Bosch - Review

Hätte mir vor zehn Jahren einer gesagt, dass ich mir mal eine Fernsehserie ansehen würde, die von Amazon produziert und ausgestrahlt wird ... ja, die Zeiten, in denen das Unternehmen mit A und Z im Namen nur ein Online-Versandhandel war, der uns Bücher und DVDs geliefert hat, sind lange vorbei. Amazon will neben anderen Geschäftsmodellen nun auch den traditionellen Fernsehsendern weltweit Konkurrenz machen. Ein solch unaufhaltsamer Fortschritt eines einzelnen Internetkonzerns ist uns allerdings schon längst nicht mehr fremd. Es gab schließlich auch mal Zeiten, in denen Google nur "irgendeine Suchmaschine" war.
Hieronymus "Harry" Bosch, der Protagonist der nach ihm benannten Amazon-Serie, kennt ironischerweise nicht einmal den Unterschied zwischen Google und Skype. Er verwendet auch noch Klapphandys und hört Schallplatten. Er ist ein Polizist der alten Schule, den einige seiner Kollegen für ein Auslaufmodell halten, das aus dem Verkehr gezogen gehört. Aber auch wenn Bosch oftmals noch nicht ganz im 21. Jahrhundert angekommen zu sein scheint, so übertrifft er doch jene, die ihn loswerden wollen, mehr als deutlich an Kompetenz, Integrität, Entschlossenheit und Mut. Die Serie "Bosch" handelt letzten Endes vom Kampf eines Mannes und einer Handvoll zuverlässiger Verbündeter gegen üble Verbrecher und miese Vorgesetzte.
Hieronymus Bosch
Es ist weder verwunderlich noch verwerflich, wenn so mancher deutsche Zuschauer bei dem Namen Bosch zunächst an den großen Hersteller von Haushaltsgeräten und Elektrowerkzeugen denkt. Der Held dieser Serie ist aber nicht etwa nach einer Bohrmaschine benannt, sondern nach dem niederländischen Renaissance-Maler Hieronymus Bosch, dessen Werke dafür bekannt sind, häufig dämonischen Figuren und Fabelwesen zu enthalten und schwer deutbar zu sein.
Detective Hieronymus "Harry" Bosch aus L.A. kennt die dämonischen Seiten der Stadt der Engel nur zu gut. Seine Mutter, eine Prostituierte, wurde ermordet als er 12 Jahre alt war, an der Aufklärung der Tat war die Polizei nicht sonderlich interessiert. Harry wuchs in staatlicher Obhut ohne familiäre Wärme auf. Wenn er heute aus seinem Panoramafenster schaut, hat er einen hervorragenden Blick auf die Stadt, die er gleichzeitig liebt und hasst. Diese umwerfende Aussicht kann er sich leisten, weil einst einer seiner Fälle verfilmt wurde und er daran ganz ordentlich verdient hat. Bosch kennt also auch die andere Seite von L.A., die man gemeinhin "Traumfabrik" nennt. Das ist es ja, was diese Stadt so außergewöhnlich macht. Hinter jedem mittellosen Kellner kann sich ein Schauspieler oder Drehbuchautor verbergen, der es nicht geschafft hat oder es fast geschafft hätte und abgestürzt ist. Hollywood ist in L.A. irgendwie allgegenwärtig und doch für viele nur ein Mythos. Das zeigt diese Serie sehr schön.
Bosch weiß ziemlich genau, was es bedeutet, berühmt zu sein. Der Zivilprozess, der gegen ihn läuft, weckt ebenso das Interesse der Medien wie der Fall des ermordeten Jungen, den er untersucht, und wie der Serienmörder, mit dem er sich ein Psychoduell liefert. Bosch weiß auch, was es heißt, bis aufs Blut zu kämpfen, schließlich hat er in zwei Kriegen gedient und seine Kindheit überlebt. Als Vater ist Bosch hingegen etwas unbeholfen und verunsichert, er bemüht sich aber, seiner Teenagertochter näher zu kommen.
