Bewertung
Tim Bendzko

Am seidenen Faden

2011 war das Jahr des großen Durchbruchs für den Berliner Tim Bendzko. Die Debütsingle "Nur noch kurz die Welt retten" war nicht nur omnipräsent im Radio zu hören, sondern gab auch einen pfiffigen Sommerhit ab, der die Charts stürmte. Das Debütalbum "Wenn Worte meine Sprache wären" war nicht minder erfolgreich und konnte im deutschsprachigen Raum mehrere Gold-Auszeichnungen einheimsen.

Foto: Tim Bendzko - "Am seidenen Faden" - Copyright: Columbia Deutschland
Tim Bendzko - "Am seidenen Faden"
© Columbia Deutschland

In Deutschland ist immer wieder zu vernehmen, wie viel Kreativität in der Musikszene steckt. Immer wieder kommen erstaunliche Songs und Künstler an die Oberfläche, die einiges zu bieten haben. Dann gibt es hierzulande jedoch auch ausreichend Interpreten, die auf bereits bewährtes Muster setzen und das Risiko meiden. Zu dieser Sparte würde ich Tim Bendzko zählen. Es ist jedoch unangebracht ihn als Xavier-Naidoo-Klon zu benennen, wie ich es schon oft hörte. Seine Stimme hat eine abweichende Klangfarbe und seine Popmusik eckt zwar im souligen Bereich an, wirkt aber "leichter" und enthält noch keinen sehr großen Wiedererkennungswert.

Es heißt sehr oft, dass das zweite Album für Künstler besonders schwierig ist, besonders wenn das Debüt so erfolgreich ausfiel. Daher ist es erstaunlich wie unverkrampft "Am seidenen Faden" daher kommt. Die Songs wirken auf mich als Nicht-Komponist und einfacher Musikkonsument wie einfach aus dem Ärmel geschüttelt. Viele Stücke auf Tims zweitem Werk hören sich zudem auf mich sehr ähnlich an. Das Titellied "Am seidenen Faden", jenes ich übrigens sehr edel und soulig finde, war als erste Singleauskoppelung sehr passend gewählt. Es repräsentiert sehr genau, was einen auf dem Longplayer erwartet. Weiche, mit hauptsächlich sanften Streicher- und Gitarrenklängen, unterlegte Songs. Manchmal strahlen sie Heiterkeit aus ("Ich will zu Dir") oder bleiben wie das Titellied im nachdenklichen Rahmen. Bezüglich der Melodien kann ich zumeist keine großen Unterschiede heraushören.

Das Album "Am seidenen Faden" hat den Vorteil, dass man es sich ohne Skipverlangen durchhören kann, da kein Song das Hörvergnügen stört. Nichts eckt an und es läuft wie ein hübsch plätschernder Bach einfach durch. Der Nachteil ist, dass man im Nachhinein zwar weiß, dass es kein unangenehmes Erlebnis war, aber auch kaum ein Song im Kopf hängen blieb. Irgendwas fehlt da, um die Ohren zu spitzen und genauer hinhören zu wollen.

Ich würde sagen, es ist die Abwechslung, die eben fehlt. Das Kantige, was einen als Zuhörer fordert und richtig mitreißt. Ein paar Risiken hätten Tim & Co. schon eingehen können. Es gibt jedoch einzelne Songs, die sich hervorheben. Der Opener "Ich steh nicht mehr still" trifft es thematisch ganz gut. Nachdem Lied giert man nach mehr und wird jedoch mit dem darauf folgenden "Am seidenen Faden" gleich in die ruhige, soulige Kuschelecke getrieben. Passender hätte ich es gefunden an der zweiten Stelle den Song "Programmiert" zu platzieren. Das ist nämlich der einzige richtige Ohrwurm, den das Album zu bieten hat und wirkt angenehm schwungvoll. An elfter Stelle passiert es eventuell, dass manche gar nicht mehr genau hinhören, nach all den ruhigeren Stücken. Nur "Die Geier kreisen schon" unterbricht dies mit markantem Beat und sticht dadurch auch hervor.

Apropos ruhige Songs: "Vergessen ist so leicht" ist eindeutig mein Favorit. Das Lied erinnert mich von der Aufmachung her an ein ruhiges Stück von Coldplay. Ich würde es nicht als nachgeahmt bezeichnen, aber hier wird gekonnt das Prinzip "weniger ist mehr" angewendet. Das dezente Arrangement und die Klavierklänge verleihen dem Song Atmosphäre und der Refrain löst doch etwas Gänsehaut aus.

Fazit

Das Album ist vergleichbar mit einer Fahrt auf einer gut geteerten, angenehmen Fahrbahn. Es läuft dermaßen glatt und ruhig ab, sodass man beinahe hinter dem Lenkrad einnickt. Doch einzelne Rucks, wie der hervorstechende Beat in "Die Geier kreisen schon" oder der schwungvolle Ohrwurm "Programmiert" verhindern, dass man wegdöst. Am Ende ist man überzeugt, dass die Fahrt angenehm war und man wird diese Route wiederwählen. Doch man erzählt Freunden und Bekannten nichts von der Fahrt, da nichts Besonderes vorgefallen ist, das einem nachhaltig im Kopf geblieben ist.

Anspieltipps

Ich steh nicht mehr still

Am seidenen Faden

Vergessen ist so leicht

Programmiert

Artistpage

TimBendzko.de

Tracks

1.Ich steh nicht mehr still
2.Am seidenen Faden
3.Ohne zurück zu sehen
4.Auch wenn es gelogen ist
5.Vergessen ist so leicht
6.Die Geier kreisen schon
7.Durch die Nacht
8.Es geht wieder vorbei
9.Nur einen Herzschlag
10.Ich will zu dir
11.Programmiert
12.Leicht sein
13.Wo sollen wir nur hin
14.Alles was du wissen musst

Samuel W. - myFanbase
03.09.2013

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