Review: #8.04 Wer fängt mich auf?
Zurück zu den Wurzeln, das hat Mark Schwahn vor der achten Staffel verkündet. Und zu dieser Prämisse gehört für ihn auch, die Identifikation der Zuschauer mit den Protagonisten wieder etwas zu erleichtern. Zugegeben, Modedesignerin, NBA-Star und Sängerin sind nicht gerade die Max Mustermanns dieser Welt, aber trotzdem war es für mich nie ein Problem mich mit Brooke, Nathan oder Haley zu identifizieren, dafür hat man bei allen zu lange diese Träume verfolgt und miterlebt. Die Storylines waren, selbst wenn sie berufsbezogen waren, immer persönlich genug, dass es ein Leichtes war, ihre Ängste und Sorgen nachzuvollziehen. Kurz gesagt: Mark Schwahn hat es eigentlich hervorragend geschafft, seine Charaktere auch als Promis und Stars immer menschlich zu schreiben. Aber nun soll die Abkehr von Prominenz und Reichtum kommen und vor allem für Brooke wird der Titel der Folge symptomatisch.
How can I step foot in my store, in our offices, knowing that I kept them by deceiving people?
Schon nach der letzten Folge war eigentlich klar, dass die Story rund um Brooke und "Clothes over Bro's" keineswegs mit Victorias Inhaftierung endet, aber dass sie derartig radikal weitererzählt wird, war für mich dann doch etwas überraschend. Zu allererst habe ich mich aber tierisch gefreut, Victoria so schnell wieder zu sehen, vor allem deshalb, weil ihr Auftritt einfach unglaublich genial und witzig war. Victoria ist nun mal, wie sie ist: sie macht einfach aus jeder Situation das Beste, engagiert mal eben eine ihrer Mitinsassinnen als Assistentin und beschwert sich, ganz Geschäftsfrau aus der Modewelt, erst mal wegen der orangefarbenen Anzüge, die alle Häftlinge tragen müssen.
Obwohl Brooke die ganze Angelegenheit nicht mal ansatzweise so locker wie ihre Mutter sieht, ist die Situation zunächst zwar skurril, aber doch eher locker und witzig, bis der Ton deutlich ins Ernste kippt und sich die ganze Story zuspitzt, als Brooke plötzlich von einem ihrer Investoren konfrontiert wird. Erst dadurch wird Brooke richtig bewusst, dass mit der Inhaftierung ihrer Mutter eben nicht alle Probleme aus der Welt geschafft wurden, sondern dass sie nur deshalb ihre Firma behalten kann, weil ihre Investoren kein Geld mehr zurück bekommen. Brookes Wut ändert sich bald in Verzweiflung, als ihr das Ausmaß des Betrugs bewusst wird und sie sich entschließt, lieber ihre Firma zu verkaufen, als mit dem Wissen leben zu müssen, dass "Clothes over Bro's" nur deshalb gerettet werden konnte, weil sie ihre Investoren betrogen hat.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob es für die Story wirklich notwendig ist, dass Brooke auch noch ihr Privatvermögen komplett veräußert, aber ich lasse mich sehr gern überraschen, da es die beste Storyline für Brooke seit der sechsten Staffel ist. Die Probleme zwischen ihr und Julian in der siebten Staffel waren toll für die Entwicklung von Julian, aber Brookes Image hat doch ziemlich darunter gelitten, weil ihre ständige Jammermiene aufgrund ihrer hauptsächlich selbstgemachten Probleme (mit Ausnahme der Erkenntnis, dass sie keine Kinder bekommen kann) irgendwann nur noch nervte. Deshalb bin ich sehr froh, dass Brookes Verzweiflung diesmal absolut nachvollziehbar und gerechtfertigt ist und ihre Entscheidung, die Firma zu verkaufen, so sehr ihrem Charakter entspricht. Die achte Staffel tut der Figur bis jetzt extrem gut und es bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung weiterhin so steil nach oben zeigt.
I have this voice in my head that keeps saying: walk away from the game while you can still walk away from the game.
