Bewertung
Nirvana

Live At Reading

Am 30. August 1992 waren Nirvana Headliner des legendären Reading-Festivals, während sie ein Jahr zuvor noch im späten Nachmittagsprogramm spielten. Laut einer Umfrage des NME war dieses Konzert "Nirvana's #1 Greatest Moment" – keine Frage, schon die Eröffnung des Konzerts ist legendär: Cobain wird im Rollstuhl und mit Perücke auf die Bühne gefahren und singt "The Rose" von Amanda McBroom, bevor sich mit aller Macht "Breed" über den Köpfen der Zuschauer entlädt.

Foto:

Selbst über die Videoaufnahmen ist die erwartungsvolle Anspannung im Publikum und schließlich ihre Entladung bei Beginn des Auftritts deutlich zu spüren – wenn man schon vor dem Fernseher eine Gänsehaut bekommt, welch ein Nervenkitzel und welch ein Erlebnis muss es dann erst für die Zuschauer vor Ort gewesen sein! Neben der Rollstuhl-Aktion und Cobains ironischer Krankenhaustracht bietet das Konzert noch ein paar weitere legendäre Momente: Eine Attraktion für sich ist wohl der Tänzer Tony, der gleich zu Beginn die Bühne entert und zu den meisten Songs wie ein Gummiball auf und ab hüpft und seine Mähne schwenkt – ein skurriler Anblick, der genau zu Konzert und Band passt.

Auch als der sonst so gut wie gar nicht gesprächige Cobain von seiner 12 Tage alten Tochter und Courtney erzählt, die scheinbar von jedem gehasst wird, und das Publikum daraufhin bittet "Courtney, we love you" zu rufen, bleibt einem das als etwas Besonderes in Erinnerung. Generell ertappt man sich immer wieder dabei, Cobains Mimik und Gestik zu erforschen – auch hier zeigt sich wieder, dass er eine schwer einzuschätzende Persönlichkeit war: Das ganze Konzert über bewegt er sich kaum, starrt meist in die Ferne, gibt sich wie immer sehr zurückhaltend – das könnte man als äußerste Konzentration und Verschlossenheit deuten, das könnte aber auch einfach heißen, dass er keine rechte Lust auf den Auftritt hatte. Das Coverfoto der DVD stellt eine der wenigen Ausnahmen dar – was Cobain aber an Enthusiasmus zu wünschen lässt, machen Novoselic und Grohl locker wieder wett. Beide gehen am Bass und an den Drums so richtig ab und zeigen, dass der Name "Nirvana" eben nicht nur für Kurt Cobain stand.

Egal in welcher Stimmung sich Cobain nun wirklich befindet, die Musik, die er den Festivalbesuchern mit seiner Band liefert, ist auf jeden Fall einsame Spitze – schnörkellos und äußerst druckvoll, manchmal punkig-aggressiv spielen Nirvana ein 25 Songs umfassendes Set, das zu damaligen Zeiten kaum Wünsche offen lässt: "Nevermind" ist bis auf einen einzigen Song ("Something In The Way") komplett vertreten, neben ein paar Stücken vom Debütalbum geben sie auch schon drei Songs vom erst ein Jahr später erscheinenden "In Utero" zum Besten. Stücke wie "Smoke On The Water" oder "More Than A Feeling" werden ironisch angespielt (und schaffen es, dem ernsten Cobain tatsächlich ein Lächeln zu entlocken), um dann einem Hit wie "Smells Like Teen Spirit" Platz zu machen.

Zwei Cover-Versionen, die ernst gemeint sind und ausgespielt werden, finden sich mit "D-7" von den Wipers und "The Money Will Roll Right In" von Fang am Ende des Konzerts – es folgt nur noch "Territorial Pissings", bei dem der während der letzten paar Songs deutlich lebendiger gewordene Cobain eine Feedbackorgie startet und nebenbei quasi das ganze Equipment in seine Einzelteile zerlegt wird. Inmitten dieses Irrsinns spielt Cobain mit wehendem Kittel "The Star Spangled Banner" und schafft damit einen ähnlich gänsehautwürdigen Moment wie damals Jimi Hendrix. Als letzte Geste verschenkt er noch seine Gitarre an das Publikum, bevor Nirvana endgültig die Bühne verlassen – der Jubel der Zuschauer tönt aber noch eine ganze Weile weiter über das Gelände. Als einziges Extra gibt es nach dem Abspann noch eine nette Szene mit Cobain und einem jungen Fan und dessen Vater zu sehen – "Don't smoke", gibt er ihm mit auf den Weg. Dass es sonst kein Bonusmaterial gibt, ist schade, in Anbetracht der guten Sound- und Bildqualität und der umfassenden Setlist aber doch verzeihbar.

Fazit

Die erste offizielle DVD zum Nirvana-Auftritt am Reading-Festival zeigt eine Band, die sich gerade auf dem Höhepunkt ihrer Karriere befindet und auf ironische, etwas verquere Weise damit umgeht. Neben der tollen Setlist, die einen Höhepunkt nach dem anderen liefert, ist es besonders die kompromisslose, harte Spielweise der Band, die einen nach wie vor fasziniert und beeindruckt, auch wenn man denkt, die Songs von Nirvana schon in- und auswendig zu kennen. Die ausgezeichnete Aufbereitung des Materials trägt das Übrige dazu bei, um diese DVD zu einem echten Genuss zu machen – nur die fehlenden Extras verhindern hier die volle Punktezahl.

Technische Details

Darsteller: Nirvana
Spielzeit: 97 min
Sprache: Englisch
Ton: DTS 5.1, Dolby 5.1, Dolby Stereo

Inhalt/Tracks

1.Breed
2.Drain You
3.Aneurysm
4.School
5.Sliver
6.In Bloom
7.Come As You Are
8.Lithium
9.About A Girl
10.Tourette's
11.Polly
12.Lounge Act
13.Smells Like Teen Spirit
14.On A Plain
15.Negative Creep
16.Been A Son
17.All Apologies
18.Blew
19.Dumb
20.Stay Away
21.Spank Thru
22.Love Buzz
23.The Money Will Roll Right In
24.D-7
25.Territorial Pissings

Stephanie Stummer - myFanbase
18.11.2009

Diskussion zu dieser DVD