Recto Verso
Wenn es ein französischsprachiges Album in Deutschland bis auf Platz 3 der Charts schafft, dann ist es klar, dass man es hier mit einer außergewöhnlichen Platte zu tun haben muss. Dem selbstbetitelten Debütalbum des französischen Gesangswunders Zaz gelang dieser Coup im Jahre 2010, während die Singleauskopplung "Je veux" gleichzeitig die europäischen Hitlisten eroberte. Nach so einem Erfolg ist es natürlich immer schwierig, ein Zweitalbum herauszubringen, das den nunmehr sehr hohen Erwartungen der Fans und Kritiker genügt. Zaz stellt sich mit "Recto Verso" dieser Herausforderung – und meistert sie leider nur teilweise.
Es ist immer schwierig zu bescheiben oder zu erklären, warum ein bestimmter Song von einem bestimmten Künstler bei einem besser ankommt als ein anderer desselben Künstlers. Ist es die Melodie, der Text, der Rhythmus, das Feeling? Wie soll man Musikgeschmack erklären? Man kann es nicht wirklich und so ist es ein wenig widersprüchlich, was beim Anhören von "Recto Verso" mit einem passiert. Dieses Paradoxon lässt sich bereits an den ersten zwei Liedern des Albums sehr gut veranschaulichen: Während die Dramatik des Introsongs (und ersten Singleauskopplung) "On ira" überhaupt nicht zünden mag, ja nahezu fehl am Platz wirkt, schwingt die Atmosphäre mit dem locker-leichten, wunderbar fetzigen "Comme ci, comme ça" komplett um und erweckt in einem den Wunsch, sofort einen Tanzpartner zu schnappen und sich zu den Swing-artigen Melodien auf dem Parkett auszutoben. Und so zieht es sich durch fast das komplette Album: Blasse, ja fast schon uninspiriert wirkende Songs wechseln sich ab mit richtig tollen Liedern, die man gerne auf Repeat hört. Es ist ein Auf und Ab, ein "Wow, was für ein cooler Song!" gegen ein "Gefällt mir nicht, nächster Song, bitte!".
2010 bewies Zaz mit "Je veux" beispielhaft, wie der französische Pop durch den Einfluss des (Nouvelle) Chanson tatsächlich einen neuen Impuls bekommen kann und wie sozialkritische Texte trotz ihrer Ernsthaftigkeit unglaublich Spaß machen können (interessanterweise erschien 2010 neben Zaz' "Je veux" gleichzeitig auch Stromaes Überhit "Alors on danse", der diese Mischung aus Mainstream-Musik und Gesellschaftskritik perfekt beherrschte). Auf "Recto Verso" funktioniert das aber nicht mehr so ganz: Songs wie "On ira", "La lessive" oder "J'ai tant escamoté" sind schwermütig und viel zu dramatisch, aber nie mitreißend. Die Ballade "Si", auch wenn sie Zaz' grandiose Stimme sehr gut in der Vordergrund rückt, wirkt leider wie ein nach Schema F komponiertes Schmalzlied, das einfach nicht zu Zaz passt, nicht zu ihrer Energie und ihrem frechen Charme, nicht zu dieser unkonventionellen Sängerin, die alles verkörpert, nur nicht das Schema F.
Diejenigen Lieder, die auf diesem Album überzeugen können, sind daher die schnellen und spritzigen, die spaßigen und cleveren, wie das besagte "Comme ci, comme ça", das mysteriöse "Déterre", das ganz im Nouvelle Chanson verankerte "Toujours" oder das herrliche "Oublie Loulou". Es sind diese tanzbaren, stark rhythmisierten Songs, die "Recto Verso" zumindest stellenweise hörenswert und interessant machen. Auch wenn Zaz in "La Lune" Anleihen aus dem Tango nimmt, ist dies ein lohnendes Experiment und die zwei abschließenden Bonus Tracks stimmen einen zum Ende hin zumindest positiv. Doch dann hört man sich dieses Album nochmal an und nochmal an... und merkt, wie man dann doch leider viele Lieder vorspulen will.
Fazit
Zaz ist und bleibt eine Ausnahmestimme und eine außergewöhnliche Sängerin, doch mit diesem zweiten Album bleibt sie letztlich leider hinter den Erwartungen zurück. Ein richtiger Hit mag sich nicht wirklich herauskristallisieren und auch das Hörvergnügen stellt sich nur bedingt ein, da der Qualitätsunterschied zwischen den Liedern sehr groß ist, sodass man nie kontinuierlich ein paar Lieder hintereinander hört, die einen echten Einstieg in dieses Album ermöglichen. Ein durchwachsenes Follow-Up von einer Künstlerin, von der aber hoffentlich in Zukunft wieder Großes zu erwarten ist.
Anspieltipps
Comme ci, comme ça
Déterre
Toujours
Oublie Loulou
Cette Journée
Nous debout
Artistpage
Tracks
1. | On ira | |||
2. | Comme ci, comme ça | |||
3. | Gamine | |||
4. | T'attends quoi | |||
5. | La lessive | |||
6. | J'ai tant escamoté | |||
7. | Déterre | |||
8. | Toujours | |||
9. | Si je perds | |||
10. | Si | |||
11. | Oublie Loulou | |||
12. | Cette journée | |||
13. | Nous debout | |||
14. | La lune | |||
15. | La part d'ombre | |||
16. | Le retour du soleil | |||
17. | Laissez-moi |
Maria Gruber - myFanbase
01.06.2013
Diskussion zu dieser CD
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 10.05.2013Genre: Swing, Diverse
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