Das Konzertjahr 2009

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Herzblut, Schweiß und Tränen sind das Nonplusultra eines unvergesslichen Live-Gigs. Wir schwelgen in Erinnerungen an die denkwürdigsten Konzertmomente des Jahres und küren jene Acts, die die deutschen Konzerthallen 2009 am meisten zum Beben brachten. Welche kleinen, aber feinen Clubfestivals den riesigen, überteuerten Musikspektakeln den Rang als Bestes Festival ablaufen konnten und wer uns 2009 live bitter enttäuschte, erfahrt ihr ebenfalls in unserem Konzertrückblick.

Bestes Konzert

Stephanie Stummer meint:

  • #1 Portugal. The Man (Poolbar, Feldkirch, 18.8.)
    Die Location: ein leeres Schwimmbecken in Feldkirch; die Band: eine einzige, zuckende Einheit; die Musik: ein schwindlig machender Mix aus Psychedelic-Rock und Soul; das Ergebnis: das intensivste Live-Erlebnis des Jahres!
  • #2 Calexico (Poolbar, Feldkirch, 18.8.)
    Ebenfalls in Feldkirch zeigte sich die Truppe um Joey Burns & John Convertino wie immer in bester Spiellaune und ließ einen "Desert-Rock"-Hit nach dem anderen von Stapel – definitiv eine der besten Live-Kapellen, die es zur Zeit gibt!
  • #3 Bowerbirds (Kino, Ebensee, 5.6.)
    In einem kleinen Kino in Ebensee präsentierten sich die Bowerbirds als eine Band zum "Anfassen", die sich auch nicht für während des Konzerts auftretende Blackouts schämt, sondern mit dem Publikum gemeinsam drüber lacht.


Paulina Banaszek meint:

Foto: Copyright: myFanbase/Paulina Banaszek
© myFanbase/Paulina Banaszek

  • #1 Ed Harcourt (Zimmertheater, Tübingen, 24.4.)
    Ein Mann ohne Band bestreitet ganz allein mit Klavier, E-Gitarre, Loop-Pedal und Megaphon bewaffnet ein unheimlich persönliches, dynamisches und vor allem unterhaltsames Konzert, das den 100 Glücklichen im alten Gewölbekeller des Zimmertheaters in Tübingen wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird. Denn der chronisch unterbewertete englische Singer/Songwriter entpuppt sich nicht nur als immens talentiert, sondern auch als irrsinnig witzig, charmant, erfinderisch, schlagfertig und sympathisch… Mit anderen Worten: Sensationell!
  • #2 The Acorn/Bon Iver (zakk, Düsseldorf, 19.5.)
    Wenn beim Konzert der aktuellen Lieblingsband allein die Vorgruppe derart zu begeistern weiß, dass sich die 300km Anfahrt schon gelohnt haben, kann es sich bloß um eines der besten Konzerte des Jahres handeln. Die kanadische Folk-Band The Acorn übertraf doch tatsächlich meine ohnehin schon hoch gesteckten Erwartungen durch ihren hinreißend-charmanten Frontman und überraschend dichten, rockigen Live-Sound. Und als dann schließlich auch der nicht minder sympathische Justin Vernon mit seinen Jungs loslegt, braucht es lediglich ein ausgedehntes Intro auf dem E-Piano und vier Worte Falsettgesang, um mir Glückstränen in die Augen zu treiben.
  • #3 Sufjan Stevens (Cabaret Juste Pour Rire, Montréal, 2.10.)
    Gibt es etwas Schöneres als einen der (zurecht!) meistverehrtesten Singer/Songwriter unserer Zeit in einem kleinen, intimen Club live erleben zu dürfen? Wenig. Insbesondere, wenn sich besagte Indie-Ikone dann auch noch als derart bescheidene und bodenständige Persönlichkeit hervortut. Der junge, talentierte und zu allem Überfluss auch noch unverschämt gut aussehende Sufjan Stevens spielte bezaubernde neue Songs und "alte" Klassiker, während das Publikum ehrfürchtig lauschte und sich fragte, wie eine einzige Stimme derart hinreißende Harmonien zustande bringen kann.


Foto: Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum" - Copyright:  Recordings
Soap & Skin - "Lovetune for Vacuum"
© [PIAS] Recordings

Willi S. meint:

  • #1 Soap&Skin (mit Ensemble) (WUK, Wien, 9.12.)
    Da ist man eigentlich davon überzeugt, eine gewisse Künstlerin so gut zu kennen, dass sie einen nicht mehr wirklich zu überraschen vermag, und dann das: Die zuvor stets überzeugte "Einzelkämpferin" Anja Plaschg präsentierte im Anschluss an ihre Solo-Tour im Rahmen einiger zusätzlicher Konzerttermine ihr Debütalbum in einem völlig neuen Gewand. Zu den gewohnten Klavierklängen mit elektronischer Untermalung gesellte sich die imposante Soundkulisse eines sechsköpfigen Bläser- und Streicherensembles. Welch eine Wucht!
  • #2 Grizzly Bear & St. Vincent (WUK, Wien, 16.11.)
    Wenn einem zwei international derartig angesagte Künstler die Ehre erweisen, sich anlässlich eines gemeinsamen Konzerts die Bühne zu teilen, ist ein unvergesslicher Abend vorprogrammiert. Die ebenso charmante wie talentierte Annie Clark und die vier höchst professionellen Jungs von Grizzly Bear haben die hohen Erwartungen mühelos erfüllt und sich ihren Platz in der Liste der besten Konzerte 2009 redlich verdient.
  • #3 Scott Matthew (WUK, Wien, 6.5.)
    Für mich wohl die Überraschung des vergangenen Konzertjahres: Bei der ohne allzu große Erwartungen besuchten Präsentation von Scott Matthews zweitem Album jagte aufgrund einer irrsinnig starken Gesangsleistung eine Gänsehaut die nächste.