Es war absehbar, dass Nathan aus irgendeinem Grund die NBA verlassen wird und eigentlich dachte ich, dass man dafür die Nierenspende an Clay heranziehen würde. Stattdessen haben wir wie bei Brooke auch bei Nathan die absolut selbstständige und bewusste Entscheidung, einen wichtigen Teil seines Lebens plötzlich aufzugeben. Es ist schon etwas radikal von den Autoren, gleich in einer Folge bei beiden Tabula rasa zu machen, auch wenn man sagen muss, dass es bei Nathan besser vorbereitet wurde, als bei Brooke. Und das fing nicht erst in der letzten Folge an, als Nathan Haley erzählt, dass sein Rücken sich verschlechtert, sondern schon in #8.01 Asleep At Heaven's Gate, als Nathan immer wieder betont, dass er lieber bei seiner Familie bleiben will, als ins Trainingscamp zu gehen.
Das Foreshadowing war also von Beginn der achten Staffel an vorhanden, aber ganz deutlich wurde es selbstverständlich am Anfang der Folge, als Nathan ganz bewusst den Basketball auf den Boden legt und vom Platz läuft – weg vom Ball und weg vom Spiel. Großartige Idee übrigens, diese Szene von Julian mit der Kamera festhalten zu lassen! Ich hoffe wirklich inständig, dass daraus irgendetwas gemacht wird und die Filmdatei nicht nur auf Julians Laptop versauert. Mehr Szenen zwischen Nathan und Julian wären sowieso toll, darauf habe ich ja seit #7.08 (I Just) Died in Your Arms Tonight vergeblich gehofft. Die Szene im Tric war immerhin ein Anfang, auch wenn sie aufgrund von Nathans plötzlichem Entschluss leider sehr abrupt abgebrochen wurde. Trotzdem wurde seine Entscheidung durch das Gespräch mit Julian noch nachvollziehbarer, vor allem nachdem durch seinen vorherigen Besuch im Strandhaus noch einmal klar gemacht wurde, dass ihm der Anschlag auf Quinn und Clay verdeutlicht hat, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als seine Karriere. Die Szene hat mir also insgesamt wirklich gut gefallen – bis auf die Tatsache, dass Nathan nicht wissen soll, dass Jamie Baseball mag! Auch wenn Nathan ein Jahr lang in der NBA gespielt hat und längere Zeit unterwegs war, die beiden haben in der Off-Season (sprich in der siebten Staffel) zu viel Zeit miteinander verbracht, als dass dieser Satz von Nathan glaubwürdig wäre.
Das Gespräch mit Haley war anschließend allerdings ein toller Abschluss für die Storyline, weil darin nicht nur der eine Grund für Nathans Rücktritt aus der NBA, nämlich die Konzentration auf seinen Sohn und seine schwangere Frau angesprochen wurde, sondern auch ganz explizit die bewusste Abkehr vom Spiel, nachdem er seinen Traum verwirklicht und gelebt hat. Eine fast schon philosophische Entscheidung, die allerdings für mich sehr gut zu der Entwicklung von Nathan in den letzten zwei Staffeln passt und den Unterschied zu Dan wieder einmal deutlich macht, auch wenn dieser nun leider schon länger nicht mehr zu sehen war. Aber wer weiß, vielleicht bringt ihn ja die Nachricht vom Karriereende seines Sohnes dazu, sich mal wieder in Tree Hill blicken zu lassen…
It only takes one person. At one point you’re gonna pick up that phone and the person on the other end is really gonna need you.
Haley macht also ihre Überlegungen aus dem letzten Voice Over wahr: sie will Menschen helfen, die wie sie eine Depression oder Krise durchleben und hat sich entschlossen bei einer Beratungshotline zu arbeiten. Natürlich ist das der perfekte Aufhänger für einige witzige, verrückte und perverse Anrufe, allerdings hätte ich es besser gefunden, wenn man dafür vielleicht nur eine Collage mit Anrufen und nicht mehrere Szenen daraus gemacht hätte. Dass am Schluss dann doch noch der eine ernstgemeinte Anruf kommt, der Haley darin bestätigt, diesen Job weiter zu machen, war klar, aber mir gefällt die Story trotz aller Vorhersehbarkeit, ganz einfach weil es so gut zu Haley passt, die immer der Kummerkasten für alle war bzw. ist.
