Reeperbahn Festival 2011
Tag 3 - 24. September 2011
Mehr leicht experimentell angehauchten Si/So-Folk gibt es am dritten und letzten Festivaltag schon direkt am frühen Nachmittag im Canada House, wo der wunderbare Rae Spoon (Fotos) aus Alberta nur mit E-Gitarre und Laptop bewaffnet in einem viel zu kurzen Showcase solch wunderbare Songs wie "Come On Forest Fire Burn the Disco Down" oder das als Schwulenclub-Hymne konzipierte "dangerdangerdanger" zum Besten gibt und einen dabei durch seine sympathisch nerdigen Ansagen immer wieder zum Schmunzeln bringt. Auch der im Anschluss auftretende Greg MacPherson aus Winnipeg, MB weiß schwer zu beeindrucken. Denn der Singer/Songwriter wirbelt mit derart eindringlicher Hingabe und entwaffnender Stimmgewalt über die Bühne, dass man immer wieder darüber staunen muss, dass da keine ausgewachsene Rockband vor einem steht, sondern lediglich ein einsamer Kerl mit seiner E-Gitarre.
© myFanbase/Paulina Banaszek
Nach dem wundervollen Showcase von The Wilderness of Manitoba am Vortag kann man sich ihre Unplugged-Session auf dem Spielbudenplatz (Foto) wenig später natürlich nicht entgehen lassen. So lauscht eine kleine, aber offensichtlich geschmacksichere Gruppe von Menschen in gemütlicher Atmosphäre ihren zauberhaften Songs und kommt dabei aus dem seligen Grinsen gar nicht mehr heraus. Ganz breit grinsen muss man kurz darauf aber auch angesichts des mittlerweile heil in Hamburg angekommenen Ben Caplan aus Nova Scotia. Denn der Si/So-Barde mit Vollbart greift vor seinem großen Auftritt auf der kleinen Unplugged-Bühne erst einmal zum selbst mitgebrachten Megaphon, um wie ein heißblütiger Reverend inbrünstig sein spektakuläres Set anzukündigen. Tatsächlich wächst die Traube Menschen, die sich um ihn schart und sogar zum kollektiven Mitsingen animieren lässt, merklich mit jedem Song. Und auch wenn diese Tatsache letztlich vielmehr auf die forsche, herrlich kauzige Art und die verschroben-charmanten Anekdoten des Kanadiers als auf seine durchaus gefällige Folk-Musik zurückzuführen ist, werden dem unheimlich sympathischen "weird dude with a beard" nach seiner halbstündigen Session die CDs förmlich aus der Hand gerissen. Der österreichische Singer/Songwriter Effi weiß sein Publikum im Anschluss nicht ganz so für sich einzunehmen, weckt aber trotz technischer Probleme durchaus Neugier auf sein Mitte Oktober erscheinendes Debüt-Album "Astronaut".
Der eigentliche letzte Festivalabend beginnt schließlich in der Hasenschaukel mit dem Geschwisterpärchen This Frontier Needs Heroes aus Brooklyn, das mit seinem Neo-Folk sogleich Erinnerungen an den Auftritt des Ehepaars Ruth und Brookln Dekker von Rue Royale drei Jahre zuvor wachruft. So wünscht man sich nach so wunderschönen Songs wie "Don't Treat Me Like a Dog", welcher kurioserweise von der Großmutter der beiden handelt, noch etwas länger bleiben zu können, doch im Grünspan steht leider schon das Konzert von Dear Reader an. Charmant wie eh und je, präsentiert Cherilyn MacNeil mit ihrer vierköpfigen Band Songs von ihrem neuen Album "Idealistic Animals" und streut hier und da auch den ein oder anderen Klassiker von ihrem hinreißenden Debüt ein. Auch hier reicht es aber zeitlich leider nicht für das gesamte Set, was das Verpassen von ein paar Lieblingssongs zur Folge hat, denn wieder einmal spielt ein paar Straßen weiter ein anderer großartiger Künstler, den ich unbedingt endlich mal live erleben möchte.
