Clickbait - Review Miniserie

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Der Vorgang des Clickbaiting meint das Bemühen, Inhalte im Internet so reißerisch und dadurch vielversprechend anzupreisen, dass man als User*in nicht wiederstehen kann, diesen Inhalt auch tatsächlich anzuklicken. Für uns Serienjunkies ist dieser Vorgang nicht ganz unbekannt, wird doch in Serien sehr gerne auf sogenannte Cliffhanger gesetzt, wodurch die Handlung an der spannendsten Stelle abbricht, damit der oder die Zuschauer*in auch weiterhin einschaltet. Die Idee hinter Cliffhanger und Clickbaiting ist also vom Prinzip her gleich. Demnach kann ich hier auch gerne zugeben, dass ich auf beide Vorgänge schon zur Genüge reingefallen bin. Nun heißt die neue Miniserie von Netflix "Clickbait", ein Titel also, der neugierig macht. Denn wird die Serie ihrem Titel gerechnet und bietet mit dem dargestellten Inhalt das, wofür vorher Neugierde geschaffen wurde?

Die Serie "Clickbait" ansehen:

Foto: Adrian Grenier, Clickbait - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Adrian Grenier, Clickbait
© 2021 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix

Im Vorfeld einer Serie mache ich mir oft Gedanken, was mich wohl erwarten wird. Bei "Clickbait" war mir schnell klar, dass wir es sicherlich mit einem klassischen Fall von Clickbaiting zu tun haben werden, auf den eine kritische Perspektive geworfen wird. Ganz grob kommt diese Inhaltsvorstellung sicherlich auch hin, aber die Serie ist im Endeffekt doch ganz anders geworden. Wir haben Familienvater Nick Brewer (Adrian Grenier), der unfreiwillig Berühmtheit erlangt, weil von ihm ein Video im Internet auftaucht, auf dem er vermeintlich gesteht, Frauen missbraucht oder sogar getötet zu haben. Deswegen wird ausgerufen, dass er bei 5 Millionen Klicks sterben wird. Wenn das keinen Reiz auslöst, sich den Sachverhalt genauer anzusehen, dann weiß ich es auch nicht. Klassischer Fall von Clickbaiting eben. Doch von dieser Ausgangslage aus kommt kaum etwas von den Themen auf, die ich damit verbunden erwartet hätte. Gedanken wie die Gefahren von Internet, ist das wirklich echt, was ich sehe (Stichwort 'Deepfake') und was sagt das über die Menschheit aus, wenn wir nur zu gerne 'Gefällt mir' klicken, obwohl ein Menschenleben davon abhängt (siehe Stichwort 'Voyeure beim Leid anderer'), so etwas hätte ich mir in der Nachbetrachtung wirklich gut vorstellen können. Stattdessen gibt es solche kritischen Schnipsel nur über Nachrichtensendungen, die für wenige Sekunden im Hintergrund eingeblendet werden. Im Zentrum von "Clickbait" stehen eher die folgenden Fragen: Was ist mit Nick passiert? Wer ist Nick wirklich? Und später: Wer hat Nick umgebracht? Die Serie ist somit eher am menschlichen Drama interessiert als am Clickbaiting generell. Das ist auch überhaupt nicht schlimm, ist damit aber eher nicht die Serie, die ich im Vorfeld erwartet hatte.

Wer wäre ich auch, wenn mich menschliches Drama nicht interessieren würde? Denn ich schaue Produktionen generell gerne, um Menschen zu verstehen, mich in sie hineinzuversetzen, um dann mit ihnen leiden zu können, ob sie mir nun besonders ähnlich sind oder gar nicht, ist dann völlig egal. Das ist bei "Clickbait" gut möglich, auch wenn es wie üblich bei der einen Figur mehr der Fall ist als bei der anderen. Insgesamt ist die Figurenzeichnung aber überzeugend gelungen, denn ich finde, dass mit reduzierten, aber auf den Punkt gebrachten Mitteln ein klares Charakterporträt entstanden ist. In dem breiten Cast, in dem jeder seine Wichtigkeit über die Miniserie hinweg einnimmt, ist es auch nicht möglich, so tief einzutauchen wie bei einer Serie, die über mehrere Staffeln geht. Deswegen fand ich das in diesem reduzierten Rahmen gut gelöst. Mit der Stilistik, dass pro Episode der Fokus auf eine andere Figur gerichtet wird, habe ich mich schon in meiner Review zu "Kein Lebenszeichen" mit auseinandergesetzt. Während dort gezeigt wurde, wie es nicht geht, beweist "Clickbait", wie es deutlich, deutlich besser geht. Hier war es völlig logisch, warum immer neue Figuren wichtig wurden, weil sie dazu beigetragen haben, des Rätsels Lösung auf die Spur zu kommen, aber sie wurden nicht dafür genutzt, unnötige Nebenschauplätze aufzumachen. Stattdessen habe ich auch eher das Gefühl, dass im Rückblick als 'überflüssig' einzuordnende inhaltliche Aspekte auf jeden Fall dazu beigetragen haben, falsche Fährten zu legen. Denn das muss man der Serie auch lassen, dass sie es geschafft hat, viele Zwischenschritte zu verschleiern und gerade am Ende deswegen eine große Überraschung anbieten zu können.