Foto: Copyright: myFanbase/Christian Finck
© myFanbase/Christian Finck

Christian Finck meint:

  • #1 U2 (Olympiastadium, Berlin, 18.7.)
    Die größte Liveshow des Jahres kommt ganz klar von U2. Eine riesige 360°-Bühne mit Krakenfüßen und Raketenspitze. Die Band spielt eine Setlist mit einigen Überraschungen, vielen neuen Liedern von "No Line On The Horizon" und mit wenigen Ausnahmen alle Klassiker. Bereits nach wenigen Songs entwickelt sich eine Atmosphäre, die ich so noch nie erlebt habe. Die Lichtshow im Stadion ist beeindruckend, ebenso der kräftige Sound der vier Musiker. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass man während des Konzerts und noch lange danach in knapp 90.000 offene, staunende Münder schauen kann.
  • #2 Paramore (Columbiahalle, Berlin, 4.12.)
    Draußen war es wirklich schon bitterkalt. Doch die Temperatur sollte sich in der Halle schnell ändern. In knapp 70 Minuten legten Paramore eine furiose Show hin. Der Spaß, den die Band hatte, übertrug sich schnell aufs Publikum und so entstand ein gewaltiger, tanzender und springender Mob aus mehr als 3000 Leuten. Mehrere Sprechchöre aus dem Publikum brachten die sonst so toughe Sängerin Hayley Williams aus dem Konzept. Beachtlich, welch starke Stimme die zierliche Frontfrau auf der Bühne hat, von der Präsenz ganz zu schweigen. Dass sich auch ihre Mitmusiker in den letzten Jahren entwickelt haben, merkt man ebenfalls nach wenigen Takten. Diese Band wird noch größer, als sie es ohnehin schon ist.
  • #3 Mötley Crüe (Columbiahalle, Berlin, 16.6.)
    Gegen diese alten Rocker können Kiss, Bon Jovi und Co. einpacken. Bei einem ihrer wirklich seltenen Deutschlandauftritte ließen die Weltstars der 80er Jahre nichts anbrennen. Technisch war zwar nicht immer alles perfekt, dennoch erzeugten Nikki Sixx, Tommy Lee, Vince Neil und Mick Mars beim tatsächlich gemischten Publikum eine Wirkung, die sonst nur Legogeschenke an Siebenjährige haben.


Aljana Pellny meint:

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  • #1 Dan Mangan (Spatz & Wal, Unna, 5.12.)
    Zunächst einmal ist es eine wahre Schande, dass nur so wenige Menschen nachvollziehen können, wovon ich im Folgenden spreche. Denn es dürften nicht wesentlich mehr als zwanzig Leute gewesen sein, denen an diesem Samstagabend ein ebenso vorzeitiges wie vorzügliches Weihnachtsgeschenk gemacht werden sollte. Dan Mangan ist nicht nur grundsympathisch. Er hat Herz! Herz und Hirn und Stimme und viel Gefühl. Dan Mangan hat die große Gabe, allein durch seine Anwesenheit Geborgenheit zu schenken. Seine aufrichtigen Songs, authentisch bis herzzerreißend vorgetragen, lassen ihn nicht nur greifbar werden, sondern beinahe gänzlich transparent. Er steht nur wenige Meter entfernt, gibt alles von sich preis und fordern tut er nichts.
  • #2 William Fitzsimmons (Jugendkirche effata, Münster, 3.12.)
    Mein zweites Konzert innerhalb eines Jahres, verlegt vom Gleis in eine Kirche. So unsagbar überrascht über die Menschenmassen wie ich war, so verdient hat er jeden einzelnen Besucher. War mit meinem musikalischen Kugelwesen dort. In der endlos langen Schlange sagte ich, von all den traurigen bärtigen Männern, die wir verehren, sei Herr Fitzsimmons vielleicht nicht zwingend der traurigste, aber sicherlich der mit dem längsten Bart! Und das mit der Traurigkeit, na ja, wäre er nicht auch mit einem nahezu göttlichen Humor gesegnet – man müsste sich fast Sorgen machen. Ihn umgibt eine gewisse Grundmelancholie und eine Verletzbarkeit, aus der er kein Geheimnis macht, sondern zu seiner größten Stärke. Die Akustik tat ihr Übriges; die ohnehin andächtige Atmosphäre ließ Herrn Fitzsimmons' Jünger in Ehrfurcht und Entzückung erstarren.
  • #3 Coldplay (LTU-Arena, Düsseldorf, 27.8.)
    Wer Coldplay live gesehen hat, kommt normalerweise nicht umhin, sie in die engere Auswahl zu nehmen, wenn man einen Jahresrückblick dieser Art erstellt. Hatte die aktuelle "Viva La Vida Tour"-Show bereits letztes Jahr in Köln gesehen, allzu viel geändert hatte sich nicht. Das Erstaunliche ist ja, dass die vier Herren in den vergangenen Monaten nicht viel mehr getan haben, als in allen Teilen der Erde aufzutreten. Man merkt es ihnen nicht an. Persönliche Höhepunkte: "Fix You", "The Scientist", "Yellow" und selbstverständlich "Lovers In Japan" - der Song, bei dem die Papierschmetterlinge - mehr oder weniger - vom freien Himmel fallen. Unter jenem saßen wir nämlich im Stadion. Große Show und großes Kino.


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