Ryan Adams & The Cardinals München, Tonhalle
Ryan Adams' Ruf in Sachen Live-Auftritten ist ja nicht unbedingt der beste: Da wären mal seine Wutausbrüche, wenn Technik und Sound nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen und er infolge dessen alles zertrümmert, was nicht niet- und nagelfest ist. Da wäre seine (inzwischen angeblich eingeschränkte) Vorliebe für Alkohol, die ihn schon mal auf der Bühne stürzen ließ und einen Bruch zur Folge hatte. Da wäre die Tatsache, dass er gerne mitten im Konzert die Bühne verlässt, um mal kurz auf die Toilette zu gehen. Und da wäre seine Humorlosigkeit bezüglich der Namensähnlichkeit mit Bryan Adams Zuschauer, die sich scherzhaft "Summer of 69" wünschten, ließ er schon mal rausschmeißen.
All diese Dinge zeugen nicht unbedingt von guten Manieren und Verlässlichkeit und lassen die Frage aufkommen, ob es das überhaupt wert ist, das Geld für die Karten zu bezahlen und drei Stunden lang im Auto zu sitzen. Ich für meinen Teil beschloss, das Risiko auf mich zu nehmen und notfalls einfach über das Ganze zu lachen.
Bei der Ankunft in der Tonhalle wartete zumindest schon eine Überraschung auf uns: Während sich der Großteil des Publikums auf den Sitzplätzen räkeln konnte (wobei Sitzplätze dem Prinzip von Adams' Musik wirklich gerecht werden), waren wir dazu verbannt, von einer Art Balkon aus das Ganze im Stehen zu beobachten bei unserem Kartenanbieter wurde die Option eines Sitzplatzes nicht einmal angeboten. Einen guten Gesamtüberblick bot dieser Platz aber allemal.
Als Ryan und die Cardinals schließlich gegen 20:45 Uhr die Bühne betraten und das Publikum die Band begeistert in Empfang nahm, war von Anfang an eines klar: Ryan Adams ist bestimmt kein Mann großer Worte er schaffte es, mehrere Nummern lang kein einziges Wort an das Publikum richten, das dennoch ein enthusiastisches "We love you" von sich gab. Stattdessen konzentrierte er sich voll und ganz und einzig allein auf seine Musik, erledigte diese Aufgabe dafür umso besser: Die Band variierte die ersten paar Stücke auf beeindruckende Weise und ließ einen diese komplett neu entdecken. Bereits der Opener "Goodnight Rose" ließ das Fan-Herz höher schlagen, als sich das Bühnenbild nach ein paar Takten in einen funkelnden "Sternenhimmel" verwandelte.
Mit jedem Lied wurde deutlicher, was für ein Perfektionist in Ryan Adams steckt und gerade diese Eigenschaft ist es wahrscheinlich, die ihn so oft in ein jähzorniges, um sich schlagendes Nervenbündel verwandelt. Mir dieser Tatsache bewusst, stockte mir anfangs bei dem kleinsten Anzeichen eines Problems auf der Bühne sofort der Atem, immer das Schlimmste erwartend wenn einer seiner Kollegen einen Patzer machte und er sofort mit einer hektischen Handbewegung reagierte, wenn er innerhalb einer Strophe dutzende Male an seinen Ohrstöpseln herumfummelte, wenn er sich beim Stimmen seiner Gitarre durch die Zwischenrufe des Publikums gestört fühlte und dies auch ein wenig genervt kundtat, dann war das jedes Mal ein Grund zur Besorgnis.
Im Laufe des Abends verschwand dieses Gefühl aber völlig die Zauber der Musik begann überhand zu nehmen. Das Zusammenspiel der Cardinals überzeugte vollkommen, besonders der erste Teil stellte das Highlight des Konzerts dar egal wie egozentrisch oder unausgeglichen Ryan Adams als Person und Charakter ist, live sind seine Songs eindringlicher und berührender denn je und scheinen tatsächlich so etwas wie eine Seele zu haben.
