Bewertung
Guided by Voices

Let's Go Eat the Factory

Die "Beatles des Indie", die "Pioniere des Lo-Fi" sind zurück: Mit "Let's Go Eat the Factory" erscheint das erste Album der Guided by Voices seit ihrer Trennung 2004 - noch dazu mit der klassischen, hitverdächtigen Besetzung aus den Neunzigern, wie momentan alle so gern betonen. 21 Songs in 42 Minuten, Songschnipsel, die mehr Schnipsel als Song sind: Von Anfang an fühlt man sich wie zu Hause im Guided-by-Voices-Kosmos, in dem mit herrlichen Melodien so verschwenderisch umgegangen wird wie mit den Ressourcen unseres Planeten.

Foto: Copyright: Fire Records
© Fire Records

Robert Pollard hat womöglich fast so viele Lieder geschrieben, wie es GZSZ-Folgen gibt – die Sache mit der Qualität scheint er aber etwas besser hinzukriegen: Überall liest man, wie groß die Guided by Voices sein könnten, wenn sie sich nur etwas mehr Mühe geben würden. Herrn Pollard wiederum dürfte das gar nicht kratzen: Warum einen ordentlichen Vier-Minüter schreiben, wenn man stattdessen vier abwechslungsreiche Ein-Minüter veröffentlichen kann?

Und so ist "Let's Go Eat the Factory" wieder eine Ohrwurm-Wundertüte geworden, die aus allen Nähten platzt: Kaum sperrt man erwartungsvoll seine Ohren auf, weil ein Refrain besonders toll klingt, so ist nicht nur er, sondern auch das gesamte Stück schon wieder vorbei. Die nächste einschmeichelnde Melodie lugt dabei schon um die Ecke, wird aber wieder nicht zu Ende gedacht, sondern bricht entweder urplötzlich ab oder verwandelt sich wie das Durcheinander von "Spiderfighter" absurderweise in eine kitschige Klavierweise.

Die Unmenge an Songs und Beinahe-Songs, die da über einen hereinbricht, mutet vielleicht zu viel des Guten an, hat aber das Aufregende einer Schnitzeljagd an sich: Hier ein paar lustige Flötentöne, dort ein witziger Songtitel, unzählige hübsche Ideen, die erst aus ihrem nachlässigen Lo-Fi-Gewand gepult werden müssen - und dazwischen hüpft der Hörer aufgeregt hin und her und versucht, wenigstens eine Handvoll der Melodien zu erhaschen. Dies sind mitunter auch die besten Momente auf "Let's Go Eat the Factory": Perfekte kleine Popsongs wie "Chocolate Boy" oder "Hang Mr. Kite" hat man nur eineinhalb Minuten für sich – und weil hier jede Schrulle an der richtigen Stelle sitzt, sind diese 90 Sekunden genau richtig, um sich in sie zu verlieben und nicht genug von ihnen zu bekommen.

Nach etlichen Skizzen kommt am Schluss tatsächlich noch ein Stück mit allem Pipapo daher: "We Won't Apologize for the Human Race" dauert vier Minuten, hat mehrere Refrains, ein Gitarrensolo und zeigt, dass der Geist von Guided by Voices nicht nur bei Song-Quickies funktioniert. Mehr Spaß macht es trotzdem, sich durch Pollards kurzlebige Melodienwelt zu wühlen – gut, dass bereits für dieses Jahr ein weiteres Album angekündigt wurde.

Fazit

Nicht alles, was die Guided by Voices auf "Let's Got Eat the Factory" gepackt haben, ist absolut umwerfend – das wäre bei 21 Songs auch mehr als erstaunlich. Ein bisschen erstaunlich ist es aber weiterhin, wie die Band es schafft, nach so vielen Jahren noch immer so charmante und vor allem so viele Ohrwürmer zu fabrizieren. Die Beatles des Indie? Jawohl.

Anspieltipps

Doughnut for a Snowman

Hang Mr. Kite

The Unsinkable Fats Domino

Chocolate Boy

We Won't Apologize for the Human Race

Artistpage

GbV.com

Tracks

1.Laundry and Lasers
2.The Head
3.Doughnut for a Snowman
4.Spiderfighter
5.Hang Mr. Kite
6.God Loves Us
7.The Unsinkable Fats Domino
8.Who Invented the Sun
9.The Big Hat and Toy Show
10.Imperial Racehorsing
11.How I Met My Mother
12.Waves
13.My Europa
14.Chocolate Boy
15.The Things That Never Need
16.Either Nelson
17.Cyclone Utilities (Remember Your Birthday)
18.Old Bones
19.Go Rolling Home
20.The Room Taking Shape
21.We Won't Apologize for the Human Race

Stephanie Stummer - myFanbase
22.01.2012

Diskussion zu dieser CD