Review: #5.02 Das Leben beginnt jetzt

Auch im zweiten Teil der Staffelpremiere werden wir nicht von Gavin DeGraws One Tree Hill-Hymne "I don't wanna be" begrüßt, die neuen Credits werden scheinbar noch als Überraschung aufgehoben. Aber auch ohne die liebgewonnene, stimmungsvolle Einleitung bot die Folge die gesamte Bandbreite an Emotionen, die One Tree Hill so wunderbar macht.

Things have changed in four years, but in many ways this is just the beginning.

Ich war wirklich in Sorge, wie diese einzigartig liebevoll dargestellten Freundschaften und der Zusammenhalt zwischen den Charakteren weiterhin erhalten bleiben soll, wenn die einzelnen Charaktere nicht mehr in derselben Stadt leben. Aber es wurde wirklich realitätsnah gezeigt, dass verschiedene Charaktere Glück und Erfolg fern der Heimat gesucht und zum Teil auch gefunden haben, dass es einen aber letztlich doch in die Heimat zurückzieht, wenn man so starke freundschaftliche Bindungen zueinander hat.

This hasn't happened to me since college.

Schon allein die Begrüßungsszenen waren so rührend, dass ich das Konzept der fünften Staffel, die uns die Charaktere vier Jahre nach der vierten Staffel zeigt, direkt geliebt habe. Peytons und Brookes Wiedersehen am Flughafen haben wir ja bereits in der ersten Folge gesehen, aber auch wie Brooke mit jugendlichem Charme auf Lucas' Bett hüpft, nur um dort Lindsey vorzufinden, und dann dort sitzen bleibt bis Lucas hereinkommt, ist einfach typisch Brooke, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben. Lucas' frech-erfreute Reaktion darauf, diese beiden hübschen Ladies in seinem Bett vorzufinden, brachte auch ihm gleich viele Sympathiepunkte.

You ever had a wine hangover? - I had a floppy-eared bunny named Chester.

Ebenso hätte ich Brooke in ihren ersten Szenen mit Mouth und Jamie knutschen können. Sie steht spontan vor der Haustür eines ebenso überraschten, wie erfreuten Mouth, um ihm eine Flasche Wein zu liefern, was er schlagfertig damit pariert, dass er diese doch schon vor zwei Jahren bestellt habe. Die weinbeseelte Nacht der beiden sehen wir zwar leider nicht, aber es ist einfach schön zu wissen, dass sie einander soviel zu erzählen haben, dass Brooke gleich über Nacht bleibt und somit morgens von einem shirtless Skills, dem der Schalk im Nacken sitzt, im Bett dadurch geweckt wird, dass er sich dort heimlich mit ihr fotografiert.

Als sie aufspringt, um Jamie abzuholen, wartet dieser bereits in der Küche, denn Haley kennt ihre Freundin immernoch gut genug, um zu wissen, wie ihr Hangover am Morgen aussehen dürfte und hat ihren Sohn daher vorsorglich zur Ruhe ermahnt. Die Dialoge zwischen Brooke und Jamie, wie der mit dem Hasen namens Chester oder über die Farbe der Seifenkiste, sind einfach so herzerfrischend, dass man sich perfekt vorstellen kann, wieviel Spaß die Schauspieler bei diesen Szenen hatten. Das gleiche gilt für Skills. Als er zu Jamie sagt: "Man, you getting way too smart. It was a lot easier when you was three" oder auch in der herausragenden "It’s my life. I’m taking a stand."-Szene, als Jamie seine Teilnahme am Seifenkisten-Rennen verweigert, kann man sich sofort vorstellen, wie erstaunt die nunmehr erwachsenen Jungschauspieler bestimmt immer wieder über die Fähigkeiten des kleinen Jackson, der seine Rolle mit seinem ganz natürlichen kindlichen Charme spielt, gewesen sind.

Lucas tells me you can walk but you need a little incentive so we have come up with a drill. - For every step you take Brooke and I kiss.

Dies war der großartige Vorschlag von Brooke und Peyton für Nathan, den sie nun zum ersten Mal wiedersehen, seit er im Rollstuhl sitzt. Ihm ist dieser Moment offensichtlich unangenehm, aber die beiden Mädels tun alles, um ihn in gute Stimmung zu versetzen. Als Haley dazukommt, ebenso völlig überrascht von der Ankunft ihrer beiden Freundinnen, gefiel mir besonders ihr leicht verzweifelter Versuch, ihre Haare und Klamotten ein bisschen zurecht zu rücken. Offenbar fühlt sie sich den beiden Mädels, die in ihren Augen in den letzten Jahren tonnenweise an Coolness gewonnen haben könnten, in ihrem Mami- und Lehrerinnenstatus nicht ganz ebenbürtig. So ist sie, unsere Haley, ganz wie wir sie kennen und lieben.

I used to be Nathan Scott and I was great. And now I'm nothing and I have... nothing!

Nathan war natürlich grausam selbstmitleidig, und leider neigt man ja dazu, sowas dann an denen auszulassen, die einem am nächsten stehen. Trotzdem habe ich großes Mitleid mit ihm! Als er Haley damals an die Musikkarriere verloren zu haben glaubte, war er ja auch in einem Sumpf aus Selbstmitleid, daher fand ich, das war kein Bruch in seiner Charakterentwicklung. Er hat ja immerschon ein wenig dazu tendiert, sich vom Erfolg wie von einer Welle wegtragen zu lassen, und dabei kam auch in den vorherigen Staffeln Überheblichkeit dazu, besonders, wenn er gerade mal wieder wütend auf Lucas war.