Überzeugend gespielt von (Titus Welliver) trägt der Charakter Bosch die Serie und ist den Zuschauern sehr sympathisch. Wie könnte es auch anders sein bei seiner harten Schale mit weichem Kern, seiner tragischen Geschichte und seinem Einsatz für das Gute? Im Prinzip sind die Mittel, mit denen Bosch als Sympathieträger etabliert wird, natürlich recht simpel und altbekannt, mitunter sogar ein bisschen plump, wenn man Charaktere wie Captain Harvey Pounds und Staatsanwalt Richard O'Shea betrachtet, die Bosch gegenüberstehen. Pounds ist so etwas wie Boschs Erzfeind, mit einem höheren Rang aber viel weniger Befähigung. Pounds fällt vor allem durch ständige Beleidigungen und Sabotageakte gegen Bosch auf, die nichts anderes als massives Mobbing sind. Dagegen will Staatsanwalt Richard O'Shea unbedingt Bürgermeister werden und geht dafür über Leichen, trotz Boschs Warnungen. Er ist arrogant, borniert und feige. Mit zwei solchen Charakteren, die ihm als Klötze am Bein hängen, wünscht man Bosch jeden Erfolg nur noch mehr. Anders gesagt: es funktioniert, obwohl man es durchschaut.
Der einzige wirklich große Negativfaktor in Bezug auf den Charakter Bosch ist für mich seine Liaison mit Julia Basher, der Polizeianfängerin. Da ich die Bücher, auf denen die Serie basiert, nicht kenne, weiß ich nicht, wie das in der literarischen Vorlage umgesetzt wurde, aber es ist zumindest in der Serienversion von Beginn an mehr als offensichtlich, dass die Romanze keine gute Idee ist und sich Bosch damit wirklich keinen Gefallen tut. Julias ganze Einstellung zum Polizeidienst ist sehr bedenklich und lässt sie in vielen Momenten ziemlich unsympathisch wirken.
Die Stadt der Killer
Wie erwähnt habe ich die Romane nicht gelesen, was natürlich für die Spannung durchaus förderlich ist. Alles dreht sich um zwei Fälle, die miteinander kollidieren: der 20 Jahre zurückliegende Mord an dem zunächst unbekannten Jungen und die Taten und Tricks des Serienmörders Raynard Waits.
Je mehr wir über den Jungen erfahren, desto stärker kristallisieren sich mögliche Tatszenarien heraus, die anfangs zahlenmäßig etwa ein halbes Dutzend umfassen, bald aber immer weniger werden. Auf der Zielgeraden lässt man sich als Zuschauer nicht mehr auf die falsche Fährte führen und kann sich relativ sicher sein, was passiert ist. Das Ende des gesamten Falls ist zwar dramatisch, aber dann keine wirkliche Überraschung mehr. Man kann hier also sicherlich nicht vom spektakulärsten Fall der Kriminalgeschichte sprechen, aber man wird über die Dauer der zehn Folgen ganz gut an die Auflösung herangeführt. Wer bei Kriminalstorys gerne bis zur allerletzten Minute im Dunkeln tappt und noch einen nervenaufreibenden Twist erleben möchte, könnte freilich etwas enttäuscht sein.
Der Serienkiller Raynard Waits tut die gesamte Staffel über das, was Serienkiller nun einmal am besten können: ein psychopathischer Mistkerl sein. Mit einem Hauch von Jack the Ripper und Norman Bates versetzt er die Zuschauer durchaus in eine gewisse Anspannung, aber letztlich nicht auf bahnbrechende Weise. Er bietet nichts wirklich Neues oder sonderlich Schockierendes, das längere Zeit im Gedächtnis bleibt. In die Top5 der unheimlichsten und originellsten TV-Serienkiller wird er wohl nie gewählt werden.
Fazit
"Bosch" ist solides Krimi-Entertainment mit einem sympathischen Titelcharakter, der die Serie trägt, ausreichend interessanten Storyelementen und Los Angeles als faszinierender Kulisse. Von nervenzerreißender Spannung oder starkem Suchtfaktor kann bei "Bosch" nicht die Rede sein, die 10 Episoden lassen sich aber gut hintereinander weg ansehen. Es gibt schlechtere Wege, sich die Zeit zu vertreiben.
Maret Hosemann - myFanbase
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