ We're a way too far from shore/ As we go deeper/ as the wind grows stronger/ it tries to tip us over/ but we both learned how to swim."

Neben "Falling Sun" erreicht "Hotel New York" seinen emotionalen Höhepunkt im traumhaft schönen "Lost". Anouks sonst so kraftvolle Stimme schlägt plötzlich leisere Töne an. Die Intensität des Songs wird verstärkt durch die sehr zurückgenommene musikalische Untermalung. Sehnsüchtige Worte der stillen Trauer besingen einen Mann, um den ihre ganze Welt kreist – er in dieser aber nicht die Rolle spielt, in der sie ihn gerne sehen würde: "If roses are meant to be red/ and violets to be blue/ Why isn't my heart meant for you? […] You're still a picture in a frame." Er ist unerreichbar. Und genau das macht dieses Lied zu eben dem: Keines der Lieder –allein "Falling Sun" käme dem nahe– kann "Lost" das Wasser reichen.

Anspieltipps

Falling Sun

Lost

One Word

Fading

Tracks

1.Girl
2.Heaven Knows
3.More Than You Deserve
4.Falling Sun
5.Lost
6.Alright
7.Help
8.Our Own Love
9.Jerusalem
10.One Word
11.I Spy
12.Fading
13.Weblink

Aljana Pellny - myFanbase
18.02.2006

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