Bewertung

Review: #5.08 Ich will, Ich will, Ich will

Die Hoffnung, dass wir im Laufe der Staffel doch wieder von der "One Tree Hill"-Hymne "I don't wanna be" begrüßt werden, müssen wir nun wohl ungern aber dennoch endgültig begraben. "One Tree Hill" hat sich das Konzept zu eigen gemacht, das auch viele andere US-Serien zur Zeit zeigen, es wird nur noch der Serientitel eingeblendet, während die Credits die Eingangsszenen begleiten. Sehen wir es positiv: So bleibt ein wenig mehr Zeit für das Erzählen der Geschichten selbst. Und darin liegt schließlich das Talent der Autoren von "One Tree Hill", sie erzählen Geschichten wie in der aktuellen Folge, die mitten ins Herz treffen und einem immer wieder Tränen der Rührung in die Augen treiben.

That's a legit question. I mean we figure with Peyton back in town it could be anybody's ballgame.

Nathan und Skills treffen die Sache auf den Punkt: Dass Lucas Lindsey einen Heiratsantrag macht, wirkt willkürlich. Die Exfreundinnen sind wieder in der Stadt, Erinnerungen werden aufgewühlt, Emotionen kochen hoch, Wunden werden aufgerissen, die kaum verheilt waren, und mitten in diesem Strudel steht ein Lucas, der offensichtlich das Ufer aus den Augen verloren hat. Da klammert er sich an den nächst möglichen Ast, der sich ihm bietet, und das könnte, wie sein Bruder und sein bester Freund spaßeshalber meinen, jede der möglichen Damen sein. Aber ein Ballspiel, mit dem Nathan Lucas' Liebesleben assoziiert, sind die Liebe und die Ehe nunmal nicht. Lucas bewegt sich auf einem Drahtseil, und ich kann nur hoffen, dass ihm noch einmal der damalige "Moment der Klarheit" (#4.09 Some You Give Away) kommt.

In that moment, my triumph was not a state championship but simple clarity, the realization that we'd always been meant for each other and every instinct to the contrary had simply been a denial of the following truth: I was now and always would be in love with Peyton Sawyer.

Lucas wird durch Peytons Anwesenheit an die große Liebe erinnert, die sie füreinander empfunden haben, und ebenso an das tiefe Loch, in das er gestürzt ist, als Peyton vor drei Jahren seinem Heiratsantrag nicht sofort zugestimmt hat. Er hat sich damals einsam gefühlt in seinem Leben, das mehr oder weniger feste Formen angenommen hatte. Er wollte seine Freundin in seiner Nähe haben, Glück und Leid mit ihr teilen und ein geregeltes Leben führen. Dass Peyton zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit dazu war, konnte oder wollte er dabei nicht sehen.

Lindsey stellt in Lucas' Leben einen Ruhepol dar. Sie kümmert sich berufsmäßig um seinen Roman, kommt zu ihm in die Kleinstadt, teilt sein Leben mit ihm, und er fühlt sich wohl mit ihr. Inspirierend wirkt sie allerdings nicht auf ihn und auch sonst scheint sie der impulsiven und kreativen Peyton in nichts ähnlich zu sein. Vielleicht ist der Eindruck dadurch verstärkt, dass Lucas mit Lindsey in Karens Haus wohnt, aber mir erscheint die Beziehung der beiden wie eine Übersetzung der Beziehung zwischen Lucas und Karen in eine romantische Version. Es ist eine vernünftige, erwachsene Beziehung, aber ihr fehlt der Kick. Lindsey ist einfach zu nett, zu patent und letztlich zu farblos. Erst als sie Lucas damit konfrontiert, dass sie ihn auf unbestimmte Zeit verlassen will, sieht er das Kartenhaus zusammenbrechen, das er sich mit ihr aufgebaut hat. Er will um jeden Preis verhindern, dass ihm das gleiche wie damals mit Peyton nochmal passiert, daher ergreift er den letztmöglichen Strohhalm und macht ihr den Heiratsantrag. Für mein Empfinden hat er einfach nur Angst, das stabile Leben, das Lindsey ihm bietet, wieder gegen ein Leben mit der Frau einzutauschen, die ihn damals so verletzt bzw. von der er sich zurückgewiesen gefühlt hat.

