Bewertung
Arcade Fire

Reflektor

Arcade Fire, das ist eine Band, die Musik als das auffasst, was sie eigentlich ist: ein Ausdruck der Kunst. Mit einer unkonventionellen Marketingstrategie, die unter anderem Graffitis des Albumlogos in Städten auf der ganzen Welt, ellenlange Videoclips, eine interaktive Website und noch viele andere Dinge beinhaltete, bringen die Kanadier im Herbst 2013 ihr langerwartetes viertes Studioalbum "Reflektor" auf den Markt – und beweisen damit zum wiederholten Male, was Musik als Ausdruck künstlerischer Kraft eigentlich alles sein kann.

Foto: Arcade Fire - "Reflektor" - Copyright: Vertigo Berlin
Arcade Fire - "Reflektor"
© Vertigo Berlin

Frontmann Win Butler plauderte in einem Interview mit dem Rolling-Stone-Magazin einmal ganz frei über die Dinge, die ihn und die Band zu diesem Album inspirierten. Mit dabei: die Bibel, der Film "Orpheus Black" aus dem Jahre 1959, der Philosoph Søren Kierkegaard, Reisen nach Jamaika und Haiti mit seiner Ehefrau und Bandmitglied Régine Chassagne. Man sieht, die Bandbreite an Inspirationen ist groß und so ist es auch wenig verwunderlich, dass die Bandbreite von "Reflektor" eine enorme ist, sowohl musikalisch als auch lyrisch.

Mit dem titelgebenden Song "Reflektor" steigt man zu tanzbaren Rhythmen in das nunmehr vierte Album der Montrealer ein, in dem sie mit stellenweise französischsprachigen Liedzeilen nicht nur ihrer Herkunft Tribut zollen, sondern vor allem auch ihrem Musikstil – der undefinierbaren Mischung aus Rock, Electro-Pop, Synth – treu bleiben. Eher konventionell angelegte Songs ("We Exist") wechseln sich im Verlauf des Albums ab mit experimentell angehauchten Liedern ("Flashbulb Eyes"), rasante, ganz klar von karibischen Rhythmen beeinflusste Songs ("Here Comes the Night Time") klingen ins Mysteriöse ab ("Here Comes the Night Time II"), zwischendurch wird dann mal wieder ein ganz klassisches viervierteltaktiges Lied eingebaut ("Normal Person"). Und zur Mitte des Albums kommen dann so großartige Werke wie das sozialkritsch-philosophische und doch wunderbar tanzbare "You Already Know", die das musikalische und poetische Potential dieser Ausnahmeband mal wieder beweisen.

Genauso ist es auch mit dem thematisch als Zweiteiler gedachten "Awful Sound (Oh Eurydice)" und "It's Never Over (Hey Orpheus)": Arcade Fire ist eine Band, die Indierock mühelos mit griechischer Mythologie verbinden kann und mal eben ein völlig surreales, neues musikalisch-künstlerisches Konstrukt daraus erbaut. Und das rekurrierende Thema: Orpheus und Eurydike, Beziehungen und ihre Tücken, Beziehungen und Liebe, Beziehungen und wie man sie aufbaut und erhält, ja bis in die Ewigkeit erhält ("Afterlife").

Das wirre, epische Ende des Albums, das über elf Minuten lange "Supersymmetry", fasst letztlich die Stimmung und Atmosphäre und vor allem auch die inhaltliche Dimension dieses Albums zusammen.

Fazit

"Reflektor" ist eine Platte, die sich zwischen Oppositionen bewegt, wie diese auch an verschiedenen Stellen in den Lyrics aufgegriffen werden: zwischen Licht und Dunkel, zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, zwischen Reflektion und Deflektion, zwischen Kommunikation und Missverständnis, zwischen Existenz und Leere. Es ist die Zusammenführung von künstlerischen, literarischen, filmischen, philosophischen, poetischen und lebensweltlichen Aspekten in einem abwechslungsreichen, innovativen und nicht kategorisierbaren musikalischen Werk, das zweifellos als eine der tollsten Platten des Jahres gewertet werden kann.

Anspieltipps

Here Comes the Night

You Already Know

Awful Sound (Oh Eurydice)

Afterlife

Artistpage

ArcadeFire.com

Tracks

1.Reflektor
2.We Exist
3.Flashbulb Eyes
4.Here Comes the Night Time
5.Normal Person
6.Here Comes the Night Time II
7.Awful Sound (Oh Eurydice)
8.It's Never Over (Hey Orpheus)
9.Porno
10.Afterlife

Maria Gruber - myFanbase
09.12.2013

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