Nachdem sich die Setlist anfangs mit Nummern wie "Cold Roses" und etlichen ausufernden Instrumentalteilen ein wenig schwungvoller und rockiger gestaltet hatte und qualitativ insgesamt eindrucksvoller wirkte, war es doch das wunderschön traurige "When The Stars Go Blue", das nachhaltig für Gänsehaut sorgte und jeden mitten ins Herz traf.
Der zweite Teil des Abends wurde mit akustischen Instrumenten auf Hockern bestritten vielleicht war es die bequemere Position, die Adams' Zunge ein wenig löste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nur zwei wirkliche Aussagen von sich gegeben, von denen die eine unverständlich, weil zu leise, war, und die andere beschränkte sich lediglich auf die Info, dass nun eine Pause wegen der Umstrukturierung für den Akustik-Teil folge.
Umso schöner war es nun, als er tatsächlich über den Schnee zu witzeln begann und sich über Bands alá Dream Theatre, Dragonforce oder die Scorpions lustig machte das Publikum war schon längst warm geworden, hatte sich teilweise von den Sitzplätzen erhoben und sich direkt vor der Bühne versammelt; und nun schien sich auch Ryan ein bisschen wohler zu fühlen.
Sobald aber ein paar Töne erklangen, war er sowieso in seinem Element und völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Höhepunkte in dieser musikalisch etwas schwächeren Phase waren "Let It Ride", eines meiner Lieblingsstücke, und "I Taught Myself How To Grow Old", eine Nummer des aktuellen Albums "Easy Tiger". Nach dem dramatisch am Klavier vorgetragenen "Nightbirds" folgte die obligate Verabschiedung und nach lautem Gebrüll, Gepfeife und Getose erschien Ryan solo auf der Bühne, nahm schüchtern auf seinem Hocker Platz und war nun ganz der vom Leben gebeutelte Singer-Songwriter, der so viele herzzerreißende Dinge zu erzählen hat. Mit "Call Me On Your Way Back Home" und dem nahe gehenden "Oh My Sweet Carolina" gelang es ihm schließlich auch, diese Rolle zu erfüllen und eine besondere Atmosphäre zu schaffen, bevor sich ihm bei "Bartering Lines" wieder die Band anschloss, um gemeinsam eine der besten Nummern des Abends zu spielen.
Den Abschluss des Konzerts bildete ganz klassisch "The End", in das die Cardinals noch mal ihre ganze Leidenschaft für den Country legten, bevor sie sich endgültig von uns verabschiedeten und eine begeisterte Menge zurückließen, die selbst dann noch klatschte, als man schon begann, das Equipment abzubauen.
Der Abend war ausgefüllt mit einer erlesenen Auswahl der besten Stücke aller Alben, wobei erfreulicherweise das neue Album nicht extra in den Vordergrund gerückt wurde und somit kein wirklicher Schwerpunkt erkennbar war die offensichtliche Liebe zur Musik, die alles andere in den Hintergrund stellte und jeden in ihren Bann zog, tat ihr Übriges, um mich von meinen Vorurteilen zu befreien und Ryan Adams als das zu sehen, was er wirklich ist: Ein Musiker, der in seinen Songs völlig aufgeht und erst dann zu der Person wird, die er wirklich ist.
Setlist
Goodnight Rose / Peaceful Valley / Please Do Not Let Me Go / Rescue Blues
Mockingbird / Rip Off / Cold Roses / When The Stars Go Blue / Everybody Knows / Why Do They Leave? / Freeway To The Canyon
Akustisches Set: Wildflowers / Blue Hotel / Two / Let It Ride / I Taught Myself How To Grow Old / Nightbirds
Zugabe: Call Me On Your Way Back Home / Oh My Sweet Carolina / Bartering Lines / The End
Stephanie Stummer - myFanbase
01.12.2007
Diskussion zu diesem Konzert
Weitere Informationen
Veröffentlichungsdatum (DE): 24.11.2007Genre: Folk & Country, Alternativ
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