Abbott Elementary - Review Staffel 2
Nachdem "Abbott Elementary" mit der ersten Season wirklich außerordentlich erfolgreich bei den diversen Preisverleihungen abgeräumt hat, stellte sich natürlich eine große Herausforderung. Wie das Niveau von Staffel 1 halten und wie vielleicht sogar noch besser werden? Das ist wahrlich kein Selbstläufer, zumal die meisten Serien das Schicksal ereilt, dass die erste Staffel unerreicht bleibt und sich dann eher die Frage stellt, ab wann die Abnutzungserscheinungen auch für den Letzten sichtbar sind. Aber schon in meiner Review zu Staffel 1 habe ich prophezeit, dass die Serie da mit der Premiere aufgehört hat, wo es eigentlich erst richtig losging und dass Staffel 2 da nur riesig werden kann. Das hat sich definitiv bestätigt, weswegen ihr nachfolgend erfahrt, was "Abbott Elementary" noch einmal besser macht.
Ein durchgängiges Highlight in Staffel 1 war für mich, wie konsequent der Mockumentary-Stil umgesetzt worden ist, weil es nicht wie etwa bei "Modern Family" eingespielte Interviews auf dem Sofa sind, sondern weil durch Kameraführung oft angezeigt wird, das sehen wir alles durch die Linse eines Kamerateams, das seine Recherchen für eine Dokumentation betreibt. Das wird auch immer dann besonders augenscheinlich, wenn der vermeintliche Kameramann in sehr private Momente reinplatzt, um sich diese nicht entgehen zu lassen. Das ermöglicht natürlich, dass die Rollen darauf auch reagieren, manche wie Ava (Janelle James) eher selbstbewusst, manche wie Gregory (Tyler James Williams) eher unbeholfen. Unübertroffen bleiben aber die Interviewsequenzen direkt auf dem Flur, sie sind eine ganz eigene Kunstform in dieser Serie. Hier ist die Diskrepanz zum Begleiten im Alltag auch am größten. Denn die Interviews sind zum Inszenieren, der Rest ist Reagieren auf die Umstände. Es ist daher wirklich beeindruckend, wie es der Serie immer wieder gelingt, beide Seiten schauspielerisch so exquisit auf den Punkt zu bringen. Auch wenn der Wortwitz und der intelligente Humor auch weiterhin die Hauptgründe für "Abbott Elementary" sind, so habe ich selten eine Comedyserie erlebt, wo ich mich über die Gesichtsausdrücke genauso herrlich amüsieren kann. In dieser Staffel werde ich speziell nicht den Moment vergessen, wo Janine (Quinta Brunson) mit ihrer Schwester Ayesha (Ayo Edebiri) ein Videogespräch hat und alles immer kommentiert, aber so völlig an der Realität vorbei, dass Jacobs (Chris Perfetti) Gesichtsausdruck auch meiner hätte sein können. Während ich bei "Modern Family" irgendwann diesen Dokumentarstil auch gar nicht mehr auf einer realistischen Ebene hinterfragt habe, sondern es einfach als Stilmittel für mich abgehakt habe, bin ich bei "Abbott Elementary" aber sehr gespannt, ob das vielleicht irgendwann aufgebrochen wird oder ob zumindest dieser Umstand offensiver in der Serie eingebaut wird. Die Serie ist einfach so intelligent erzählt, dass ich Brunson und ihrem Team da etwas Großes zutrauen würde.
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Ein Kritikpunkt für die erste Staffelhälfte war, dass ich keine große thematische Abwechslung gesehen habe, weil es viel um die wirtschaftlichen Herausforderungen im Schulalltag ging. Das wurde im Verlauf von Staffel 1 immer besser und jetzt in Staffel 2 hatte ich in der Hinsicht gar keine kritischen Gedanken mehr. Ich finde sogar, dass "Abbott Elementary" noch einen weiteren wichtigen Schritt gegangen ist, indem man sich auch außerhalb des Schulgebäudes gewagt hat. Das hat unterstrichen, dass es eben nicht nur der Schulalltag ist, der die Hauptfiguren formt, sondern auch viele drum herum. So sind wir bei Melissa (Lisa Ann Walter) zuhause, damit Janine dort Kochen lernt. In dem Zuge lernen wir dann auch deren Schwester Kristen Marie (Lauren Weedman) kennen und können so clever tiefer in Melissas Familienleben eintauchen. Eine wichtige Episode ist dann natürlich auch die Weihnachtsepisode, wo der Teil rund um Janine, Gregory und Ava komplett im Nachtleben stattfindet. Man merkt einfach, dass die Produktion gemerkt hat, sich mehr aus der Komfortzone zu wagen, wird sich auf lange Sicht lohnen, auch weil ich über die Gesamtbetrachtung der ersten Staffel hinweg festgestellt habe, dass eben die Erkenntnisse aus diesen Episoden immer wieder wichtig wurden. All das fördert aber den Eindruck, dass jede neue Episode von "Abbott Elementary" ein Kunstwerk für sich und dass keinesfalls schon Abnutzungserscheinungen zu erkennen ist.
© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen; ABC/Gilles Mingasson
Der Kern der Geschichte bleibt aber der Schulalltag und da sind es eben nicht immer nur die finanziellen Engpässe, die die Handlungen prägen. Es ist unterschwellig immer dominierend, denn sonst wäre auch die Dokumentation über eine der ärmsten Schulen im Land unsinnig. Doch es gibt eben genug Mittel und Wege, das in neue Aspekte einzubinden. Das lässt sich beispielsweise gut am Beispiel Melissa aufzeigen, die eben aufgrund der Situation der Schule die zweite und dritte Klasse parallel unterrichten muss. Absurd, mag man sich da denken, aber dieses Spielchen wird tatsächlich die ganze Staffel über durchgezogen und das fand ich auch wichtig, weil es eben aufgezeigt hat, dass Schüler und Lehrer gleichermaßen darunter leiden. Ebenso durchgängig ist eine Thematik um die Diskussion zwischen öffentlicher Schule und Charter-Schule. Zunächst bewusst als verschiedene Modelle gegeneinandergestellt, hängt dann in der zweiten Hälfte der Staffel die Bedrohung über der Abbott, selbst zu einer Charter-Schule umfunktioniert zu werden. An diesem Beispiel lässt sich auch gut darstellen, warum sich auch anhand des US-amerikanischen Schulsystems dennoch Parallelen zu anderen Ländern ziehen lassen. In Deutschland ist es eben analog oft die Entscheidung zwischen konfessionellen und öffentlichen Schulen und auch Privatschulen bzw. Internaten. Neben diesen sehr an den Schulalltag gebundenen Themen haben wir aber auch andere sozialkritische Aspekte wie beispielsweise die Kritik an Jacob, der als weißer Mann schwarze Geschichte unterrichtet. Oder auch der Preis an Gregory als vermeintlich bester Lehrer, den er wegen seiner Hautfarbe bekommt, ebenso wie Melissa wegen ihrer italienischen Wurzeln als Laudatorin gewonnen wird. Das findet sich alles zuhauf und verstärkt den gesunden Mix an inhaltlichen Eindrücken.
Am wichtigsten für die zweite Staffel von "Abbott Elementary" ist aber, dass die weitere Ausarbeitung der Charaktere im Zentrum steht. Einziger Schwachpunkt ist an dieser Stelle für mich, dass sich die Beförderung von William Stanford Davis als Mr. Johnson noch nicht so recht ausgezahlt hat. Und es war auch nicht unbedingt die Staffel von Ava, wobei das jetzt sehr subjektiv ist, aber sie ist als Figur in Staffel 1 deutlich hervorgestochen, vielleicht habe ich mich auch einfach nur zu schnell an sie gewöhnt. Ansonsten wurde aber fantastische Arbeit geleistet und da würde ich auch ungerne irgendjemanden hervorheben. Janine ist natürlich am meisten im Zentrum und ja, es gibt genug anstrengende Momente mit ihr, aber gleichzeitig ist sie als Person auch die, die die Serie am meisten braucht. Gerade wegen ihrem Bedürfnis, von allen gemocht zu werden und weil die Lehrerschaft im Großen ihre sozialen Kontakte ausmacht, ist sie das Bindeglied zwischen ihnen allen und sie hat auch immer wieder neue Ideen, die irgendetwas auslösen. Sowohl mit Barbara (Sheryl Lee Ralph) als Ersatzmutter aber auch mit Gregory als potenziellem Mann fürs Leben wurde einiges intensiviert. Ich finde es auch gut, dass speziell das zwischen Janine und Gregory entscheidende Schritte gemacht hat, denn ein ewiges Hinauszögern hätte vielleicht allem danach den Zauber genommen. So war es aber schon lustig, wie der Clubabend im Podcast der Schule zum Thema wird, wie sie dann nach dem Kuss miteinander umgehen und dann eben am Ende Gregorys Geständnis. Das beweist umgekehrt für ihn, wie weit er inzwischen gekommen ist. Nicht nur als Lehrer hat er neue Sphären erreicht, sondern auch als Mensch wird er immer mutiger. Mein Herz geht besonders dann auf, wenn sein Umgang mit Jacob nicht höflich, sondern wirklich aus dem Inneren kommend ist. Bei Janine und Gregory ist dann auch die schöne Parallele, dass auch ihre Elternbeziehungen etwas aufgearbeitet werden.
© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen; ABC/Gilles Mingasson
Ein unschlagbares Duo bleiben dann auch Melissa und Barbara. So unterschiedlich, aber doch aufgrund ihrer Erfahrungen eben die Veteraninnen, die die jungen Kollegen immer etwas ausbremsen, aber umgekehrt auch mitgerissen werden, weil sich am Ende des Tages immer alles erinnern, warum sie diesen Job eigentlich machen. Es ist immer ein Gewinn, wenn solche erfahrenen Schauspielerinnen wie Walter und Ralph zusammengepaart werden, weil sie sich gegenseitig antreiben, aber es ist auch schön, dass sie die Magie ihrer Figuren auch in jede andere Konstellation reinbringen. Jacob ist aber inzwischen wirklich derjenige, der mich immer wieder zum Lächeln bringt. Zwar ist er ähnlich wie Janine immer an der Grenze des Ertragbaren, aber es wäre auch nur die halbe Wahrheit. Wenn er nicht gerade etwas für sich selbst verarbeiten muss, dann ist er wirklich ein sehr, sehr guter Freund. Ich bin bei allen Figuren wirklich gespannt, wohin der Weg noch führen wird. Ich finde es jedenfalls sehr beruhigend, wenn ein Kaliber wie Ralph in Interviews immer wieder hervorhebt, dass sie die Drehbücher erst beim Table Read das erste Mal durchliest, weil sie ein solches Vertrauen in das Autorenteam hat. Das gibt auch Hoffnung, dass "Abbott Elementary" noch lange etwas Neues anbieten kann.
Fazit
"Abbott Elementary" hat sich wie erwartet mit seiner zweiten Staffel noch einmal verbessert. Schlüsselelemente dafür sind Ausflüge außerhalb des Schulgebäudes, aber auch eine breite Mischung an Themen. Zudem wird die Charakterarbeit fast überall löblich fortgeführt. Diese Serie wird man in dieser Form für jede weitere Award-Season auf dem Schirm haben dürfen.
Die Serie "Abbott Elementary" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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