Bewertung
Streetlight Manifesto

Keasbey Nights

"Keasbey Nights" ist kein neues Material. Im Gegenteil: Die Songs bestehen in ihrem Fundament sage und schreibe seit geschlagenen acht Jahren. Und wurden damals bereits veröffentlicht – unter der Band Catch 22, welche sich bald auflösen und im Jahre 2002 fragmentarisch als Grundlage der in ihrer heutigen Form existierenden Band Streetlight Manifesto dienen sollte. Vier Jahre später erscheint nun die Neuauflage des Albums "Keasbey Nights".

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Du kennst das sicher: Wieder mal viel zu früh aufgestanden (und dennoch zu spät), gegessen hast Du auch nichts, sonst kommst Du nicht rechtzeitig. Zug, Bus und Autobahn gehören wegen Überfüllung geschlossen, es ist nass und dunkel draußen, es regnet. Und wieso? Es ist Winter.

Auf der Arbeit oder in der Schule darauf wartend, dass der bislang ohnehin ziemlich mittelmäßige Tag, an dem die Lichtblicke zu allem Überfluss mal wieder besonders rar gesät sind (und Dein Umfeld mindestens genauso schlecht drauf wie Du), schaust Du aus dem Fenster und die Tristesse des Alltags gibt Dir den Rest.

Zuhause angekommen schmeißt Du Dich in voller Montur aufs Bett, schaust zur Decke, stöhnst – was für ein Tag. Du lässt Deinen Blick durchs Zimmer schweifen, dieser streift das CD-Regal und Dir fällt ein: Da war doch was! Das Album Streetlight Manifestos nämlich, welches gerne als unfehlbarer Muntermacher gehandelt wird. Du rappelst Dich auf, verschränkst trotzig Deine Arme ineinander, legst die Scheibe auf und setzt Dich fordernd vor den CD-Player. Muntermacher – pah, nicht möglich. Doch siehe da: Plötzlich scheint die Sonne aus dem Teil.

Scheint zu klappen. Was Dir eigentlich gar nicht richtig recht ist. Genau genommen hast Du Dich mit Deinem bemitleidenswerten Los abgefunden – ja, sogar ganz gut arrangiert– , denn wenn man im Winter nicht melancholisch werden darf, wann dann? Noch dazu ist es herrlich bequem, aufs Wetter zu schimpfen und jeden erdenklichen Missstand auf eben dieses abzuwälzen. Und dann reitet eine siebenköpfige Truppe Gutgelaunter, extrem Gutgelaunter, auf Deine Pessimistenfestung zu, zu der Strahlemänner keinen Zutritt haben. In der Hand keine Lanzen, aber Sonnenblumen: Im Begriff, sie zu stürmen und Dich höchstpersönlich vom Thron der Miesepetrigkeit zu hieven.

Die Band um Sänger Tomas Kalnoky setzt Dir mit nur einem Satz aus "Walking Away" die geballte Lebensfreude vor: "Could things get any better now? If they can I cannot see how." Oh Gott! Du willst aufstehen; nur weg von diesen Sonnenschein-Menschen, die gute Laune zu verbreiten scheinen wie Duftbäumchen penetranten Tannengeruch. Doch vierzehn imaginäre Ärmchen halten Dich dennoch davon ab, Dich ins Bett zu verkriechen und den Rest des Tages zu verschlafen.

Das ist auch gut so, denn so euphorisch wie sie klingen sind die vierzehn Songs gar nicht mal. Inhaltlich wird da schon mal nur zu gerne gegen so ziemlich alles gewettert, was einem in die Quere kommt. So legt man sich in "Sick And Sad" selbst mit dem Schicksal an und macht es prompt zur Schnecke: "I don't care what the stars may say/because they always feed their shit to me."

Gewettert wird auf einer wirklich gelungen Melodie auch gegen eine gewisse junge Dame namens Kristina, die Kalkony nachhaltig beeindruckt hat. "Not long ago in my highschool days/ I watched a girl from so far away/But every time she passed me by/ I turned my head away and quietly sighed.[…] And when she walked by/ her hair would dance a secret tango/ that only I could understand." Seine Gedanken an die schöne Fremde lassen ihn nicht mehr los und er malt sich aus, wie schön es wäre, wenn. In Tommys Phantasie haben sich die beiden längst kennengelernt. Und er kennt bereits jedes Wort, das er zu ihr sagen wird. Nämlich: "Kristina, Kristina/ Do you have any clue who I am? (Hell no)/ So listen up because I'll tell you once/and I'll explain myself the best I can.[…] I'm kind of shy/so don't wonder why/Kristina she don't know I exist." Das Ende vom Lied? Sie weiß es doch. Dass er existiert. Denn nachdem sie sich von ihm mit nach Hause nehmen lässt, bricht sie ihm am 17.01.1998 das Herz, als er sie mit einem anderen sieht. Das war schon mal nichts.

Doch auch andere Frauen scheinen unserem Freund Tommy Kopf- und Herzzerbrechen zu bereiten: "I worry and I worry/ but you'll never have to worry again/ You'll never be alone/ Even if I told you what it meant to me/you'd disagree/ You'd never let it be/ You just want to dance around the problem." Kann einem schon leid tun, der Tommy. Zum Glück spielt er jetzt in einer Band, deren Name der wohl klangvollste ist seit "Mando Diao". Und auf Musiker stehen die Frauen ja eh.

In "1234 1234" zeigt er zum Schluss den Blick fürs Wesentliche: "The years go by/ The time it does fly/ Every single second is a moment in time/ that passes, oh, so quick and seems like nothing". Und sein Statement "There's more to life/ there's more to you/there's more than meets the eye" gehört eigentlich in jedes moderne Poesiealbum.

Den einen oder anderen Song melodisch herauszupicken ist nicht nötig. Denn jeder einzelne ist ziemlich bis sehr enthusiastisch vertont, immer flott. Und wenn man glaubt –sich einbildet–, man könne sich zurücklehnen und sich einfach nur berieseln lassen, stellt man schnell fest: Das wird nicht gestattet. Denn ab der 25. Sekunde spätestens werden die bis hierher leisen Tönen schnell wieder laut. Keine Verschnaufpause. Erstaunlich gut gelingt es der Band dabei, auch weniger auf Friede-Freude-Eierkuchen basierende Zeilen auf erfrischende Art und Weise in ein fröhliches Kleidchen zu stecken, ohne sie textfremd werden zu lassen.

Wer sich dieses Jahr keinen Urlaub leisten kann, der tut gut daran, in dieses Album zu investieren.

Anspieltipps

Keasbey Nights

Day In, Day Out

Walking Away

On & On & On

Kristina, She Don't Know I Exist

Tracks

1.Dear Sergio
2.Sick And Sad
3.Keasbey Nights
4.Day In Day Out
5.Walking Away
6.Giving Up Giving In
7.On & On & On
8.Riding The Fourth Wave
9.This One Goes Out To…
10.Supernothing
11.9MM And A Three Piece Suit
12.Kristina She Don’t Know I Exist
13.As The Footsteps Die Out Forever
14.1234 1234

Aljana Pellny - myFanbase
12.03.2006

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