Bewertung
Conor Oberst

Upside Down Mountain

Weil er ein Getriebener ist, wird Conor Oberst, solange er die Gitarre noch halbwegs halten kann, Musik machen und veröffentlichen. Weil er, wie sich alle spätestens seit "I’m Wide Awake It’s Morning" einig sind, ein Genie ist, wird ihn der gemeine Singer/Songwriter stets um die Songs beneiden, die wir bei ihm als Standard empfinden. Was dieses Genie aber dazu getrieben hat, eine Handvoll Songs seines neuen Albums so üppig auszustaffieren, dass einem das Wort "Schlager-Folk" in den Sinn kommt, bleibt ein Rätsel – eines, das auch dem Rest des Albums einen komischen Beigeschmack verleiht.

Foto: Conor Oberst - "Upside Down Mountain" - Copyright: Nonesuch Records
Conor Oberst - "Upside Down Mountain"
© Nonesuch Records

Die Eröffnungsnummer "Time Forgot" will man nach den ersten paar Tönen anfangs noch als gefälligen Folkpop abstempeln, bis man sich plötzlich knietief in furchtbarem Schmalzgitarren-Geklimper und inbrünstigen "Und-jetzt-singen-alle-gemeinsam"-Refrains versinkend wiederfindet. Im Hintergrund hallt das Schlagzeug, was das Zeug hält – und mit jedem Pochen tut es ein bisschen mehr weh. Es ist noch nicht vorbei: Aufgesetzt fröhliche "Aaaahhh"-Chöre wechseln sich mit penetrant fröhlichen Bläsern ab, an jeder Ecke trillert und trompetet es. Reagiert man auf "Hundreds of Ways" mit einer Vision von Oberst im Hawaii-Hemd als Musiker am Hotelpool, dann kann einfach etwas nicht stimmen.

Sobald ab "Artifact #1" ein bisschen das Tempo rausgenommen und vor allem etwas Instrumenten-Ballast weggenommen wird, haben die Songs wieder Luft zum Atmen. Die argwöhnische Stimmung lässt sich allerdings nicht so leicht vertreiben: Das in sich gekehrte "Lonely At The Top" kann man noch kaum genießen, der Country-Pop von "Enola Gay" mutet endlich wieder vernünftig an, während man im Verlauf von "Double Life" in Panik verfällt, als erneut dieses Schlager-Schlagzeug auftaucht – man möchte es am liebsten wie eine lästige Fliege erschlagen.

Dabei kann Oberst noch immer die berührendsten Songs schreiben, die nichts anderes brauchen als seine Stimme und eine Gitarre: "You Are Your Mother’s Child" ist die nahe gehende Rede eines Vaters an seinen Sohn ("life’s a roller coaster / keep your arms inside"), in der er alle wichtigen Momente des Heranwachsens Revue passieren lässt und – ganz in Reue – sicher ist, dass der Sohn einmal alles besser machen wird. Das textgewaltige "Desert Island Questionnaire" wiederum lässt etwas von der altbekannten Dringlichkeit aufkommen – gleichzeitig mit der aufblitzenden Verletzlichkeit und Leidenschaft stellt sich auch wieder Gänsehaut ein; und wenigstens einen Song lang sind auch all die misstrauischen Gefühle vergessen.

Fazit

Mit äußerst zwiespältigen Gefühlen lässt einen "Upside Down Mountain" vom ehemaligen Folk-Wunderkind Conor Oberst zurück: Einerseits schreibt er nach wie vor verlässlich gute Folkpop-Songs, von denen manche eben mehr hängenbleiben als andere. Was er aber möglicherweise bei einigen Songs als "musikalisches Experimentieren" bezeichnet, ist too much und schlichtweg schiefgegangen.

Anspieltipps

Lonely At The Top

Enola Gay

You Are A Mother’s Child

Desert Island Questionnaire

Tracks

1.Time Forgot
2.Zigzagging Toward The Light
3.Hundreds Of Ways
4.Artifact #1
5.Lonely At The Top
6.Enola Gay
7.Double Life
8.Kick
9.Night At Lake Unknown
10.Your Are Your Mother’s Child
11.Governor’s Ball
12.Desert Island Questionnaire
13.Common Knowledge

Stephanie Stummer - myFanbase
11.09.2014

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