Torchwood - Review, Staffel 4: Miracle Day
Wie schaut eine Welt aus, in der niemand stirbt? Nicht schleichend, sondern von jetzt auf gleich. Genau damit beschäftigt sich die vierte Staffel der ehemalig britischen Erfolgsserie "Torchwood". Staffel 4 wird nun von STARZ produziert und ausgestrahlt, einem amerikanischen TV-Sender. Zum einen ist es natürlich positiv, dass das Spin-Off zu "Doctor Who" eine weitere Staffel bekommt, in der zumindest die Hauptdarsteller John Barrowman und Eve Myles noch einmal als Captain Jack Harkness und Gwen Cooper auftreten können, doch bemerkt man sehr schnell, dass der britische Einfluss nicht mehr so groß ist.
Die Serie verliert in dieser Staffel große Teile ihres britischen Humors, der sie zu einem Glanzstück machte. Doch durch den actionreichen amerikanischen Einfluss gewinnt sie auch Spannung, Geschwindigkeit und vor allem Sex. Natürlich ging man in den vorherigen Episoden nicht verklemmt mit dem Thema um, hat der charismatische Hauptcharakter doch eine unglaubliche Anziehung auf Frau und Mann. Jack wird jedoch sehr viel mehr auf diesen Charakterzug begrenzt und seine mitfühlende Art für seine Freunde wird leider kaum mehr ersichtlich. Er trauert noch immer über den Tod seines Geliebten Ianto in der vergangenen Staffel, doch er hilft sich mit Sex darüber hinweg. Das passt leider nicht so recht zu dem Bild, das über drei Staffeln aufgebaut wurde. Lediglich Gwen ist sich treu geblieben. Sie ist noch immer hin- und hergerissen zwischen der Welt als Mutter und Ehefrau, als Tochter und Familienmensch und der Welt als Torchwood-Agentin. Zwar hat sie die letzten Monate mit Rhys und ihrer kleinen Tochter, mit der sie am Ende der dritten Staffel schwanger war, sehr abgeschieden verbracht, zögert jedoch kaum, als Jack sie bittet, wieder bei Torchwood einzusteigen. Sie ist die gesamte Staffel über angetrieben von dem Wunsch ihren Vater zu retten, der einen massiven Herzinfarkt erlitten hat und eigentlich tot wäre, wenn Miracle Day nicht gekommen wäre.
Damit bin ich auch schon bei der Storyline der Staffel. Eine Welt, in der niemand stirbt, egal wie geschunden sein Körper ist. Jack hingegen ist jetzt sterblich, verletzlich und kann an einer einfachen Blutvergiftung sterben. Ziel ist es, heraus zu finden, was Miracle Day ist und wie man ihn aufhalten kann. Denn schnell sammeln sich eigentlich tödlich verletzte Menschen in den Krankenhäusern, Infektionskrankheiten brechen aus, töten aber niemanden. Die Weltwirtschaft bricht langsam zusammen, Kriege brechen um Wasser und Vorräte aus. In all dem Chaos scheint eine Firma auf den Miracle Day vorbereitet zu sein: Phicorp hat tonnenweise Schmerzmittel in riesigen Lagerhäusern gebunkert und profitiert vom Leid der Menschen. Menschen werden nun in drei Kategorien eingeteilt. Kategorie zwei und drei sind lebensfähige Menschen, Kategorie eins, sind eigentlich tote Menschen. Sie werden in sogenannten Overflow Camps bei lebendigem Leib verbrannt.
Die Storyline ist groß und komplex. In jeder Episode wird ein weiteres Stück des Puzzles aufgedeckt und Torchwood beginnt die Teile zu einem Ganzen zusammen zu fügen. Es ist erstaunlich, wie lange auch der Zuschauer im Dunkeln tappt. So wird er, wie schon in der dritten Staffel "Children of Earth" in Jacks Vergangenheit geführt, in der ein Teil der Gegenwart ihren Ursprung hat. Im Grunde ist es schade, dass wieder einmal Jack im Mittelpunkt steht. Aber nur so existiert die Geschichte überhaupt, die steht und fällt mit der Unsterblichkeit Jacks und seinem ausufernden Lebensstil.
