Bewertung
Kevin Drew

Darlings

Kevin Drew kennt man vor allem als Mitglied des kanadischen Musiker-Kollektivs Broken Social Scene, das zuletzt vor vier Jahren mit "Forgiveness Rock Record" ein absolutes Meisterwerk veröffentlichte. Die Band-Pause seit 2010 hat er nun genützt, um seine zweite Soloplatte aufzunehmen – zwar haben auch wie bei seiner ersten eigenen Veröffentlichung hie und da ein paar seiner Kollegen mit angepackt (u.a. Leslie Feist); der Weg, den er mit "Darlings" einschlägt, ist allerdings poppiger und gefälliger als alles, was Broken Social Scene bisher gemacht haben. Wer denkt, dass man den Kanadier nun vielleicht leichter irgendeiner Schublade zuordnen kann, liegt aber nach wie vor falsch.

Foto: Kevin Drew - "Darlings" - Copyright: City Slang
Kevin Drew - "Darlings"
© City Slang

Kevin Drew hat alle Fenster weit geöffnet, lässt lupenreine Pop-Melodien und dezente Ambient-Elemente durch die Räume wabern. Niemand läuft mehr Gefahr, sich den Kopf anzustoßen oder gegen ganze Noise-Mauern zu laufen; stattdessen schwebt über dem feinen Gewebe aus Synthies und Piano eindringlich und beruhigend seine Stimme. Die Aussage "Indie-Rocker goes (Elektro-)Pop" will dennoch nicht so recht passen – zu weird sind seine Texte, die sich um Sexualität, Intimität oder auch grottenschlechte Musik ("Bullshit Ballad") drehen; zu "anders" bleibt die Ausstrahlung seiner Songs, auch wenn sie einem schon nach kurzer Zeit das Gefühl geben, sie ewig zu kennen.

Als "körperlich" wurde die Musik auf "Darlings" bereits im Vorfeld bezeichnet; zum einen ist das eben auf den textlichen Schwerpunkt zurückzuführen, der zwar durchaus speziell, aber nicht rein provokant an das Thema herangeht, zum anderen liegt es an der reinen, intimen Produktion, vor allem auch an Drews Stimme, die dem Hörer oft näher gar nicht sein könnte ("My God").

Erst in der zweiten Hälfte, genauer gesagt ab der "Bullshit Ballad", werden langsam wieder die E-Gitarren ausgepackt, womit man auch wieder ein bisschen an den Broken-Social-Scene-Stil heranrückt. Auch das Mitwirken von Feist bei "You In You Were" assoziiert man automatisch mit der Band, um spätestens beim wiederum sehr poppigen Uptempo-Klavier-Stück "And That's All I Know" zu erkennen, dass Drew logischerweise auf die Kollegen zurückgreift, die wissen, wie er tickt und worauf er hinaus will.

Fazit

Was wir am Schluss von "Darlings" wissen, ist, dass Kevin Drew es geschafft hat, eine großartige Quasi-Pop-Platte zu schreiben, ohne auf die ihm eigene Verschrobenheit zu verzichten und ohne seine Ansprüche herunterzuschrauben. Interessant wird in weiterer Folge, ob sich diese Entwicklung, die man in Ansätzen ja bereits auf "Forgiveness Rock Record" erkennen konnte, auch auf die nächsten Arbeiten von Broken Social Scene auswirken wird.

Anspieltipps

Good Sex

Mexican Aftershow Party

You Gotta Feel It

The First In Line

You Got Caught

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KevinDrewMusic.com

Tracks

1.Body Butter
2.Good Sex
3.It's Cool
4.Mexican Aftershow Party
5.You Gotta Feel It
6.First In Line
7.Bullshit Ballad
8.My God
9.You In You Were
10.You Got Caught
11.And That's All I Know

Stephanie Stummer - myFanbase
04.04.2014

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