Taylor Swift in München
In München setzt man sich im Sommer gerne auf den Olympiaberg, um kostenlos den Konzerten im Olympiastadion zu lauschen. Bestimmt schon seit fünfzig Jahren ziehen die Einheimischen also mit ihrer Picknickdecke los. Nun hat der Olympiaberg aber weltweite Bekanntheit erlangt und natürlich liegt das nur an einer Person: Taylor Swift. Sie ist der Moment; sie ist größer als das Leben. Und sie hat ein Wochenende lang in der bayerischen Landeshauptstadt gastiert.
Taylor Swift setzte einen neuen Rekord, denn als erste Frau konnte sie das legendäre Olympiastadion mit 74.000 Fans sogar zweimal ausverkaufen. "Und wenn die Nachrichten stimmen, sind draußen vor dem Stadion nochmal 50.000 wunderschöne Menschen!", verkündet Taylor sichtlich euphorisch am Sonntagabend.
Taylor Swift befindet sich gerade auf der "Eras"-Tour, der größten Tour in der Musikgeschichte. Kein männlicher Rockstar, der das geschafft hat, sondern eine Singer/Songwriterin, die hart an ihrem großen Traum gearbeitet hat, Abend für Abend ihr Publikum glücklich zu machen. Als Support für diese riesige Tour wählte Taylor seit dem Start im letzten Jahr ausschließlich gute Freund*innen mit einem großen Augenmerk auf weibliche und queere Künstler*innen. Mit Paramore-Sängerin Hayley Williams verbindet sie eine jahrelange Freundschaft und eine musikalische Kooperation. Paramore, eine inzwischen dreiköpfige Band mit weiteren vier Back-up-Musikern, nahmen schnell den berühmten "Eras"-Tour-Laufsteg ein. Wenn sie diesen nicht nutzten, hüpfte Hayley außer Rand und Band vor der überdimensionalen Leinwand herum. Paramore sind ja ohnehin keine Fremden in Deutschland; sie haben viel hierzulande getourt, doch laut Hayley noch nie in so großen Stadien. "Ich werde jetzt ein paar Ugly Dance Moves machen, das habt ihr euch verdient!" Vor dem Megahit "Misery Business" brachte Hayley dann den Girlies bei, wie man rockt: Dafür streckt man Zeigefinger und den kleinen Finger hoch und macht die für ein anderes Publikum deutlich gewohntere Pommesgabel. Zu guter Letzt zeigte sie bei "Ain't It Fun" die Bandbreite ihrer einzigartigen Stimme und damit einmal mehr, dass Taylor die Richtigen ausgewählt hat, ihre Fans, die zum Teil in ihren nachgeschneiderten Bühnenoutfits kamen, auf den Abend einzustimmen.
Und dann hieß es auf einmal "Servus!" Die Menge eskalierte. Wie heißt es so schön auf TikTok? Das ist Taylors Welt und wir alle leben nur darin. Es gibt viel "Schmarrn", wie man in München sagt, den sich Swifties nicht nur seit dem Hype der "Eras"-Tour anhören müssen, inklusive des Vorwurfs, wie eine Sekte zu agieren. Im Grunde unterscheidet Swifties nicht viel von Fußballfans: Es gibt Fanchöre und Insider, es gibt Fandom-spezifische Accessoires wie Friendship-Bracelets statt Fanschals. Vielleicht ist der Unterschied, dass die Swift-Fangemeinde deutlich liebevoller ist. Die Friendship-Bracelets sind von einer Textzeile im Song "You're On Your Own, Kid" inspiriert und das Tauschen hatte schon am Tag vor den Konzerten begonnen, sobald der Merchandise-Verkauf losgegangen war. Das Münchner Publikum ließ sich nicht lumpen: Das Gefühl von Girlhood wurde hochgehalten und gelebt. Die Stimmung war trotz teils langer Wartezeiten vor dem Stadion überragend. Freundschaften wurden geschlossen und der Hitze zusammen getrotzt.