...and it stayed empty until last night when you kissed me. And my entire universe snapped back into focus.

Peytons Szenen gingen mir in dieser Episode ganz, ganz nahe. Dass ich Hilaries Sprechen mit tränenerstickter Stimme ganz besonders liebe, wiederhole ich ja sehr gerne, und diese Folge bot ihr in vollem Ausmaß Gelegenheit dazu, denn sie konnte sie in jedem ihrer Dialoge einsetzen. Allerdings drückt der Unterton in ihrer Stimme dabei genau das aus, was sich in dieser Folge an Entwicklung in ihrem Charakter abspielt. Zu Anfang befindet sie sich in einem Meer aus Tränen und Hoffnungslosigkeit, weil sie glaubt, Lucas verloren zu haben. Dann kommt eine Phase des Unverständnisses, in der sie sich einfach weigert zu glauben, dass sich Lucas' Gefühle derart verändert haben sollen. Aus diesem Trotz schöpft sie Mut und versucht an ihn zu appellieren, sich an die Liebe zu erinnern, die sie verbunden hat. Danach begibt sie sich bewusst in den Prozess des Loslassens und genau hier zeigt sich Peytons wahre charakterliche Stärke. Ihre Gefühle für Lucas sind nicht egoistischer Natur, so dass sie ihn gehen lässt.

I was reminded today in a roundabout way that the most perfect act of love is sacrifice. It's what Keith did for Karen; burying his feelings for her for all those years so he could be a good friend.

Als Peyton Lucas in der Turnhalle sagt, dass sie ihn liebt, aber sich ein Beispiel an Keith nehmen will, der seine Liebe zu Karen lange Jahre der Freundschaft wegen geopfert hat, habe ich mit ihr geweint. Wenn Schauspieler es schaffen, dass man sich selber in der Situation sieht, die sie darstellen, ob man sie selbst schonmal persönlich erlebt hat oder nicht, dann stellen sie großes Talent und Einfühlungsvermögen unter Beweis. Hilarie hat fraglos Talent für solche Szenen.

The love you professed will always be there, the spark of something undeniable, a seed of hope, the truth for better or for worse burning fiercely just below the surface. Love Peyton.

Endlich, Peyton zeichnet wieder. Das in den Sand gemalte Herz, das droht, von den Wellen weggewischt zu werden, trifft die Sache, wie all ihre Zeichnungen, auf den Punkt. Das Herz ist auf dem letzten Bild nicht völlig weggewischt. Sie hat ihre Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ihr eigentliches Ziel mit dieser Aktion, Lucas freizugeben, ist meiner Meinung nach allerdings nicht, dass sie ihn endgültig aufgeben will. Keith hat Karen schließlich auch niemals aufgegeben, er hat bloß gewusst, dass um Liebe zu kämpfen auch heißen kann: "If you love something, let it free. If it comes back, it's yours. If it doesn't, it never was." Ich denke, dies ist nun auch Peytons Art, um Lucas zu kämpfen.

But we both know Lucas has a history of throwing himself into the wrong relationship, especially when he can't admit the truth about who he loves.

Rückblickend kann ich mich kaum entscheiden, welche Szene in dieser Episode die schönste war, aber die Szene, in der Brooke ihre Freundin tröstet, gehört definitiv ganz mit nach oben an die Spitze! Schon allein von der Ästhetik des Bildes, wie Brooke und Peyton in Nahaufnahme vor dem Kaminfeuer sitzen und sich so viele Gefühle auf ihren Gesichtern widerspiegeln, da haben alle Beteiligten großartige Arbeit geleistet.

