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Curse

Curse im Zentrum Altenberg, Oberhausen - "Wer von euch ist heute wegen Hip Hop hier?"

Dass Curse alias Michael Kurth sich zuerst in Oberhausen blicken ließ, um sein in der deutschen Rapszene neue Maßstäbe setzendes Album "Freiheit" dem Publikum zu präsentieren, freute ein Pottkind wie mich natürlich über alle Maßen. Mit ein paar hundert weiteren Fans, Freunden und Verehrern des intelligenten Mindeners fieberte ich dem ersten Konzert der anstehenden "Freiheit"-Tour entgegen.

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Im Vorfeld war ich bereits ein wenig aufgeregt. Obwohl ich Curse schon immer einiges abgewinnen konnte, hatte ich ihn bislang erst zwei Mal auf lokalen Festivals gesehen: Im September 2003 bei dem Kölner Urban Stylez, wo er mich seinerzeit schon vollends mit seinen Live-Qualitäten begeistern und überzeugen konnte. Im Juli 2004 sah ich ihn bei Bochum Total, wo er Italo Reno und Germany auf der Bühne supportete, die damals bei Alles Real Records, Curses eigenem Label, unter Vertrag gestanden haben und auch heute noch stehen. Es wurde höchste Zeit für mich, den Reimemeister aus NRW endlich mal in voller Länge live zu erleben.

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Gegen 20 Uhr in Oberhausen am Zentrum Altenberg angekommen, fühlte ich mich gleich wohl. Die alten, direkt am Hauptbahnhof gelegenen Industriegebäude hatten ihren eigenen Charme und luden ein, von innen betrachtet zu werden. Hinter dem so friedlich wirkenden Backstein sollte in Kürze die Post abgehen. Es war mein erstes reines Rap-Konzert, seit ich Samy Deluxe 2004 im Dortmunder FZW gesehen hatte, aber ich gewöhnte mich rasch an die etwas anderen Sitten und die diversen New York Yankees-Kappen auf den Köpfen. Genau genommen war es ein bisschen wie nach Hause kommen, aber weniger sentimental. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mich in den bunten Reigen optisch nahezu nahtlos eingereiht.

Die Zeit bis zum Auftritt verging unerwartet schnell. Keine Vorband zum Anheizen war gekommen, es sollte direkt losgehen. Die sechsköpfige Live-Band, unter anderem bestehend aus Bassmasta Haze, Moritz Stahl sowie Mariama und Samir an zwei weiteren Mikrofonen, betrat die Bühne, und der Mann des Abends folgte auf dem Fuße. Und es ging ruck zuck los.

Gleich mit dem ersten Wort vom Opener "Fantastisch", das auf dem neuen Album zu finden ist, war die Stimmung da und das Thermometer ganz oben. Textlich saß das Publikum fast ausnahmslos felsenfest im Sattel: Jedes Tempo gingen die Leute mit, und wenn es sein musste galoppierten sie an der Seite von Curse. Der hatte von Anfang an den Bogen raus, alle in seinen Bann zu ziehen – nicht, dass noch vieles nötig gewesen wäre, um das Publikum zu begeistern. Denn das war es von Anfang an: Begeistert und froh, dass Curse endlich wieder da ist. Auch Curse selbst schien erleichtert, endlich sein Comeback feiern zu können. Denn vor "Gold", bei dem die Hütte brannte, legte er seine rechte Hand aufs Herz und sagte kaum vernehmbar "Geil." Hätte er es ein wenig lauter gesagt, hätte man ihm sicherlich zugestimmt.

Bereits im Vorfeld wusste ich um die große Bedeutung des Songs "Wenn Ich Die Welt Aus Dir Erschaffen könnte", den Curse seiner Freundin gewidmet hat. Wie ein kleiner Junge kündigte er ihn mit breitem Grinsen auf den Lippen an: "Jetzt kommt mein absoluter Lieblingstrack vom neuen Album. Das ist der Hammer, den jetzt performen zu dürfen! Oh, geil!" Zum ersten Mal an diesem Abend postierte sich der großgewachsene Mann hinter seinem Mikrofonständer, und blieb hinter selbigem stehen. Er schloss die Augen, während die schmachtenden Worte an seine Freundin seine Lippen verließen. Das ganze Gefühl, das er in den Song legte, übertrug sich 1:1 aufs Publikum. Zum ersten Mal war es fast ausnahmslos still im Saal. Diejenigen, die mitsprachen, taten es leise. Ich sah Mädchen, die weinten, und rechts von mir stiegen Seifenblasen in die Luft.

