Bewertung

Review: #9.03 Unter Beobachtung

Foto: Bethany Joy Galeotti, One Tree Hill - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Bethany Joy Galeotti, One Tree Hill
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Nach zwei Folgen hatten mich die "One Tree Hill"-Autoren an den Punkt gebracht, an dem ich vorsichtig Hoffnung schöpfte, dass sich das Staffel 8-Fiasko nicht wiederholen wird und die letzten 13 Folgen der Serie qualitativ an vergangene Zeiten anknüpfen können. Doch der krönende Abschluss, die (laut den Darstellern) beste Staffel überhaupt, läuft mit #9.03 Love the Way You Lie auf Grund und steckt mitten im Niemandsland der Beliebigkeit fest.

I'm not a bad guy, maybe if you would stop blaming me for getting dumped, you'd see that.

Ich sollte wohl einfach mal lernen, keine Vorschusslorbeeren zu verteilen: kaum schreibe ich letzte Woche, dass es vermutlich nur noch Lobeshymnen auf Chris Keller geben wird, verliert er in dieser Folge jegliche Komplexität und bedient ein Klischee nach dem anderen. Die Autoren sollten schleunigst eine Storyline für ihn finden, denn dieses sinnlose In-den-Tag-hinein-leben ist nicht interessant für den Zuschauer – schon gar nicht, wenn es auf diese Art und Weise umgesetzt wird. Aus den gemeinsamen Szenen mit Haley ergab sich diesmal absolut nichts Bemerkenswertes – wie kommt Haley überhaupt auf die Idee, dass Chris kochen kann? Noch schlimmer war allerdings sein Praktikantinnen-Casting: mehr Sexismus und Macho-Gehabe geht schlichtweg nicht! Diese Seite von Chris, die in den ersten beiden Folgen der neunten Staffel durchaus auch schon vorhanden war, aber auf charmante Art und mit einem Augenzwinkern, wird dem Zuschauer nun mit dem Holzhammer serviert und das macht keinen Spaß.

Der Tiefpunkt ist erreicht, als Chris sich mit Chase in den Stripclub begibt, um Chase von seinem Liebeskummer abzulenken, nachdem Alex sich trotz des Liebesgesäusels der letzten Folgen auf Tour begibt und damit (zunächst?) komplett verschwindet. Dass man Chris und Chase zusammensteckt, ist in der Theorie durchaus eine gute Idee und sie haben auch keine schlechte Dynamik, aber ihre gemeinsamen Szenen in dieser Folge zünden einfach überhaupt nicht. Die Dialoge sind belang- und das Stripclub-Setting geschmacklos, es ist kein Witz vorhanden und die einzig relevante Äußerung ist, dass Alex Chase sowieso irgendwann verlassen hätte. Tut mir leid, aber da muss viel mehr Inhalt kommen, damit diese aufkeimende Freundschaft nicht schon von Beginn an zum qualitativen Scheitern verurteilt ist.

Marvin, you're fat! Fat, fat, fat!

Auch bei Millie und Mouth kann man die storytechnischen Rückschritte fast schon als dramatisch bezeichnen: alle guten Ansätze der Geschichte um Mouths Gewichtszunahme wurden systematisch vernichtet, angefangen mit Millie, deren Skrupel aus der letzten Folge von einem moralischen Tiefschlag abgelöst werden. Ihr Ausbruch gegenüber Mouth vor laufenden Kameras war komplett unmotiviert und als Reaktion auf Mouths mangelnde Selbstreflexion schlichtweg übertrieben. Natürlich musste sie ihre Skrupel überwinden, aber dafür gibt es doch wohl bessere Gründe als Mouths Aufregung darüber, dass die Reinigung seine Hemden eingehen lässt! Es passte einfach auch überhaupt nicht zu ihrer Sorge in der letzten und später dann auch in dieser Folge, dass sie ihn völlig zickig ankeift und als fett bezeichnet. Die Dysfunktionalität der Beziehung wurde viel zu abrupt in eine andere Richtung gelenkt, anstatt diese Emotionen anständig zu entwickeln – völliges Versagen der Autoren also.