Daran schließt sich auch die einzige Kritik an, die ich an der Storyline habe: wieso lässt man am Ende jemand völlig Fremdes anrufen, wenn Brooke und Nathan so offensichtlich einiges haben, worüber sie mit jemandem reden müssten? Ich hätte es toll gefunden, wenn einer der beiden bei ihr angerufen hätte, natürlich in dem Wissen, dass Haley dort arbeitet. Denn es war zwar schön, dass sie in den Problemen der Anruferin ihre eigenen wieder erkannt hat, aber mir hat irgendwie der tiefere Sinn dahinter gefehlt.
Und wo wir schon bei Sinn sind – wieso lässt man Haley im Voice Over sagen, dass niemand alleine ist, nur um dann Brooke, Julian und vor allem Nathan alleine zu zeigen? Ich habe bis der Bildschirm schwarz wurde darauf gewartet, dass irgendjemand in der Türe hinter Nathan auftaucht und ihm hilft, die Spuren von Katies Angriff auf Clay und Quinn zu beseitigen, aber nein! Weder Haley, noch Julian, was auch eine sehr schöne Möglichkeit gewesen wäre, nachdem die beiden in der Bar noch darüber gesprochen haben.
A propos Julian: die Szene zwischen Haley und ihm hat mir auch unglaublich gut gefallen! Die beiden haben wirklich eine tolle Chemie und ich hoffe, dass diese Verknüpfung der Lager Brooke/Julian und Nathan/Haley/Quinn/Clay weiter so toll vorangetrieben wird. Denn irgendwie fällt erst angesichts dieser Szenen von Haley und Nathan mit Julian auf, wie wenig diese drei in der siebten Staffel miteinander zu tun hatten.
We made it, Quinn!
Ich habe wirklich überlegt, ob ich überhaupt einen eigenen Abschnitt für Quinn und Clay in dieser Review schreibe, denn eine relevante Handlung hat es bei den beiden nun wirklich nicht gegeben. Quinn wurde entlassen, Clay liegt noch im Krankenhaus, ist aber auf dem Weg der Besserung – und das wars eigentlich auch schon. Aber es gibt zwei schöne Szenen, die nicht so recht in die anderen Abschnitte passen und deshalb gibt es nun doch einen Clay/Quinn-Teil.
Da wäre einerseits der Moment zwischen Quinn und Haley kurz vor der Entlassung, als Haley von der Situation so ergriffen ist und Quinn erklärt, dass sie für diesen Augenblick gebetet hat. Ich fand es gut, dass der noch nicht lange zurückliegende Tod ihrer Mutter in genau diesem Krankenhaus noch mal angesprochen wurde, verbunden mit der Erleichterung, dass Haley nach der Trauer um ihre Mutter nicht auch noch ihre Schwester verliert. Die Szene war von beiden toll gespielt – nicht übertrieben, sondern unaufdringlich und authentisch und dadurch sehr emotional.
Genauso lässt sich auch die Szene charakterisieren, als Clay sich bei Nathan dafür bedankt, dass er bereit war, ihm eine Niere zu spenden. Daran hat mir in erster Linie gefallen, dass Clay das eben nicht aus seiner Koma-Zwischenwelt noch weiß, als er das Gespräch zwischen Haley und Nathan mitverfolgt hat, sondern dass explizit erwähnt wird, dass Quinn es ihm erzählt hat. Und außerdem ist erwähnenswert, dass Nathan Clay nichts von seinem Rücken erzählt. Er sagt ihm zwar, dass es keine schwere Entscheidung war und das ist insofern logisch, dass das Leben seines Freundes selbstverständlich wichtiger ist als seine Basketballkarriere. Andererseits hätte er aber auch gleich hinzufügen können, dass das drohende Karriereende bei einer Nierenspende für ihn nicht so schockierend war, weil das Ende seiner NBA-Zeit sowieso absehbar ist. Klar kann es sein, dass er Clay nur schonen wollte, aber die Notwendigkeit verstehe ich trotzdem nicht ganz. Naja, solange daraus eine weitere tolle Clay/Nathan-Szene gemacht wird, soll es mir recht sein.