Brooke hat selber so viele Tränen vergossen, als sie sich zwischen Peyton und Lucas befand und von beiden hintergangen wurde. Lange Zeit dachten sowohl Brooke, als auch die Zuschauer, dass sie und Lucas als Paar bestehen würden. Dass Brooke nun so reflektiert über ihre Vergangenheit mit Lucas sprechen kann, klarstellen kann, dass Lucas sich oft in die falschen Beziehung gestürzt hat, wobei sie die eigene sicherlich mit einbezieht, zeugt von wahrer Größe. Ich frage mich nur, ob sie wirklich soviel Distanz zu ihrer Vergangenheit aufgebaut hat oder ob sie hier einfach voll und ganz für ihre Freundin da sein wollte.

Randnotizen

Ich habe den Eindruck, in dieser Staffel wird der Fokus recht stark auf Lucas und Peyton gelegt, daher landen auch in dieser Review die anderen Handlungsstränge beinahe unter den Randnotizen. Besonders von Haley haben wir noch nicht viel gesehen. In dieser Folge erschien sie mir erstaunlich selbstgerecht. Sie weist Lucas und Peyton auf eine Art und Weise zurecht, die ihr eigentlich nicht zusteht. Selbstverständlich hat Lucas mit diesem Kuss Lindsey hintergangen, aber als Freundin hätte Haley sich zumindest beide Seite anhören müssen, bevor sie sich derart einmischt.

Nathan verhält sich den Flirtattacken Carries gegenüber seltsam geduldig. Er sagt ihr zwar, sie soll damit aufhören, aber das kommt bei seinem sonstigen Verhalten nicht sehr überzeugend rüber. Er lässt sich von ihr küssen, reagiert nicht sonderlich engagiert, als Jamie Carrie versehentlich Mama nennt, sagt Haley nicht, was sich in ihrer Abwesenheit abspielt und – was eigentlich das Erstaunlichste ist - er wirft Carrie nicht in hohem Bogen raus. Woran liegt es, ist er einfach schwach, fühlt er sich geschmeichelt, weil er wieder bewundert und begehrt wird? Die Storyline verheißt jedenfalls nicht viel Gutes. Mir wäre lieber, man würde sich mehr darauf konzentrieren, gute Brüder-Szenen zu schreiben. Lucas könnte einen guten Rat von seinem Bruder im Moment dringend gebrauchen! Ich würde auch gerne mehr Vater-Sohn-Szenen sehen. Zwischen Nathan und Jamie oder auch Nathan und Dan.

Ein wirklicher Lichtblick ist die Entwicklung zwischen Mouth und Millicent. Das Verhältnis, das Mouth zu seiner Chefin hatte, passte zu ihm, wie die Faust aufs Auge. Fürchterlich! Millicent gegenüber hat er endlich die Möglichkeit, seinen wahren Charakter, sein gutes Herz, Charme und Humor wieder ans Licht zu lassen: "I would totally date you if you were sleeping with Brooke."

Fazit

Paul Johansson zeigt sich nach #5.02 nunmehr auch für meine zweite bisherige Lieblingsfolge dieser Staffel als Regisseur verantwortlich, und wenn er auch nur noch wenig als Dan Scott für Drama und Aufregung unter den Charakteren sorgen kann, so hat er auch ein Händchen dafür, aus seinen jungen Schauspielkollegen große Emotionen herauszuholen. Sicherlich glückt ihm dies nicht zuletzt deshalb so gut, da er die Entwicklung der Darsteller in ihren Rollen von Anfang an auf beiden Seiten der Kamera miterlebt hat.

Nicole Oebel - myFanbase

Die Serie "One Tree Hill" ansehen:


Vorherige Review:
#5.05 Die Erinnerung stirbt nie
Alle ReviewsNächste Review:
#5.10 Die Vergangenheit ist schneller

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "One Tree Hill" über die Folge #5.08 Ich will, Ich will, Ich will diskutieren.