Ebenso ärgerlich war aber auch die Nicht-Entwicklung von Mouth. Nach der letzten Folge hatte ich mir wirklich gewünscht, man würde in dieser Episode mehr darüber erfahren, wie es ihm mit der Gewichtszunahme geht, aber seine völlige Ignoranz gegenüber dem Offensichtlichen ist schlichtweg unglaubwürdig. Meine vorsichtig-positive Haltung gegenüber dieser Storyline ist nach den Geschehnissen in dieser Folge in große Skepsis umgeschlagen und ich kann momentan nicht sagen, dass mich das Gedöns um Mouth und Millie noch interessiert.

I saw you buying drugs, Clay!

Und das nächste Zweierpärchen reiht sich ein in die Parade der abstürzenden Handlungsstränge: woher kommt denn jetzt plötzlich Clays Tablettensucht?? Ich war während der Folge mehrmals versucht nachzuschauen, ob ich denn tatsächlich die richtige Episode sehe oder irgendetwas verpasst habe, weil einfach alles viel zu abrupt und ohne Build-up passiert. Diese Irritation fing schon in der letzten Folge an, als Clay seine Tabletten nicht in der Apotheke abholt – und ist jetzt umso größer nach der Offenbarung, dass Clay seine verschriebenen Medikamente nicht nimmt, deswegen Quinn anlügt und sich stattdessen illegal andere Medikamente verschafft. Da fällt einem eigentlich echt nur WTF ein und die Anzahl der Fragezeichen, die imaginär über meinem Kopf auftauchen, steigt ins Unermessliche…

Dass Quinn dann auch noch dem Vorschlag von Chris folgt und Clay nachspioniert, passt (ebenso wie bei Millie) nicht wirklich zu dem besorgten Verhalten der letzten Folge. In der ach so offenen Beziehung der beiden wäre es viel glaubwürdiger gewesen, wenn Quinn Clay ohne irgendwelche Fotobeweise mit seiner Lüge konfrontiert hätte. Aber gut, warum soll man sich darüber aufregen, wie die Storyline umgesetzt wird, wenn diese von Grund auf einfach nur bescheuert ist? Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt erfahren will, in welchem Zusammenhang Clays Schlafwandeln und seine Tablettensucht nun stehen und was mit der ganzen Geschichte überhaupt bezweckt werden soll. Nach dem kurzen Hoffnungsschimmer der letzten Episode ist es jedenfalls sehr schade, wie unbefriedigend fast alle Storylines gegen die Wand gefahren werden.

I did the crime. – Doesn't mean that you have to get hammered for it all the time.

Immerhin liefern die Urgesteine der Serie eine wenn auch nicht berauschende, so doch immerhin solide und zufriedenstellende Leistung ab, wie zum Beispiel Haley und Dan. Dass Dan im Diner auftaucht und Haley hilft, dort aufgrund seiner Vergangenheit verbal angegriffen und von Haley verteidigt wird, ist zwar nicht unbedingt innovativ, aber es wirkt. Die Chemie zwischen Bethany Joy Galeotti und Paul Johansson passt einfach, egal ob sie sich anfeinden oder Waffenruhe schließen. Es war für mich doch ein bisschen überraschend, wie schnell klar gemacht wird, dass Haley Dan trotz seiner Taten als Familienmitglied ansieht und dementsprechend beschützt. Noch verblüffender war die Nachhaltigkeit und Intensität, mit der sie Dan verteidigt hat und ich frage mich, ob hierbei ihr Gerechtigkeitssinn oder ihre Mutterliebe stärker war und sie hauptsächlich Jamie zuliebe das Schutzschild für dessen Großvater gespielt hat. Bittersüß war dann der Schluss: Haley bedankt sich bei Dan, sagt ihm sogar ausdrücklich, dass sie den Tag ohne ihn nicht überstanden hätte – und stellt jedoch sofort klar, dass diese friedliche Zusammenarbeit, dieses kleine Familienbusiness eine einmalige Angelegenheit war. Trotzdem kann man eindeutig sagen, dass dies wenigstens eine Storyline ist, bei der es eine tatsächliche Entwicklung gibt. Sehr langsam, sehr vorsichtig, aber doch stetig und das gefällt mir.

