Eurovision Song Contest 2011
Es ist der alljährliche Abend der schrillen Acts, der Stampfmusik und der schrägen Kostüme. Die Rede ist vom Eurovision Song Contest. In diesem Jahr fand er dank Lena Meyer-Landruths Osloer Sieg im letzten Jahr zum ersten Mal seit 28 Jahren in Deutschland statt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Lenas Entdecker Stefan Raab, Entertainerin Anke Engelke und Tagesschausprecherin Judith Rakers.
© NDR/Turquoise
Sein erstes Highlight lieferte der Eurovision Song Contest in Düsseldorf, der in diesem Jahr vom NDR als teilnehmende nationale Rundfunkanstalt ausgetragen wurden, gleich in seinen ersten Minuten: Stefan Raab bot eine rockige Satireversion von Lenas Gewinnersong "Satellite" dar, untermalt von den Heavytones und mit freundlicher Unterstützung von Anke Engelke, Judith Rakers und am Ende sogar Lena Meyer-Landruth. Wow, ein gelungener, humorvoller Einstand – hätte man Raab gar nicht zugetraut.
Auch sonst machte das zur Studiohalle umfunktionierte Düsseldorfer Stadion einen guten Eindruck: Immense Lichteffekte auf der LED-Wand, Pyrotechnik, schön und modern designte Bühne und Sitzgruppen. Ein wahres Fernsehspektakel – kein Wunder, denn mehr als 30.000 wohnten dem Event live in der Halle bei, hinzu kamen 120 Millionen Fernsehzuschauer rund um den Globus. Kaum eine Unterhaltungsveranstaltung verfügt über so eine treue Fanbase. Die Deutschen erwiesen sich als gute Gastgeber. Sicher, die Einspielfilmchen hätten mehr landestypische Eigenschaften der betreffenden Länder enthalten können und über Jan Delays Kasperletheater hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens. Aber insgesamt ging die Austragung als solche unfallfrei und angenehm über die Bühne, wenn man mal außer Acht lässt, dass einige deutsche Fans in der Halle saßen, die der Ansicht waren, mit Buhrufen aufwarten zu müssen, sobald Lena bei der Punkteverteilung leer ausging. Peinlich und unsportlich, setzen, Sechs.
Die Enttäuschungen des Abends
Weniger erfrischend war die Musik des Abends, das gilt insbesondere für Acts, die im Voraus entweder gehypt wurden oder auf die ein besonderer Fokus gerichtet war. Blue? Reicht die Fremdscham-Tüten bitter herüber. Was haben sich die Engländer dabei nur gedacht? Im Zusammenhang mit Boygroups von Qualität zu sprechen ist immer eine recht waghalsige Angelegenheit, denn das Genre grenzt schlussendlich einfach viel zu nah an schmierigem Schmusepop. Aber eigentlich haben die Jungs den Ruf, recht talentiert zu sein. Eigentlich haben Lieder wie "Breathe Easy" in der Vergangenheit auch unter Kritikern ein positives Echo hervorgerufen. Eigentlich. Was am gestrigen Abend hingegen dargeboten wurde, war ein lahmer Versuch, sich die Gunst des ESC-Publikums zu erschleimen. Sind die Strophen von "I Can" mit viel gutem Willen und zwei Flaschen Wodka möglicherweise noch passabel, so hört die Toleranz spätestens beim Refrain auf – billigster Euro-Dance. Dazu noch der schräge Gesang, die Hintergrundsleuchten mit lebensgroßen Bildern der Bandmember – nein, das war zu viel des Guten und mit ihrem Mittelfeldplatz ist die Band noch viel zu gut weggekommen.
Auch enttäuscht hat Amaury Vassili mit seinem korsischen Song "Sognu". Im Vorfeld wurden Sänger und Song als Favoriten bejubelt, viele schwärmten, der junge Mann habe die Oper ins Düsseldorfer Stadion gebracht. In Wirklichkeit bekam man als Zuschauer eine lauwarme, kitschige Ballade mit Opernanklängen serviert, die als pathetische Nationalhymne durchgegangen wäre.
