Jury Duty - Review Staffel 1

In der großen Serienlandschaft unserer Zeit noch richtig 'neue' Formate zu entdecken, das ist gar nicht so einfach. Auch wenn ich mir das nicht zur Aufgabe gemacht habe, gerade auch weil Serien nach Schema F großen Trost angesichts des Wahnsinns der echten Welt bieten können, so freue ich mich durchaus auch, neue Serienkonzepte zu erkunden. Bei "Jury Duty", das nun mit allen acht Episoden kostenlos (und mit Werbung) auf Freevee zu streamen ist, ahnte ich gleich, dass sich hier eine neue Idee verbirgt, denn so recht auf Anhieb begreifen konnte ich es auch nicht. Tatsächlich ist "Jury Duty" in meinen Augen höchst ungewöhnlich gewesen, aber gerade deswegen auch so genial. Erfahrt hier, warum Einschalten eigentlich Pflicht sein sollte.
In "Jury Duty" ist alles inszeniert, Richter, Zeugen, Angeklagter, Verteidiger, Gerichtsdienerin und 13 von 14 Geschworenen, alles Schauspieler*innen. Nur einer glaubt, dass alles echt ist und das ist Ronald Gladden. Dieser ist einem Bewerbungsaufruf gefolgt, wo das Wesen des Geschworenendienstes durch eine Dokumentation begleitet werden soll. Tatsächlich ist aber nur dieser eine Geschworene gecastet worden und nach Beendigung der Serie kann ich sagen, dass es tatsächlich auch das wichtigste Casting der ganzen Produktion war. Denn alles war doch extrem von Ronald abhängig, wie er als Mensch reagiert und wie gut er sich auch durch so eine Geschichte leiten lässt, ohne völliges Misstrauen zu entwickeln. Zwei Punkte waren nämlich wichtig. Die inszenierten Handlungskonflikte mussten natürlich an einer Grenze erzählt werden, da es sonst keine komödiantische Unterhaltung geworden wäre. Das birgt natürlich irgendwann das Risiko, dass Ronald auf die Idee hätte kommen können, er wäre bei der Versteckten Kamera zu Gast. Als zweiter Punkt ist dann noch zu nennen, dass "Jury Duty" nicht das Ziel hatte, Ronald als Person durch den Kakao zu ziehen. Im Gegenteil: ich hatte eher den Eindruck, dass er als Persönlichkeit bestens zur Geltung gekommen ist. Er ist bei den Geschworenen auf höchst unterschiedliche Figuren getroffen, aber er hat mit allen einen respektvollen Umgang gefunden. Ronald hat tatsächlich nur so von Empathie gesprüht, was das Seherlebnis großartig gemacht hat. Denn so hatte ich im Gesamtkontext auch den Eindruck, dass nicht über ihn gelacht wurde, sondern dass alle (Schauspieler*innen, Ronald und wir als Zuschauer*innen) Spaß miteinander hatten.
In "Jury Duty" wird ein relativ harmloser Gerichtsprozess dargestellt, der aber wirklich in allen Nuancen abgebildet werden, weswegen sich die Produktion auch über zwei Wochen hinweg gezogen hat. Das ist schon beachtlich, wie originalgetreu man das hat laufen lassen. Natürlich gab es für jeden Tag Drehbücher, die einige Grundideen vorgaben, aber ausgehend von Ronald und wie er mit allem umgeht, war der ganze Rest natürlich reine Improvisation. Das birgt Risiken, dass manches etwas in die Länge gezogen wird. Tatsächlich ist mir das an einigen Stellen aufgefallen. Die Szenen im Gericht beispielsweise gefielen mir tendenziell alle viel besser als die Momente, die außerhalb des Gerichtssaals sich abspielten. Vor Gericht war Ronald natürlich mehr steuerbar und so konnte man ihn bewusster in seinen Reaktionen provozieren. Im Hotel oder beim Feiern war es mehr Ronald selbst, was natürlich auch wunderbar war, eben weil er so ein dufter Typ ist, aber es war auch etwas langatmiger. Aber das ist tatsächlich nur ein kleiner und mein einziger Kritikpunkt, denn die sonstigen Ideen, auch eine Mockumentary im Grunde nachzubilden, das war alles sehr, sehr gut gelungen.