Haley hat also jedes Recht, unglücklich mit der Situation zu sein und ihm Vorwürfe zu machen. Ich bin allerdings trotzdem ein wenig schockiert von ihrer Härte Nathan gegenüber. Da war sie wiederum nicht die Haley, die wir kennen. Wo ist ihre tiefe und geduldige Liebe zu Nathan hin, mit der sie in sein Herz blicken konnte? Lucas sprach darüber ja sogar in seiner Verlobungsrede in #2.02 The Truth Doesn't Make A Noise. Wenn Haley jetzt in Nathans Herz geblickt hätte, hätte sie eigentlich entdecken müssen, dass sein Verhalten ein einziger Hilferuf ist. Er glaubt, durch den Verlust des Basketballspiels seine gesamte Identität verloren zu haben, und dass man da ein paar Monate braucht, um sich wieder zu berappeln, finde ich sehr nachvollziehbar.

I am Nathan Scott and I have too much to lose.

Nicht ganz ohne pathetische Akzente, die ich bei "One Tree Hill" aber immer wieder sehr liebe, verläuft Nathans Aufwachen aus dem Sumpf des Selbstmitleids. Er rollt mit seinem Rollstuhl ins Schwimmbad und auftauchend aus den Wellen macht er sich klar, dass seine Familie ihn braucht und er sein Leben nicht zuletzt deshalb wieder auf die Reihe bekommen muss. Ich bin gespannt, wie gut es für ihn funktioniert, sein Leben zunächst mal darauf auszurichten, für seine Lieben dazusein. Als er schonmal an seinem Tiefpunkt angelangt war, richtete er seinen Fokus auf das Basketballspiel, da dies schon immer seine Leidenschaft war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich von seinem Leben als Profibasketballspieler innerhalb von nur vier Monaten komplett verabschiedet hat.

Your art matters, Lucas. It's what got me here.

Zwischen Peyton und Lucas ist irgendwas passiert, von dem wir noch nichts erfahren haben. Die beiden haben sich im Laufe der vier Jahre getrennt, man hat aber den Eindruck, dass auf beiden Seiten noch sehr viel Gefühl vorhanden ist und viel Unausgesprochenes zwischen ihnen steht. Trotzdem kümmert sich Lucas darum, Brookes Idee von Peytons eigener Plattenfirma zu verwirklichen, indem er mit der Erlaubnis seiner Mum, Peyton Büroräume neben dem Tric zur Verfügung stellt und ihr Mut macht, ihren Traum zu verwirklichen. Hilary Burtons Art mit halb verschluckter Stimme zu sprechen, wenn sie emotional wird, mochte ich schon immer sehr gerne, und hier gibt es diese wunderbare Szene, als Peyton Lucas etwas von dem Mut, den er ihr macht, zurückzugeben will, indem sie ihn daran erinnert, dass er früher meinte, ihre Bilder hätten ihn inspiriert. Sie zaubert diesen Moment in sein Gedächtnis zurück und dreht ihn daraufhin herum. Sein Roman habe sie inspiriert nach Tree Hill zurückzukehren und mit dem unbefriedigenden Job in LA Schluss zu machen. Das was sich danach in Lucas’ Gesicht abspielt, ist meines Erachtens nicht schwer zu erraten. Peyton hat etwas in ihm berührt, etwas, das er selbst offensichtlich lange nicht angetastet hat, und prompt inspiriert ihn dieses Erlebnis am selben Abend noch dazu, seine Schreibblockade zu überwinden.

Let me ask you all a question. What's worse, not getting everything you wished for or getting it but finding out it's not enough? The rest of your life is being shaped right now with the dreams you chase, the choices you make and the person you decide to be. The rest of your life is a long time and the rest of your life starts right now.

Diese bedeutungsvollen Worte Haleys berühren die Zuschauer wahrscheinlich mehr als sie ihre Klasse zum Nachdenken bringen, so zum Beispiel hat der Rebell der Klasse es nicht sehr schwer ihre Autorität zu untergraben und sie aus der Fassung zu bringen. Und darin liegt auch insgesamt die Schwierigkeit der Situation, dass die Hauptcharaktere jetzt junge Erwachsene in Positionen spielen, in denen sie Teenagern Ratschläge geben, Schüler beaufsichtigen und unterrichten, Angestellte haben, Respektspersonen sein sollen. Für die Nebenrollen aber wurden keine wirklich jüngeren Darsteller ausgesucht, zumindest sehen sie alle genauso aus wie in den Staffeln, als die Hauptcharaktere auch noch Teenager waren. Das macht es manchmal etwas schwer, die Rollenverteilung in den einzelnen Szenen hinzunehmen.

I wish I knew you back when you were good.

Dies stammt aus dem Refrain des Songs von "The Hours", der in gesamter Länge den Sountrack zur Schlussmontage der Folge bildet. Wir sehen jeden der Hauptcharaktere noch einmal in der neuen Situation, in der er sich befindet und können diese am Ende des zweistündigen Staffelauftakts nochmal damit vergleichen, was wir von den Charakteren bisher gesehen haben. Um dies mit den Worten des Refrains zu verbinden, wir kannten jeden der Charaktere, als sie noch "gut waren": Die geduldige, hilfsbereite Haley, den unverletzten, siegessicheren Nathan, den nachdenklichen, kreativen Lucas, die phantasievolle, mutige Peyton und die risikofreudige, selbstbewusste Brooke. Nicht jeder von ihnen hat sich diese Eigenschaften bewahrt. Und ebenso wie die Schlussmontage von einzelnen Zeilen aus Haleys Appell an ihre Klasse begleitet wird, begleiten wir nun die Charaktere dabei, den Rest ihres Lebens zu beginnen.

Nicole Oebel - myFanbase

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