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Turin Brakes

Turin Brakes in Bochum

Turin Brakes, Turin Brakes. Da war doch was! Turin Brakes: Zwei unheimlich sympathische Köpfe, aus London stammend, deren Besitzer die Namen Olly Knights und Gale Paridjanian
tragen. Diese beide Herren machen Musik, wunderschöne, und das seit nunmehr zehn Jahren. Völlig zu Unrecht liegen die goldenen Zeiten der Band allerdings bereits hinter ihr: Trotz vier bezaubernder Studioalben hat das britische Duo unerklärlicherweise Fan- und Feedback-Rückgänge zu verzeichnen, was an wahrscheinlich allem liegt, nur nicht an der Qualität.

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Nach einer zur Abwechslung mal vollkommen reibungslosen Anreise inklusive lauschiger dreizehnminütiger Busfahrt durch Bochum erreichte ich um bereits kurz nach sieben die Zeche Bochum, ein mir noch unbekanntes Örtchen – nicht weniger lauschig als die vorhergehende Schaukelei im öffentlichen Nahverkehr.

Die Vorband, Captain Cosmos aus dem Ruhrgebiet, erklomm die Bühne bereits um zwanzig Uhr. Bestehend aus Sänger Toto, Gitarrist Hanno, Schlagzeuger Mo, Till am Bass und Alfred an den Percussions war das Quintett angerückt, um unsereins nach eigenen Angaben die Gehörgänge für die nachfolgenden "wundervollen Klanglandschaften von Turin Brakes" freizupusten – was ihnen auch gelang. Denn ihr Songrepertoire wurde aus einer gänzlich anderen Schublade hervorgeholt, als das der Herren Knights und Paridjanian. Meine weichgespülten Ohren, denen der Klang von scheppernden E-Gitarren, derer zu dieser Stunde gleich zwei Exemplare gleichzeitig in Betrieb genommen wurden, zuletzt zunehmend ferner wurde, staunten nicht schlecht, als sie wenig vorsichtig an den ebenso unvorsichtigen Sound vom Kapitän herangeführt wurden. Wäre es aus anatomischen Gesichtspunkten nicht unmöglich gewesen, hätten sie sich vermutlich verwunderte Blicke zugeworfen, und etwas ratlos mit den Schultern gezuckt. Denn sicherlich tat die Band, wie geheißen: Sie pusteten und fegten und machten gehörig sauber. Nur schade drum, dass nichtmals die Worte hängen blieben, denn nur mit Mühe gelang es mir, Textfetzen über den Sound hinweg einzufangen und aufzusaugen. Wie gesagt: Captain Cosmos kommen nicht nur mit Akustikgitarre. Sie packen die E-Gitarre(n) aus. Und gegen die, ein Schlagzeug, ein Keyboard und Trommeln muss eine einzige Stimme erstmal ankommen. Ein Klick auf ihre Webpräsenz zeigte allerdings auf, dass Texte bei dieser fünfköpfigen Raumpatrouille durchaus vorhanden und keineswegs übel sind.

Nach nur etwa plusminus einer Handvoll Songs verließen sie die Bühne und während sich zumindest Bandmitglied Hanno das Spektakel der leisen Töne – denn das war es, was nun folgen sollte – nicht entgehen lassen wollte, so konnte ich seine vier Bochumer Kollegen im Laufe des Abends nicht mehr erspähen. Und auch der eigens angereiste Fotograf samt Anhang ward nicht mehr gesehen.

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Vor die atmosphärische, gemütliche Kulisse der Zeche sollten also in wenig Augenblicken die Turin Brakes treten – um dessen topmodisches Shirt sich künftig mein Kleiderschrank bereichert fühlen wird – und infolgedessen traten auch die Gäste, die leider nicht so zahlreich vertreten waren, wie es die Band sicherlich verdient hätte, näher heran. Eine freudige Spannung lag in der Luft, ehe drei elegant gekleidete Herren ihren Instrumenten Gesellschaft auf der Bühne leisteten und die Plätze bezogen: Der Dritte im Bunde, das war Eddie Meyer, der ein Cello zu seinem Spielzeug erklärte. Mit Beifall begleitet eröffneten die drei ihre Show mit "The Door", einem Klassiker des ersten Albums "The Optimist LP", das ihnen seinerzeit unerwartet großen Erfolg und Aufmerksamkeit einbrachte: Und schon hatten sie das Publikum mühelos an der Angel. Einer meiner Lieblinge folgte nach: "I'm the stone you've just thrown into the ocean. How many stones have you thrown?" Das verletzliche, sehnsüchtige "Stone Thrown" rührte die Anwesenden und das wiederum rührte die Band. An "Real Life" reihte sich ein weiterer Favorit, welcher bereits nach wenigen Sekunden begeistert herbeiapplaudiert wurde. Der eingängige Refrain von "Feeling Oblivion" ließ in seiner Zerbrechlichkeit niemanden kalt und alle, die – wie ich –, zum ersten Mal in den ersten Genuss kamen, Olly Knights und Gale Paridjanian live sehen zu dürfen, waren spätestens jetzt verzaubert: "If things get real promise to take me somewhere else [...] So don't leave me here on my own." Weniger ängstlich und optimistischer ging es weiter mit "Dark On Fire", dem Namensgeber des neuesten Werkes von 2007: "It sounds tacky / but I'm hopeful / there's a reason / that the world turns 'round."