Lobenswerte Worte möchte ich dann auch für den großen Schauspielcast finden, weil es sicherlich auch für eine solche Produktion etwas Neues war. Man hat auch in einigen Szenen bei genauem Hingucken bemerkt, dass sich einige auch zusammenreißen mussten, je nachdem wie Ronald reagierte, entweder weil er genau in die Karten spielte oder weil er alles auf den Kopf stellte. Aber gerade diese Nuancen trotz eines Rollenspiels etwas von sich selbst zu geben, indem das unkontrollierte Grinsen/Lachen etc. sein darf, das hat "Jury Duty" etwas sehr Sympathisches gegeben. Auch wenn es eigentlich unfair ist, überhaupt jemanden rauszupicken, weil es so homogen war, so tue ich es doch, denn rein subjektiv hat mich manches einfach noch einmal besonders angesprochen. Mit James Marsden als bekanntestem Schauspieler hat sich "Jury Duty" natürlich ein Zugpferd geleistet. Auch wenn er im Gegensatz zu den anderen mit seinem echten Namen antreten durfte, so hat er doch auch eine Version von sich selbst gespielt, die man erstmal bringen muss. Seine Selbstverliebtheit, seine Arroganz und gleichzeitig doch auch seine Interaktionen mit den anderen, er hat das wirklich großartig gemacht, vor allem die Scheißhaufen-Geschichte hat dem natürlich die Krone aufgesetzt. Lobenswert ist auch David Brown als Todd Gregory, eine sehr exzentrische Figur, die sich für alle möglichen cyberkinetischen Erfindungen interessiert. Er ist von der Produktion angelegt worden, um Ronald in den Wahnsinn zu treiben. Deswegen hat er auch das Hotelzimmer gleich nebenan bekommen, um ihn dann mit ausgehandelten Klopfzeichen zu quälen. Aber oh Wunder, Ronald hat mit einer solchen Geduld und Wärme für Todd reagiert, dass die beiden sich zu eine Art Dreamteam entwickelt haben. Auch Ron Song als Ken Hyun möchte ich nicht vergessen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, extrem langsam zu reden. Immer wenn der Cast dann nach dem Prozesstag zusammensaß, um die Ereignisse des Tages zu kommentieren, war es einfach herrlich, wie er einfach noch einmal einiges wiederholte, aber seine ganze Art ließ es so wirken, als hätte er gerade die goldenen Weisheiten von sich gegeben. Auch sein fast schon legendäres Spiel, das er mit Ronald gemacht hat, eine so lustige Idee und dieses gespielte Entsetzen, Ronald nun 10 000 USD zu schulden, herrlich! Applaus auch an Susan Berger als die rüstige Rentnerin Barbara Goldstein, die ständig einschlief während des Prozesses und Ronald als Vorsteher einige Nerven gekostet hat. Im Gerichtssaal selbst hat Evan Williams als Shaun Sanders, der Verteidiger des Angeklagten, am meisten überzeugen können. So überzeugend inkompetent den eigenen Mandaten vertreten, das war einige Lacher wert. Und auch Richter Alan Rosen (Alan Barinoltz) soll nicht vergessen werden, weil er so eine beruhigende Präsenz hatte, die alles geordnet hat und der gleichzeitig aber auch immer Salz in die Wunden gestreut hat. Er war vor Gericht sicherlich der wichtigste Mann.
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Einen wirklich runden Abschluss bot die finale Folge, als Ronald das ganze Schauspiel eröffnet wird. Es war wirklich herzerwärmend, auch hinter die Kulissen blicken zu können und wie bei den Produzenten zurückgezogen in ihrem Raum zwischendurch alles gefeiert worden ist. Man hat überdeutlich gemerkt, dass dort etwas sehr Enges zusammengewachsen ist, weswegen es auch so schön war, als Cassandra Blair als Vanessa Jenkins Ronald versicherte, dass sie zwar Rollenprofile hatten, aber dass sie alle etwas von sich selbst reingegeben haben, weil es gar nicht zu trennen war. Aber es wurden natürlich auch viele Geheimnisse verraten und auch Patzer, die zwischendurch passiert sind und die überspielt werden mussten, sind unter die Lupe genommen worden. Der Unterhaltungsfaktor in all den Folgen zuvor war schon sehr gut, aber es war dann noch das Sahnehäubchen, dass auch die Auflösung und wie Ronald alles erklärt bekommen hat, den Grundton getroffen hat und sich so ein wirklich tolles Gesamtbild ergeben hat.
Fazit
"Jury Duty" hatte zwar schon im Vorfeld seinen Reiz für mich, aber ich hätte nicht gedacht, im Nachgang von so einer Serienperle sprechen zu können. Ich habe mich sogar dabei erwischt, wie ich anschließend bei rein fiktiven Serien das Serienschema von "Jury Duty" anwendete und mich fragte, wer jetzt gerade die Figur ist, die als einzige nicht eingeweiht ist. So sehr hat es was mit mir gemacht. Daher schaltet ein (Ausreden gibt es wegen des kostenlosen Angebots keine!) und wagt das experimentelle Abenteuer einfach selbst!
Die Serie "Jury Duty" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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