I showed up today thinking that you and I are gonna spend the day at the golf course. Just the two of us.

Ähnlich sieht es auch bei Brooke und Julian aus – naja, bleiben wir vorerst mal nur bei Brooke, denn Julian und seine Soundstage hatten bis auf die Schlusssekunden kaum Interessantes zu bieten. Brooke muss feststellen, dass ihr Vorhaben, sich ihrem Vater über die Zusammenarbeit im Modebusiness anzunähern, unter keinem guten Stern steht, da Ted scheinbar ganz klar zwischen privat und beruflich trennen kann. Und momentan interessiert ihn seine Tochter nur in beruflicher Hinsicht. Bitter für Brooke, die nun trotz all ihrer Errungenschaften und Erfolge, gerade was ihre persönliche Weiterentwicklung seit dem Beginn der Serie angeht, feststellen muss, dass sie sich in Gegenwart ihrer Eltern noch immer so fühlt, wie sie es in #4.13 Bilder von dir beschreibt: "not enough".

Aber Teds Plan geht auf, die Investoren springen auf die berühmte Jungdesignerin an und wollen Brookes neue Modelinie finanzieren. Damit verwirklichen sich eigentlich auch Brookes Pläne, einerseits ihre Karriere und andererseits die Beziehung zu ihrem Vater wieder anzukurbeln, aber sie scheint nach ihrem Gespräch mit Ted selbst zu begreifen, dass diese Verzahnung ihrer beiden Wünsche nicht unbedingt zum gewünschten Ergebnis führt. Dass Victoria sich nun verabschiedet hat, finde ich sehr schade und ich hoffe, dass ihre Abwesenheit nicht von langer Dauer ist. Brooke benötigt diesen Gegenpol, denn auch wenn zwischen ihr und Victoria nicht immer Sonnenschein herrscht, so ist ihr Verhältnis dem zwischen Vater und Tochter mehr als nur ein paar Evolutionssprünge voraus.

The day care called and said you never dropped Davis off…

Der Anblick von Julian, der alleine mitten in seiner Soundstage steht, wurde in dieser Folge absolut überstrapaziert, vor allem weil es für ihn scheinbar nichts zu tun gibt, als darauf zu warten, dass das Telefon klingelt. Die vermutlich als humorvoll angedachten Szenen, die zeigen, was Julian in seiner Langeweile so alles anstellt, konnten nicht zünden und der Besuch von Jamies Klasse war einfach völlig unnötig. Wie schon erwähnt war das einzig Erwähnenswerte, das eine interessante Wendung für die nächste Folge bedeuten könnte, der Schluss, als Julian feststellen muss, dass er vor lauter Aufregung über sein bevorstehendes Treffen mit den Produzenten seinen Sohn im Auto vergisst. Die Parallele zwischen den Storylines von Ted und Brooke sowie Julian und Davis, der manchmal nicht zu bewerkstelligende Spagat zwischen Beruf und Familie, ist nicht zu übersehen, genauso offensichtlich ist allerdings auch der eklatante Unterschied zwischen den beiden Vätern Ted und Julian und ich bin gespannt, welche Konsequenzen dieser Cliffhanger für die kommende Folge mit sich bringt.

Fazit

Es gab nur sehr wenig, das an dieser Folge nicht zu bemängeln war und es ist wirklich ärgerlich, wie willkürlich die Autoren mit ihren Figuren und Handlungssträngen umgehen. Die wirklich guten Ansätze der ersten beiden Episoden wurden im Keim erstickt und es ist für mich fraglich, mit welcher zündenden Idee der Hebel umgelegt werden könnte. Einzig die Storylines der relevanten Hauptcharaktere Haley, Brooke und (mit Abstrichen) Julian retten die Folge vor dem Totalausfall.

Lena Stadelmann - myFanbase

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