Bewertung
Pavement

Pavement – Arena, Wien

Wenn sich Mittdreißiger mit bier- und glücksseligem Lächeln in den Armen liegen und einander mit feuchten Augen Textzeilen ins Ohr brüllen, dann, ja dann sind Pavement zurück. Die Indie-Band aus den Neunzigern, auf die sich fast alle jetzigen Bands der Szene als einen ihrer wichtigsten Einflüsse einigen können, hat dieses Jahr getan, was so viele Bands schon zuvor schon nicht lassen konnten: Sie hat ein Best-Of-Album veröffentlicht und befindet sich nach ihrer Reunion auf Zeit momentan auf Welttournee. Im deutschsprachigen Raum waren die ausgewählten Städte Berlin, Wien und München – und auch wenn man Stephen Malkmus und seine Gruppe wohl kaum mit den angegrauten Rockdinosauriern von den Rolling Stones oder The Who vergleichen kann, so musste man diese vielleicht letzte Chance doch auf jeden Fall nützen. Am Freitag, dem 21. Mai, spielten Pavement also in der komplett ausverkauften Arena in Wien. Es folgt: ein Zeugenbericht.

Foto: Pavement 1999 - Copyright: Marcus Roth/Matador Records
Pavement 1999
© Marcus Roth/Matador Records

Als Augenzeuge kann ich mich nicht betrachten, zumindest nicht, was die Band betrifft: Die wahren und originalen Pavement-Fans sind nämlich schamlos und selbstsüchtig und drängen sich, selbst wenn sie von stattlicher Körpergröße sind, gerne so weit wie möglich vor – muss man ja auch irgendwie verstehen, für viele war dies wahrscheinlich trotz richtigem Geburtsjahr das erste Pavement-Konzert überhaupt. Wenn man aber von kleinem Wuchs ist, kann das Ganze schon zur Geduldsprobe werden: Von Sänger Malkmus nur der Schatten, vom Drummer nur die Töne, von der Existenz des bandeigenen Shouters lange Zeit keine Ahnung und von Scott Kannberg immerhin der Kopf samt Mütze in Sichtweite. Es zählt sowieso nur die Musik? Natürlich, wenn da nur nicht das Dröhnen in meinen Ohren gewesen wäre, weil sich diese genau auf "Klatsch-Höhe" meines Stehnachbarn befanden...

Auf verlorenem Posten ließ sich aber gut die Menge beobachten und da zeigte sich schnell: Wahre und originale Pavement-Fans sind nicht nur schamlos und selbstsüchtig, sondern auch enthusiastisch und äußerst textsicher. Die eingangs beschriebene Szene kann man als Dauerzustand betrachten – vom Opener "Silence Kit" über die Mitsing-Höhepunkte "Stereo" und "Shady Lane" bis zum Klassiker "Summer Babe" verpasste man kaum einen Einsatz oder eine Strophe. Selten so eine gute Stimmung erlebt, die gleichzeitig aber auch gewaltigen Respekt einflößte: Dies war eindeutig das Konzert der "älteren" Generation, die mit der Band aufgewachsen war und sich bei Hits wie "Range Life" oder "Gold Soundz" in die gute alte Jugendzeit zurückgesetzt fühlte. Als junger Musikfan, der die Band bereits als mystifizierte Legende kennengelernt hat, fühlte man sich seltsam fehl am Platz, als ob man eine Privatparty stören würde.

Ein Reunions-Konzert hat das wahrscheinlich so an sich und soweit ich das aus meinem beschränkten Sichtfeld beurteilen konnte, hatten die alten Slacker-Helden ja auch ihren Spaß daran, ihre Gassenhauer rauszuhauen und sich dabei im Jubel der Menge zu suhlen. Direkter Kontakt mit dem Publikum war allerdings kaum vorhanden, beziehungsweise akustisch schwer verständlich. Den musikalischen Schwerpunkt legten sie auf ihr Debüt "Slanted & Enchanted" sowie das zweite Album "Crooked Rain, Crooked Rain", dessen Songs für die meisten euphorischen Momente sorgten.

Das Schrullige und die Ironie, die man mit Pavement verbindet, musste man auch nicht missen: Alleine ein Bob Nastanovich, der quasi den Shouter gab, bei "Conduit For Sale!" und "Two States" eben mal ein bisschen ins Mikro grölte und ansonsten fröhlich vor sich hinrasselte, wirkte so deplatziert, dass es schon wieder witzig war – genauso wie das Muhen und Vogelgezwitscher, mit dem er ein paar Songs einläutete, oder der Anblick von Stephen Malkmus (oh ja, gegen Ende hin begann sich die Menge zu lichten und die Sicht zu bessern!), der gedankenverloren seine Gitarre auf dem Kopf balancierte.

"Cut Your Hair", das allgemein als Pavements "Überhit" bekannt ist, beendete fröhlich den Hauptteil des Abends, während die Ersten schon mit den Füßen scharrten, um die Band ja möglichst lautstark für eine Zugabe auf die Bühne zurückzuholen – zweimal gelang das auch, im letzten Zugabenblock holte sich Entertainer Nastanovich passend zu "We Dance" auch gleich noch eine Bühnentechnikerin, um mit ihr ein paar Runden übers Parkett zu drehen. Nach "Debris Slide" war aber endgültig Schluss, das mussten auch diejenigen einsehen, die noch immer mit ungläubigem Gesichtsausdruck dastanden, als könnten sie es nicht fassen, dass sie ihre Band nach so langer Zeit doch noch zu Gesicht bekommen hatten.

Fazit

In den Neunzigern waren Pavement eine der wichtigsten Bands in der Szene rund um Sonic Youth & Co – nun haben sie sich noch mal aufgemacht, um Unmengen von nostalgischen Fans glücklich zu machen. Ich gehöre nicht zur Gruppe der Nostalgiker, noch habe ich viel von der Band selbst gesehen – was ich allerdings gesehen habe, waren Scharen von verzückten, seligen Menschen, die diesen Abend so schnell nicht wieder vergessen werden. Fast hätte ich sie um diese Aufregung und diese Gefühle beneidet, für die ich die falschen Voraussetzungen habe, um sie ganz nachvollziehen zu können. Doch die Musik, der wir gelauscht haben, war dieselbe: Kraftvolle, ungestüme Songs, die ebenso unvergänglich sind wie ihr Einfluss auf ihre musikalische Nachwelt.

Setlist

Silence Kit / In the Mouth a Desert / Stereo / Frontwards / Father to a Sister of Thought / Two States / Shady Lane / No Life Singed Her / Gold Soundz / Grounded / Perfume-V / Kennel District / Fight This Generation / Range Life / Spit on a Stranger / Trigger Cut / Starlings of the Slipstream / Unfair / Summer Babe / Stop Breathin' / Cut Your Hair

Zugabe 1: Date with IKEA / Elevate Me Later /Here

Zugabe 2: Conduit for Sale! / We Dance / Debris Slide

Stephanie Stummer - myFanbase
13.06.2010

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