Foto: Phoenix Raei & Zoe Kazan, Clickbait - Copyright: 2021 Netflix, Inc.; Ben King/Netflix
Phoenix Raei & Zoe Kazan, Clickbait
© 2021 Netflix, Inc.; Ben King/Netflix

Zu der Verschleierung innerhalb von "Clickbait" hat auch beigetragen, dass die Serie sehr viel mehr 'Verdächtige' bereit hält, als man zunächst gedacht hätte. Im Prinzip kann man sogar zum Ergebnis kommen, dass jede der Hauptfiguren eine dunkle Seite verbirgt. Vor dem Hintergrund, dass Schwarz-Weiß-Zeichnung bei Figuren ohnehin nicht interessant ist, ist das absolut löblich. Besonders gut kann man das sicherlich an der Ehefrau Sophie (Betty Gabriel) festmachen, die auf den ersten Blick eine klassische Heldin ist. Sie ist eine liebevolle Familienmutter, die von der Entführung ihres Mannes eiskalt erwischt wird. Man leidet mit ihr, bis herauskommt, dass sie eine Affäre hat. Es entsteht Skepsis nach dem Motto 'Könnte sie etwas damit zu tun haben?'. Dann wiederum kommen viel schlimmere Dinge über ihren Mann ans Tageslicht und sofort ist sie wieder die, der man unbedingt wünscht, dass die Geschichte noch gut für sie aufgeht. Sie ist die, die in ihrer Sorge um ihre Söhne Ethan (Camaron Engeles) und Kai (Jaylin Flechter) öfters um sich schlägt, aber wer könnte ihr das zum Vorwurf machen? Ihr gegenüber gibt es dann Figuren wie Emma Beesly (Jessica Collins), die Geliebte, die sofort sämtliche Alarmsignale schrillen lassen. Man ahnt, dass sie viel zu verbergen hat, aber in ihrer Episode klebt die Handlung an ihr und man fragt sich, wo ist nun aber das, was sie so sauber verbergen will? Letztlich zeigt sich, dass auch bei ihr nicht alles schwarz und weiß ist, aber dieses Gegenspiel aus den Figuren ist wirklich gut gelungen. Im Endeffekt kann man es sogar auf die Spitze treiben und sagen, der Einzige, dem man am Ende nichts vorwerfen kann, das ist ausgerechnet Nick, dessen Andenken bis dato mit Karacho im Dreck gelandet ist, aber er geht als eigentlicher Held der Geschichte hervor.

Die Serie ist sicherlich nicht perfekt erzählt. Es gibt kleinere logische Löcher im Fortgang der Handlung und unnötige Verzögerungstaktiken. Wenn Jugendliche und Pia (Zoe Kazan) als Schwester von Nick effektivere Ergebnisse erzielen als die involvierte Polizei, dann wirkt das doch etwas lächerlich. Zumal mit Roshan Amiri (Phoenix Raei) ein Polizist in den Fall involviert ist, der wirklich keinen Stein beim Umdrehen auslässt, weil er eine persönliche Beziehung zu Pia hegt und weil er den Fall als nächsten Schritt seiner Karriereleiter erachtet. Aber das sind kleinere Aspekte, die ich in der Nachbetrachtung nicht schwer gewichten würde. Für mich bleibt vor allem der Eindruck zurück, dass ich beim Sehen mehrfach meine Verdächtigungen gewechselt habe und dann völlig aus der Spur gebracht wurde, weil sich zwischendurch etwas ergeben hat, womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte. Die finale Auflösung letztlich, nein, die habe ich nicht kommen sehen. Ob an einer Stelle Hinweise gelegt worden sind? Ich glaube nicht. Ich glaube aber genauso wenig, dass die Serie diese Aufgabe hatte, denn es ging ja gerade darum, dass man wie kleine Blitzmomente in die Leben der Figuren reinblickt und nicht schon alles vorab verraten bekommt. Deswegen war die Grundprämisse von "Clickbait" eher, dass die offensichtlichsten Hinweise auch nur das waren: offensichtlich, aber nicht entscheidend für die Wahrheit. Diese erzählerische Taktik hat die perfekte Serie zum Bingen ermöglicht und das Seherlebnis habe ich sehr genossen.

Fazit

"Clickbait" bietet zwar einen klassischen Fall von Clickbaiting, wie der Titel es verspricht, aber es geht weniger um ein kritisches Auseinandersetzen mit diesem Phänomen. Stattdessen ist es nur der Ausgangspunkt von vielschichtigen Handlungen, bei der sich gleich drei große Fragen auftun. Damit verknüpft ist eine durchweg spannende Miniserie entstanden, die mit einer sehr überraschenden Endlösung aufwartet. Und auch ohne kritische Ansätze kann man sich seine ganz eigenen Gedanken über das Gesehene machen…

Die Serie "Clickbait" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

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