Und bevor ich jetzt von Clay/Quinn-Fans gesteinigt werde, weil ich in einem Abschnitt über die beiden keine gemeinsame Szene erwähne: ja, die beiden hatten auch schöne Momente, nur waren die leider ziemlich belanglos. Denn dass sie glücklich darüber sind, dass sie beide überlebt haben, ist eigentlich ziemlich selbsterklärend, dafür brauche ich keine drei Szenen. Aber vielleicht wird ihre Story ja wieder interessanter, wenn auch Clay aus dem Krankenhaus entlassen wird und beide wieder ins Strandhaus zurückkehren. So ganz ohne Trauma werden sie die Schießerei ja vermutlich nicht verarbeiten, vor allem da wir immer noch nicht wissen, wo Katie eigentlich steckt.
Did you ever play "truth or dare" golf?
In der letzten Folge ist das Triangle gar nicht erst aufgetaucht – und in dieser Folge auf nur noch zwei Beteiligte zusammengeschrumpft! Nicht, dass ich darüber auch nur im Geringsten enttäuscht wäre, aber ich finde es immer noch etwas ungewöhnlich, wie diese ganze Storyline aufgezogen wird. Im Auftakt der achten Staffel wurde noch einmal schön das Bad-Timing-SMS-Drama aus dem Finale der siebten aufgerollt, nur damit sich alles extrem undramatisch in zwei Folgen in Wohlgefallen auflöst? So ganz traue ich dem Frieden ja nicht, aber gut, lassen wir uns mal darauf an, dass die etwas seltsame Beziehung zwischen Alex und Chase (sie nennen sich zwar boyfriend und girlfriend, aber küssen sich nicht??) in den Vordergrund gerückt und vertieft wird.
Die beiden haben also ein Golfplatz-Date und ich muss sagen, die ersten paar Szenen kommen definitiv in die Schublade Lückenfüller an der Grenze zur Screentime-Verschwendung. Im Laufe der Folge wurde es allerdings besser: nachdem die beiden ihr oberflächliches Flirt-Geplänkel größtenteils abgelegt haben, kamen doch zwei schöne und zumindest ansatzweise tiefgründige Momente dabei heraus. Vor allem die Szene, als sie über Chases Schulzeit sprechen, hat mir gut gefallen, weil hier doch klar wurde, dass Alex sich wirklich Gedanken über ihn gemacht hat und ihn schon ziemlich gut einschätzen kann. Bei Alex’ Geständnis, dass sie noch nie verliebt war, ist allerdings schon wieder ein kleiner Wermutstropfen dabei, ich habe nämlich einfach noch zu genau im Ohr, wie sie in #7.15Don't You Forget About Me zu Alexander sagt, dass Brooke noch immer in Julian verliebt ist und hinzufügt: "And I know, because so do I".
Und ähnlich ist es auch mit der Schlussszene: ich fand es so toll, als Alex zu Chase sagt, dass sie ihn nicht mit zu sich aufs Zimmer nimmt, weil sie ihn wirklich mag. Gerade bei Alex, für die Sex in der Vergangenheit nichts mit Liebe oder Zuneigung zu tun hatte, sondern eher Zeitvertreib war (siehe Clay, Alexander und Josh), hätte es viel mehr bedeutet, wenn sie es mit einem Mann, für den sie wirklich Gefühle hat, langsam angehen lässt – und dann zieht sie Chase doch mit in ihr Zimmer! Schade, dass man dieses Potential, der Beziehung der beiden etwas Besonderes zu verleihen, so weggeworfen hat. Denn es wäre wirklich ein sehr guter und versöhnlicher Schluss gewesen, wenn Chase am Ende tatsächlich gegangen wäre.
Fazit
Zum Großteil habe ich an der Folge nichts auszusetzen: die Storylines entwickeln sich interessant, es gab nichts was mich wirklich genervt hat und stattdessen ein paar richtig tolle Szenen. Aber am Ende bleibt trotzdem ein etwas unzufriedener Eindruck, weil es doch einige Unstimmigkeiten gab und das Potential mancher Momente einfach nicht richtig ausgenutzt wurde, gerade gegen Ende der Folge. Und wie ein schöner Schluss alles ziert, kann ein nicht wirklich gelungener Schluss leider auch die ganze Folge herunterziehen. Deshalb und wegen der nichtvorhanden bzw. teilweise unnötigen Handlung bei Quinn/Clay und Alex/Chase gibts zwei Punkte Abzug.
Lena Stadelmann - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: We All Fall DownErstausstrahlung (US): 05.10.2010
Erstausstrahlung (DE): 30.06.2015
Regie: Peter B. Kowalski
Drehbuch: William H. Brown
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