Das Kontrastprogramm ließ nicht lange auf sich warten: Das ebenso textsichere wie gefügige Publikum ließ während dem Knaller "Soulmusic", in der Albumversion mit Xavier Naidoo, keinen Backstein mehr auf dem anderen. Und bevor die Seifenblasen bei "Viel Leichter" zum erneuten Einsatz kommen sollten, zwang Curse sämtliche Anwesende in die Knie: Den Refrain von "Das Versteh Ich Nicht" nahm er zum Anlass, uns aufzufordern, in die Hocke zu gehen, um im letzten Drittel wie verrückt in die Luft zu springen und durchzudrehen. Gesagt, getan: Mehrmals an diesem Abend lag also auch ich ihm nicht nur im übertragenden Sinne zu Füßen, bevor ich von hinten, links und rechts über den Boden geschoben wurde. Die Stimmung war auf dem Siedepunkt, und die Schweißperlen standen spätestens jetzt auf jeder Stirn. In kleine Anekdötchen und Scherzereien verpackt kamen auch weitere Curse Classics nicht zu kurz: Angefangen bei dem legendären 2000er "10 Rap Gesetze" über "Lass Uns Doch Freunde Sein" bis hin zum emotionalen "Und Was Ist Jetzt", bei dem jeder im Raum seinen eigenen Erfahrungen nachhing. So schaffte Curse mühelos den Spagat zwischen Laut und Leise, Spaß und Ernsthaftigkeit, Party und Gefühl.

Eine gute Mischung, wenn auch leider ohne "Hand Hoch", aus Alt und Neu hatte Curse im Gepäck, und somit für jeden was dabei. Und auch, wenn ich langsam das Gefühl habe, in den letzten Wochen nicht viel anderes gemacht zu haben, als Curse in den höchsten Tönen zu loben: Ich muss es auch an dieser Stelle wieder tun – es sei mir verziehen. Die dritte Zugabe bestritt Curse auf charmanteste Art und Weise und auf dem Bühnenrand sitzend allein, und während einige Besucher schon gegangen waren, hatte Curse keinerlei Berührungsängste und belohnte die Geduld und Ausdauer der Dagebliebenen.

Auf dem Silbertablett mit Goldrand servierte Sir Curse am Sonntag Abend exquisite Leckerbissen im Rap-Gewand, gewürzt mit viel Humor und Leidenschaft. Für den delikaten Beigeschmack sorgte seine Live-Band, die Curse höchstens ein wenig in seiner Bewegungsfreiheit auf der Bühne einschränkte, seine Show sonst aber nur noch homogener und beinahe ein wenig glamourös wirken ließ.

"Die Wahrheit – weil's anders nicht geht. Wenn's keiner versteht, mach ich's nur für mich, doch zum Glück gibt's genug, die das Gleiche sehen wie ich, den gleichen Weg wie ich gehen und dazu stehen, was sie fühlen." heißt es in "Soulmusic". In der Tat, es gibt einige, die verstehen, was Curse sagen will. Und doch sind es nie genug. In jedem Moment war Curse immer nur eines: Er selbst. Um es zu guter Letzt noch mal mit den eigenen Worten dieses Ausnahmekünstlers zu sagen: Curse ist zurück – "nur damit Ihr wisst, wer zurück am Mic ist. Nur damit Ihr wisst, wer ab jetzt regiert! Nur, damit Ihr wisst, wer es ist!" Und damit es auch wirklich niemand mehr vergisst: Die Augen offen halten und auf die Folgetermine der "Freiheit"-Tour im Frühjahr 2009 warten. Nicht verpassen – Curse ist jeden Cent wert!

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Setlist

Intro / Fantastisch / Denk An Mich / Gold / Nur Ein Ganz Kleines Bisschen / Warum Nicht? / Stell Dir Vor / Wenn Ich Die Welt Aus Dir Erschaffen Könnte / Wahre Liebe / Licht Und Schatten / Soulmusik / Das Versteh Ich Nicht / Viel Leichter / Bis Zum Schluss / Baby / Feier Dich Selbst / 10 Rap Gesetze / Der Fluch / Lass Uns Doch Freunde Sein / Freiheit

Zugabe 1: Und Was Ist Jetzt?

Zugabe 2: Schöne Wahrheit / Widerstand

Zugabe 3: Du Sagst, Du Meinst

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Aljana Pellny - myFanbase
10.11.2008

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