Sigur Rós

Sigur Rós im Kölner Palladium

Am Montag, den 11. August 2008 erlebte ich im Kölner Palladium mein 15. Konzert der isländischen Band, die seit acht Jahren meine Lieblingsband ist, Sigur Rós. Und doch war es in vielerlei Hinsicht das erste Mal.

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Sigur Rós am 11. August 2008 im Kölner Palladium
© myFanbase/Nicole Oebel

Der ersten Neuerung, die Sigur Rós sich haben einfallen lassen, sah man sich im selben Moment gegenüber, als sie die Bühne betraten: alle Bandmitglieder in Kostümen. In sieben Jahren sah man Jónsi nie in etwas anderem auf der Bühne als in einem schlichten T-Shirt und barfuß, ebenso hatten Georg, Kjarri und Orri niemals Wert darauf gelegt, auf der Bühne wie Stars auszusehen. Daher traute ich meinen Augen kaum, als ich Jónsi in einem schwarzen Gehrock mit Federkragen, weißen Manschetten und Glitter im Gesicht sah. Auch Georg und Kjarri erschienen im feinen Zwirn, während Orri ein silbernes Pailletten-Stirnband gewählt hatte.

Die Show wurde eröffnet mit dem auf der letzten Tour schmerzlich vermissten "Svefn-g-englar", was mit frenetischem Jubel begrüßt wurde und mir die erste Gänsehaut bereitete. Jónsis engelsgleiche Stimme war klar und stark wie eh und je, und als er in seiner einzigartigen Manier an den lauten Stellen des Songs die E-Gitarre mit dem Geigenbogen bearbeitete, war man bereits gefangen in dem typischen Sound, den nur diese Isländer zustande bringen: Als ständen Elfen und Trolle gemeinsam auf der Bühne. Auf Videoprojektionen hatten Sigur Rós diesmal verzichtet und stattdessen über der Bühne Lichtballons angebracht, die entweder selber leuchteten oder in verschiedenen Farben angestrahlt wurden, was die passende Atmosphäre erzeugte.

Als Zweites folgte "Glósóli" vom Album "Takk", welches längst zu einem ihrer Live-Highlights avanciert ist. Es ist allerdings schwer auszumachen, welcher der Songs kein Highlight war, denn Sigur Rós ist eine Band, deren Live-Sound eine solche Qualität hat, dass er den Sound der CDs noch weit übersteigt. Die vier Mitglieder der Band tauschen fast zu jedem Song ihre Plätze auf der Bühne, als spielten sie "Bäumchen wechsel dich". Abgesehen davon, dass Jónsi immer die Leadstimme singt und nicht das Schlagzeug spielen übernimmt, spielt sonst jeder von ihnen mal jedes Instrument, vom Glockenspiel bis zum Keyboard, vom Xylophon bis zur Gitarre. Zusätzlich vervollständigten sie ihre Klangteppiche mit einem Streicherinnen-Quartett und einer fünfköpfigen Blaskapelle, die während des dritten Songs "Sé lest" plötzlich aufmarschiert, nur um kurz darauf wieder zu verschwinden. Später allerdings wurden sie zum festen Bestandteil auf der Bühne, halfen beim Backgroundgesang aus oder mit einzelnen ihrer Instrumente. Unnötig zu erwähnen, dass der Sound dieser dreizehn Musiker nichts anderes war als bombastisch.

Das Publikum steht in seiner Gesamtheit bei Sigur Rós-Konzerten recht andächtig da, und versucht, sich keinen dieser unzähligen visuellen und akustischen Reize entgehen zu lassen. Die Songs beginnen meistens ruhig und sphärisch, bauen sich dann aber mit einer solchen Kraft auf, dass der Höhepunkt der Songs wie eine Explosion wirkt. Ich kann dabei nicht stillstehen! Die Wucht, mit der "Hoppípolla", "Festíval", "Sæglópur" und auch das ältere "Ný batterí" abgehen, davon kann sich jede Rockband noch eine Scheibe abschneiden.

Etwas anderes, was ich zum ersten Mal bei Sigur Rós erlebte: Jónsi sprach mit dem Publikum! In 14 Konzerten war das einzige, was ich ihn jemals habe sagen hören, "Takk". Diesmal sprach er Englisch mit uns, und zwar mit einem so charmant-starken isländischen Akzent, dass die Menge zunächst mal vor lauter Unglauben in Stille versank. Dabei hatte er gerade darum gebeten: "Sing with us!", und da keine Reaktion folgte, fügte er hinzu "If you can?!". Als uns klar wurde, dass er wirklich mit uns gesprochen hatte, brach ein Jubelsturm los, den es in der Form nur gibt, wenn mehrere 1000 Islandfans einen Isländer sprechen hören, egal welche Sprache.

Vor der aktuellen Single "Gobbledigook" forderte er uns erneut auf "Maybe you can help us out in this song?" – Stille – "You can clap?" – Jubel. Der Song ist tatsächlich der einzige auf all den Alben von Sigur Rós, den ich nicht mochte, bis ich ihn live hörte. Nie habe ich die Band mit einer derart guten Laune auf der Bühne erlebt. Jónsi tobte mit seiner Akustikgitarre auf der Bühne herum, die Bläser klatschen sich in Zweierpaaren gegenseitig in die Hände und das Publikum klatschte mit, ohne bei diesem langen Song müde zu werden. Und zur Krönung des Ganzen wurde ein Konfettiregen über uns entladen.

Dann waren sie weg. Das konnte nicht sein. Sigur Rós spielen immer "Untitled #8" (Popplagið) am Ende ihrer Konzerte. Sigur Rós haben aber auch noch nie Zugaben gegeben. Und da erlebten wir wieder ein erstes Mal. Sie kamen zurück, und diesmal nicht nur zur altbekannten liebenswerten gemeinsamen Verbeugung, sondern tatsächlich, um "Popplagið" als Zugabe zu spielen. Dieser Song ist einfach das Beste, was man sich als knallendes Finale vorstellen kann. Zum Schluss erzeugt Jónsi nur noch Sounds durch Schläge mit dem Geigenbogen auf die Saiten seiner Gitarre, so dass ich mich jedesmal Frage, ob er für jedes Konzert einen neuen Geigenbogen bekommt.

Aber das sollte nicht die letzte Überraschung gewesen sein. Das Publikum hörte nicht auf mit seinem lautstarken Jubel, und so kamen Sigur Rós nur noch in Stammbesetzung, nunmehr ohne die Kostüme und nur noch in ihren üblichen unauffälligen Shirts, ein weiteres Mal für eine Zugabe auf die Bühne. Das sehr, sehr leise "All alright" vom neuen Album bildete ein ruhiges Ende für ein gigantisches Konzert der besten Live-Band der Welt.

Setlist

Svefn-g-englar / Glósóli / Sé Lest / Ný batterí / Við Spilum Endalaust / Hoppípolla / Með Blóðnasir / Festival / Fljótavík / Sæglópur / Inní Mér Syngur Vitleysingur / Hafsól / Gobbledigook

Zugabe: Untitled #8 (Popplagið)

Zugabe 2: All Alright

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Nicole Oebel - myFanbase
16.08.2008

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