"My open heart is all a flutter / memories as sweet as butter / running down the blade of a double edged sword": Bittersüße Worte, durch die sich Turin Brakes unter anderem auszeichnen, leiten "Come And Go" ein, das in wenigen Minuten Kraft schöpft und diese auch vermittelt. Nach "By TV Light" war mit dem "Pain Killer (Summer Rain)" ein weiterer Liebling meinerseits an der Reihe, der noch einmal neue Energien bei Band und Publikum freisetzte und zum Tanzen animierte. Die positive Aufbruchsstimmung, die nun alle Anwesenden erreichte, hatte großen Beifall zur Folge, bevor mit "Forever" eine unaufdringliche, zarte Romantik in der Zeche Bochum Einzug hielt und sich im Laufe des Abends hartnäckig dort halten und zum Dauergast werden sollte. Das Publikum begrüßte längst jeden neuen Song, den Olly, Gale und Eddie anspielten, mit Jubelrufen und Applaus. Es folgten drei Songs ihres neuesten Albums an einem Stück: Das fragende "Other Side", das besonders durch seinen Text besticht, sowie der wehmütige "Last Clown" gingen "Ghost" vorweg, das durch ein äußerst unterhaltsames, teils improvisiertes Intro, nur schwerlich noch sympathischer und charmanter gestaltet hätte werden können. In Interaktion miteinander und lachend Blickkontakt zum Publikum haltend, welches das Szenario ebenfalls klatschend und mit Lachen begleitete, machte das Trio die Show für alle Beteiligten nur noch mehr zu einem Fest, ohne sich zu irgendeiner Zeit großer Effekte bedienen zu müssen. Mal herzerweichend flehend in "Underdog (Save Me)", mal liebevoll und ehrlich in "Fishing For A Dream", zeigt Olly Knights, was dem zugeneigten Fan beim Hören der Alben verwehrt bleibt: Sein Gesicht. Es dokumentiert jede Zeile, es liebt und leidet und lebt jedes Wort, das seinen Mund verlässt.

So wie auch jene, dass "Fishing For A Dream" der letzte Song des Abends gewesen sei. Prompt legte das Publikum Protest ein und der war nicht leise. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen sagte Olly: "Well, if you want to hear more songs, you have to wait until we're gone. Then you scream and we'll come back and play some more". Gale und Eddie und auch die Leute lachten und Olly fügte hinzu: "I don't know who invented this rule, but we're going to keep this tradition". So erhoben sich Olly und Gale von ihren Hockern, Eddie wich erstmalig wieder von der Seite seines Cellos und sie verschwanden nach beiderseitigem Beifall hinter der Bühne. Natürlich nicht lange und schon folgte die Zugabe mit Ankündigung: Ein neuer Song von 2007, "New Star", und ein älterer von 2003, "Future Boy", und dann endlich "Long Distance", auf das ich bereits gewartet und gehofft hatte. "I let somebody get under my skin": Diese Zeile erfüllte nun von Mal zu Mal gewaltiger den Raum und jeder im Saal spürte es. Im Anschluss versuchten Eddie, Gale und Olly erneut den Abgang, doch ein zweites Mal wurden sie zurück an ihre Wirkungsstätte geklatscht und nun war die Zeit für einen jungen Mann im Publikum gekommen, der sich im letzten Drittel der Show immer mal wieder lautstark zu Wort gemeldet und "Emergency 72" gefordert hatte, von Olly allerdings zunächst lächelnd mit den Worten "Everything at its time." abgespeist wurde – bis zu diesem Moment. Und mit diesem Lied brachten Gale, Eddie und Olly die Show zu einem mehr als würdigen Ende, das für die allermeisten sicherlich noch zu früh kam.

In erster Linie ist es die fragile Stimme Olly Knights', die jede Emotion glaubwürdig transportieren kann und die Turin Brakes zu einer Ausnahmeband macht: Eine Seltenheit, dass mich ein Konzert in diesem Maße noch einmal mehr an eine Band zu binden vermag, die ich im Vorhinein ohnehin schon sehr gerne mochte. Und ich weiß, die Anatomie lässt es nicht zu, aber würde man meine Ohren nach ihrer Meinung fragen – sie würden Kopfstand machen und Beifall klatschen.

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Setlist: Turin Brakes

The Door / Stone Thrown / Real Life / Feeling Oblivion / Dark On Fire / Come And Go / By TV Light / Pain Killer (Summer Rain) / Forever / Other Side / Last Clown / Ghost / Underdog (Save Me) / Fishing For A Dream

Zugabe 1: New Star / Future Boy / Long Distance

Zugabe 2: Emergency 72

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Aljana Pellny - myFanbase
22.05.2008

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