© NDR/Rolf Klatt
Eric Saade, Schwedens große Hoffnung, trat mit "Popular" an und man muss am Geschmack und Hörvermögen der Zuschauer zweifeln, denn dieser trashige, altmodische anmutende Stampf-Euro-Dance schaffte es auf Platz 3. Als er mitten in seiner Performance kurzzeitig einen Glaskasten übergestülpt bekam, hoffte man, dass er geräuschdicht sei, aber weit gefehlt – Saades schiefe Stimme klang hindurch. No, sweetie, you won't be popular.
Platz 2 schnappte ihm Italien weg und eigentlich sollte man den Auftritt, ginge es nach dem Papier, lieben. Sanremo-Festival-Gewinner, Jazz, Talent – klingt alles nicht schlecht. Leider wirkte das Lied breiig, wenig ohrwurmlastig und undefiniert, zudem kämpften Stimme und Instrumente gegeneinander an.
Die musikalischen Eindrücke
Der ESC 2011 bot mal wieder eine große Bandbreite an musikalischen Stilen an: Gefälliger, vielleicht etwas seichter Singer/Songwriter-Pop (Finnland), Folklore-Pop (Bosnien-Herzegovina), Pseudo-Alternativrock (Dänemark, Moldau), Hüpf-/Stampfmusik (Irland, Estland, Russland), Disco-Pop (Ungarn) und Musical (Lithauen).
Leid kann einem die junge Schweizerin tun, die nur den letzten Platz belegte. Trotz an manchen Stellen zu penetranten Vibratos war sie rein stimmlich zweifelsohne eine der besseren Sängerinnen des Wettbewerbs und auch wenn ihrem Song eine markante Hookline fehlte, so war er allemal recht ansprechend. Zu viele "nanannanas" vielleicht, aber wie rechtfertigt das diese miserable Platzierung, wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele Trashbeiträge es in diesem Jahr gab?
Deutschland fuhr einen passablen zehnten Platz ein und Lena darf mit sich zufrieden sein. Ihr Gesang war nicht mehr ganz so gut wie in der zweiten Probe, aber mit seinem modernen, angenehm nüchternen Stil zeugte ihr Auftritt von Klasse und ragte positiv hervor. Wahrscheinlich war der Song zu düster für diese ESC-Spaßatmosphäre, um noch besser zu punkten.
© NDR/Rolf Klatt
Auch Österreich schaffte es nicht in höhere Sphären – lediglich Platz 18 war drin, auch hier wiederum trotz beeindruckender Performance von Nadine Beiler. Das Lied selbst ist sicherlich nicht die Neuerfindung des Rads gewesen und wirkte wie ein auf Vordermann gebrachtes "Without You", aber wenn man sich ansieht, wie andere Länder abgeschnitten haben, dann bleibt einem auch hier die Spucke weg.
Obwohl man viele Platzierungen in der Top 10 anzweifeln muss, ist der Sieg für Aserbaidschan und das Duo Ell und Nikki verdient. "Running Scared" ist ein schmalzig angehauchtes Duett und gerade im Refrain zeigten sich dann doch die Schwächen der beiden Sänger. Gleichzeitig ist das Lied aber gerade dank des engelhaften Refrains sehr eingängig und durchaus nett. Man hat schon unwürdigere Sieger gesehen.
Baku 2012
© NDR/Rolf Klatt
Fest steht: 2012 wird der Eurovision Song Contest in Aserbaidschans Hauptstadt Baku stattfinden. Wäre der Wettbewerb ein Wunschkonzert, dann würde ich mir an dieser Stelle weniger Euro-Dance, weniger Stampfmusik und eine größere Wertschätzung für talentierte Sängerinnen wie die Schweizerin Anna Rossinelli und Lieder wie "Taken By A Stranger" wünschen.
Der ESC befolgt aber keine Wünsche und hat seine eigenen Eigenheiten und Regeln. In gewisser Weise ist es genau das, was ihn nach all diesen Dekaden immer noch am Leben hält und interessant macht. Lassen wir uns überraschen, was Baku 2012 zu bieten hat. Herzlichen Glückwunsch, Aserbaidschan.
Eva T. - myFanbase
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