Die neuen Charaktere Oswald Danes, Esther und Rex sind erfrischend. Sie verkörpern mit ihrem Tun und Handeln die amerikanische Komponente und amerikanisieren die Serie sehr.
Oswald Danes wird von Bill Pullman dargestellt. Diesen hatte ich bis dato nie in einer negativen, überaus unsympathischen Rolle gesehen, doch ich muss sagen, er gefällt mir so überaus gut. Bill Pullman ist nicht mehr der junge Präsident mit den unerschütterlichen Idealen aus "Independence Day", sondern ein mordender Kinderschänder, der vor nichts zurückschreckt. Sein gesamtes Auftreten ist kühl und wirkt überaus berechnend. Dazu trägt seine Agentin, Jilly Kitzinger (Lauren Ambrose), noch bei. Ambrose hat es geschafft mit dieser Rolle eine Seite an ihr zu zeigen, die ich nie von ihr erwartet hätte - zielstrebig, berechnend und kalt.
Komme ich zu den CIA-Agenten Esther und Rex. Leider muss sich der Zuschauer schon nach nur zehn Episoden von Esther wieder verabschieden. Die Sterblichkeitsrate der Charaktere ist überaus hoch, dafür, dass in der Staffel eigentlich nur Jack sterben kann. Das ist sehr schade, denn Esther ist mir in den vergangenen Episoden besonders ans Herz gewachsen. Ich würde sie gerne als weibliche Ianto beschreiben, die erst mit der Zeit ihren Platz im Team findet. Und sobald dieser gefunden ist, scheidet sie aus dem Leben. Sehr schade. Rex hingegen hat für alle am Ende genau den Cliffhanger drauf, den man in einer amerikanischen Produktion erwartet: Er wird angeschossen, im Grunde erschossen, und steht wieder auf, wie Jack.
Insgesamt ist die vierte Staffel "Torchwood: Miracle Day" eine sehr actionreiche Season, die es schafft Spannung aufzubauen und neue Charaktere einzuführen. Dabei behält die Serie, trotz des Senderwechsels, die Vorgeschichte im Auge und verflicht sie mit der Storyline der neuen Staffel. Gerne hätte ich mehr von Rhys gesehen, doch gerade das macht "Torchwood" aus, es erzählt eine große Geschichte, anhand von kleinen Geschichten. Andeutungen der einzelnen Charaktere erzählen oft mehr, als eine voll gestaltete Szene. Ob der amerikanische Einfluss nun als durchweg negativ aufzufassen ist, muss jeder für sich entscheiden. Doch für mich hat die vierte Staffel einen Weg gefunden, die auf mich so wirkenden, negativen Einflüsse der amerikanischen Fernsehwelt, mit überaus positiven Einflüssen ebendieser Welt zu kombinieren. Zwar setzt "Torchwood" nun auf viel Action, hat aber noch immer im Auge, dass die Geschichte von den kleinen Geschichten lebt. Ob es Rhys ist, der seiner Schwiegermutter beisteht, oder Jack, der an seine Liebe für Ianto erinnert wird. Ob es Esther ist, die sich Sorgen um ihre Schwester und Nichten macht, oder Rex, der zusehen muss wie seine Freundin bei lebendigem Leib verbrannt wird. "Torchwood" ist noch immer "Torchwood", wenn auch nicht mehr ganz so britisch. Soll man STARZ glauben, wartet das Network darauf, dass Produzent und Serienmacher Russel T. Davies eine fünfte Staffel kreiert. Der Sender ist nicht abgeneigt eine weitere Season zu drehen, und ich bin nicht abgeneigt mich wieder auf die Welt von Jack Harkness und Torchwood einzulassen, Geschichten gibt es sicherlich noch genügend zu erzählen.
Jamie Lisa Hebisch - myFanbase
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