Taylor performt bei der "Eras"-Tour jedes Mal dreieinhalb Stunden. Alleine mit diesem Statement sollte eigentlich jedes Gegenargument verstummen. Fehlendes Bühnenbild? Sie wandelt durch elf Alben und illustriert diese so gut es geht, ohne dabei wirkliche Pausen zwischen den einzelnen Eras zu lassen. Sie kann nicht tanzen? Dem setzte Taylor schon 2014 selbstironisch "Shake It Off" entgegen und mal abgesehen von ihren Moves, die sitzen, und den Marks, die sie aber sowas von hittet, umgibt sie sich mit einer Gruppe diverser Tänzer*innen, die vor Talent strotzen. Dazu gehören Jan Ravnik, der beispielsweise für Paula Abdul tanzte, Whyley Yoshimura, der für Janet Jackson arbeitete, und Natalie Reid war gar für elf Saisons eine Radio City Rockette. (Besonderer Shout-out an dieser Stelle an Kameron N. Saunders, der bei "I Can Do It With A Broken Heart" auf Bayerisch gezählt hat!)
Außerdem: The mic was ON! Auch, wenn Taylor zweimal auf ihr Mikro deutete, um der Technik mitzuteilen, dass sie sich selbst lauter hören möchte: Wenn die Songs sich ihrem Klimax näherten und Taylor ihre Stimme in die Höhe und Tiefe schwang, konnte es nicht perfekter sein. Egal, ob "I Can Do It With A Broken Heart", "Blank Space" oder "Delicate" (nebst besonders expressiven Gesichtsausdrücken). Bei "Who's Afraid Of Little Old Me", vom neuen Album, entfuhr ihr gar zum Schluss ein bisher auf der Tour nie gehörter Schrei, der die Menge erschütterte. Ihr aktuelles Album ist aber auch von einer solchen Dramatik, dass sie ihre dramatische Ader auf der Bühne vollends ausleben kann. Um ihrem neuen Album "The Tortured Poets Department" gerecht werden zu können, legte sie die "Folklore"- und "Evermore"-Eras zusammen, performt in einer kleinen Holzhütte, die (mitsamt Bäumen) auf die Bühne gebracht wird und aus der sie wirklich süß herausschaute. Sie habe "Folklore" nach zwei Tagen Pandemie angefangen zu schreiben. Wie alle hatte sie sich viel mit Büchern, Serien und Filmen beschäftigt ("Und Wein, sehr viel Wein") und daher die Idee geboren, Charaktere zu erfinden, statt, wie in ihren anderen Alben, über ihr eigenes Leben zu schreiben. Nach "champagne problems" folgte die traditionelle "Cheer Time" und mit Berichten zufolge über drei Minuten konnte das Ergebnis der anhaltenden Standing Ovations vom Vorabend um eine halbe Minute gebrochen werden.
Einzig ihr Debütalbum "Taylor Swift" hat kein wirklich eigenes Set. Hier macht es aber Sinn, dass sie jeden Abend zwei wechselnde Stücke spielt. Mit der Gitarre, mit dem Piano – so wie früher, als Teenagerin, die in ihrem Kinderzimmer saß und Songs über ihre persönlichen Erfahrungen schrieb. Seit dem Start der Tour außerhalb der USA hat sich Taylor auf Mash-ups spezialisiert, die Parallelen ihrer Songs aufzeigen und ganz neue Welten öffnen. Am Sonntag in München waren es zwei Songs aus "The Tortured Poets Department": "imgonnagetyouback (gemixt mit "I Don't Want To Live Forever") und "loml" (gemixt mit "Don't You"), letzteres mit absoluter Emotionalität vorgetragen. Danach wirkte Taylor sehr glücklich und zufrieden. "'loml' im Akustikset zu hören war ein Privileg. Dieser Song wurde geschrieben, um live auf einer Akustikgitarre gespielt zu werden!", erzählt mir Val, die extra aus den Niederlanden angereist ist.
Wer jetzt noch denkt, das einzig Positive an Taylor sei, dass sie für viele der erste Kontakt zur Musik sei, der hat über vierzig Songs geschlafen; der erkennt traditionelle Genreunterschiede nicht, obwohl er*sie sich wohl sicherlich damit rühmt. Nicht ohne Grund dirigiert Taylor eine riesige Menschenmasse (und ihre Band und ihre Tänzer*innen führt sie an wie eine Parade). So vergingen dreieinhalb Stunden wie im Flug. "München, unvergesslicher geht es nicht. Gebt ihr uns noch einen Song?" Gerne nochmal vierzig, Taylor. Immer wieder gerne.
Simone Bauer - myFanbase
29.07.2024
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Veröffentlichungsdatum (DE): 28.07.2024Genre: Folk & Country, Pop
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