Travelling
Judy Bailey ist Weltbürgerin. Geborgen in London, zog sie als Kind mit ihren Eltern zurück in deren Heimat Barbados. Um Psychologie zu studieren, kehrte sie als Jugendliche dann nach England zurück. Vor 15 Jahren zog sie dann zu ihrem frischgebackenen Ehemann in dessen Heimat Deutschland. Mit ihm und ihren drei Jungs lebt die heute 43-Jährige nun im Rheinland. Ihre mittlerweile acht Studioalben wurden ihrer Umzugslust entsprechend in diversen Ländern produziert.
© Gerth Medien
Auch für Konzerte hält sich Judy Irene Bailey Depuhl, so ihr vollständiger Name, genauso gerne in den unterschiedlichsten wie in weit entfernten und ihr unbekannten Ländern auf. Und so trat sie schon auf allen Kontinenten auf – in genau 25 Staaten zwischen Finnland und Südafrika, Australien und Brasilien. Clubs und Gottesdienste sind da genauso übliche Veranstaltungsorte wie Flüchtlingslager und Gefängnisse. Dieses Jahr führt ihr Travel sie sogar in Friedhofskapellen, Autowerkstätten, Hospize und ins Schnellrestaurant.
Auch wenn ihre Musik schon immer die unterschiedlichsten Stile verband, mit internationalen Musikern aufwartete und irgendwo zwischen Pop, Reggae und Folk einzuordnen war, so ist "Travelling" die multikulturellste Scheibe der Dreadlocks tragenden Psychotherapeutin. Mit bei uns unüblichen Instrumenten wie Darabuka und Udu (afrikanische Trommeln), Cuatro und Oud (Saiteninstrumente aus Kolumbien bzw. dem Nahen Osten) oder Shak-Shak (Rasseln aus der Karibik) lassen Judy und ihre Band die Erfahrungen ihrer Reisen hörbar in die Lieder einfließen und Bilder von entfernten Orten und Menschen entstehen.
Beispielweise Song Nr. Zwei, "Getting Ready for the Ride": Lockerleichtes Gitarrengezupfe und flotte Trommeln schaffen den idealen Country-Soundtrack für einen Roadtrip durch die USA. "History" ist Judy-typischer Reggae zum Mitsingen und -tanzen mit Sprechgesang von ihr und Abelwell, während in "Never Let Me Down" wie auf dem Vorgängeralbum October Light aus Kroation eine Bläser-Session abliefern und gemeinsam mit einem afrikanischen Riesenchor eine laute Straßenfeier entstehen lassen. In "Time for Change" überrascht die Sängerin mit den 131 Haarbündeln durch arabische Klänge, die indische Sitar und Gastsängern aus Pakistan und Palästina, sozusagen aus den Hot Spots der Erde und somit wunderbar passend zum Liedinhalt.
Der Opener "Been Getting Stronger", "Without You" und "Under My Skin", dessen Akkorde doch sehr nach Celine Dions "I'm Alive" klingen, sind die poppigsten Titel und damit auch die schwächsten. Ähnlich wie auf ihrer letzten, ebenfalls eigenproduzierten CD "Ready to Fly" bekommt Mrs. Bailey Songs einfach nicht so spannend hin wie ihre früheren Produzenten Eddy Grant ("Gimme Hope Jo'anna"), der ihr die einzige Single-Charts-Platzierung verschaffende Udo Rinklin (Platz 85 mit "Extraordinary light", 2003) oder Nashville-Urgestein Phil Madeira.
An dessen recht akustisch-folkige Judy-Produktion "The Way We Are" erinnern die vielen ruhigen Stücke von "Travelling". Von denen wissen einige wirklich zu bestechen, zum Beispiel der Titelsong oder "Life Goes On", dessen Streicher für ein trauriges Gefühl sorgen, während sein Text in schwierigen Zeiten jedoch Mut machen will. Auch das percussion-getragene "Mogadishu" und "Only You" mit den rau gehauchten Background Vocals wissen sowohl musikalisch als auch lyrisch zu überzeugen, setzen sie doch beide ihren Inhalt – im ersten Fall eine Geschichte über eine Hungersnot erlebende Mutter, im zweiten Fall ein Lied der Liebe und des Vertrauens – gezielt hörbar um. Und gerade die zurückgenommenen Arrangements lassen Raum für Judys starke Stimme, die ab und an an ihr Lookalike Tracy Chapman erinnert, insgesamt aber wärmer und facettenreicher ist.
Deutlich merkt man, dass das Thema "Reise" für Judy nicht nur eins musikalischer Art ist, sondern auch eins inhaltlicher. Und so handeln die 14 Eigenkompositionen von der Reise des Lebens mit all den Entdeckungen, Höhepunkten und Stolpersteinen. Was die überzeugte World-Vision-Botschafterin auf ihrem Weg stützt, ist ihr Glaube an Gott. In ihren Liedern erzählt sie daher offen davon, wie sie sich in Schwierigkeiten doch stark und sicher fühlt. Die Platte endet mit "Close Your Eyes", einem charmanten Wiegenlied für ihre Kinder, in das sie Sätze, die sie ihnen wirklich allabendlich sagt, eingebaut hat.
Fazit
Judy Bailey ist Weltmusikerin mit Leidenschaft und das ist auf "Travelling" erlebbar. Dessen konzeptionelles Spirit, seine Detailverliebtheit und sein inhaltlicher Tiefgang sind die Stärken ihrer insgesamt zehnten Veröffentlichung. Was ihre Kenner vermissen werden, sind die powervollen Songs, bei denen ihr Konzertpublikum nie still sitzen bleibt. Auch fehlen wirkliche Ohrwürmer, die nicht vier Anläufe brauchen, bis sie hängen bleiben. Auch im ruhigen Metier hatte Judy die früher mal besser drauf. "Travelling" punktet also anders, ist anders – und das ganz bewusst.
Anspieltipps
Only You
History
Mogadishu
Never Let Me Down
Artistpage
Tracks
1. | Been Getting Stronger | |||
2. | Getting Ready for the Ride | |||
3. | Only You | |||
4. | Angel that Knows | featuring Eska Mtungwazi | ||
5. | History | |||
6. | Mogadishu | |||
7. | Time for Change | |||
8. | Travelling | |||
9. | Under My Skin | |||
10. | Without You | |||
11. | Life Goes on | |||
12. | New Beginning | |||
13. | Never Let Me Down | |||
14. | Close Your Eyes |
Micha S. - myFanbase
14.04.2012
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 27.02.2012Genre: Folk & Country, Pop
Jetzt bestellen
Album jetzt bei Amazon.de
bestellen
Aktuelle Kommentare
15.12.2024 21:18 von Daniela
No Good Deed: No Good Deed
Ich will da kommende Woche mal reinschauen. mehr
14.12.2024 12:30 von Lena
Black Doves: Black Doves
Jap! Staffel heute Morgen beendet, Anfang der Woche... mehr