Der ursprünglich aus Israel stammende aber stark von der New Yorker Clubszene beeinflusste Yoav nutzt seine Akustik-Gitarre wie wohl kaum ein anderer Singer/Songwriter. Denn sie dient ihm vielmehr als Percussion-Instrument, auf dem er durch rhythmisches Klopfen und Trommeln Scratches, Beats und Basslines erzeugt, die daraufhin durch sein Soundeffekt-"Monster" gejagt, geloopt und schließlich nach und nach zu hypnotischen Dance-Hymnen aufeinander getürmt werden. Mit seinem unvergleichlichen Sound versetzt er das proppenvolle Café Keese in einen regelrechten Trance-Zustand. So wird wie im Rausch zu "Club Thing" getanzt und geschwitzt, während sein grandioses Pixies-Cover "Where Is My Mind?" zum Augenschließen und Genießen zwingt. Bei den Niederländern von Moss ist es ebenfalls eine Coverversion, die kurz darauf im Imperial Theater einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Denn zum Abschluss ihres sehr Gitarrenpop-lastigen Sets servieren sie ihrem Publikum eine phänomenale Darbietung von The Knifes "Silent Shout", bei der gegen Ende alle fünf Mitglieder der Band reihum auf kleine Trommeln einschlagen und es einem dabei schlicht unmöglich machen, ruhig auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Das Bedauern, nicht bereits früher da gewesen zu sein, steht vielen Konzert-Nachzüglern nach diesem waschechten Groovemonster von Song deutlich ins Gesicht geschrieben.
Ein kurzer Abstecher zurück ins Cafe Keese zeigt einmal mehr, dass die Schwedin Andrea Kellerman von Firefox AK nicht ohne Grund immer noch im Schatten ihres Ehemanns Rasmus steht. Denn angehörs solch verhältnismäßig seichter Dancepop-Songs wie "Boom Boom Boom" kommt man einfach nicht umhin, sich nach den guten alten Tiger-Lou-Zeiten zurückzusehnen. So mache ich mich auch lieber frühzeitig auf den Weg in die Prinzenbar, voller Vorfreude auf My Heart Belongs to Cecilia Winter. Der Kampf um einen Stehplatz mit guter Sicht wird letztlich leider von dem viel zu lauten Sound durchkreuzt, so dass ich mich mangels Ohrstöpsel bereits während dem ersten Song der Schweizer direkt wieder in die hinterste Ecke der Bar verziehe. Doch selbst von dort klingt der melancholische Indie-Rock des exzentrischen Trios immer noch wunderbar anheimelnd. Kein Wunder, dass meine werten Kolleginnen im vergangenen Jahresrückblick so von ihrem Debütalbum schwärmten.
So manch ein Zuschauer wird sicherlich auch noch lange vom Auftritt des Briten Marcus Foster im Imperial Theater schwärmen. Denn trotz nigelnagelneuer Gitarre, die zwischendurch immer wieder neu gestimmt werden muss sowie unfassbar nervigen, offenbar schon recht alkoholisierten "Twilight"-Fangirls (Ann. d. Red.) in der zweiten Reihe, die es einfach nicht lassen können, immer wieder mit ihren Biergläsern anzustoßen, permanent zu quatschen und während dem Gig auch noch zu telefonieren(!), spielt sich der zwar hoffnungslos verpeilt, aber höchst sympathisch wirkende Singer/Songwriter-Kumpel von Robert Pattinson mit seiner kratzigen Stimme und so wunderbaren Songs wie "Shadows of the City" dennoch so sehr in die Herzen der Zuschauer, dass er ohne Zugabe nicht gehen gelassen wird. Ein fast perfekter Abschluss eines fast perfekten Festivals.
Paulina Banaszek - myFanbase
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