NBC – Ein Sender im Talflug
Kaum einen Sender traf es in dieser Season wohl so schwer wie den einstmaligen Marktführer NBC. Seit Jahren in der Mittelmäßigkeit versunken, muss man seit dem Herbst 2009 sogar damit kämpfen, die heimischen Serien über der 5-Millionen-Marke zu halten. Ganz dick kam es dann jedoch im Januar 2010, als nach einigem Hin und Her das Projekt "Leno 10 p.m." (mehr dazu hier) als gescheitert erklärt werden musste und plötzlich fünf Sendeplätze um 22 Uhr abends zu besetzen waren. Für Serienfans war dies ein Grund zur Freude, denn ein Erfolg dieses Experiments hätte Nachahmer anziehen und weitere Serien ins Nirwana schicken können. Doch für den Sender war das Aus eine Blamage und entfachte zusätzlich einen kleinen Skandal.
"It was a problem at 10, it was a problem at 11, it was a problem at 11:35."
Indem man den beliebten Late-Night-Talker auf Grund der Einstellung seiner Comedyshow um 22 Uhr auf einen verspäteten, halbstündigen Sendeplatz verschob, um 23:35 Uhr, dem eigentlichen Beginn der "Tonight Show with Conan O'Brien", stieß man dem Moderator der letzteren Show schwer vor den Kopf. Für einige Wochen erhitzten die so betitelten "Late Night Wars" die Gemüter der Talkshowmoderatoren nicht nur des eigenen Senders, sondern auch die der Konkurrenten. Comedytechnisch ein Highlight und auch für die Quoten war es so ziemlich das Beste, was NBC passieren konnte. Doch am Ende waren sie nicht nur Conan O'Brien samt Crew sondern auch rund 40 Millionen Dollar Abfindung los. Bereut haben wird der Sender es jedoch nicht besonders. Immerhin schaffte es Jay Leno nach Übernahme der bis Mitte 2009 von ihm moderierten "Tonight Show" fast direkt die eher mittelmäßigen Quoten seines Vorgängers O'Brien wieder deutlich zu erhöhen und damit den Kontrahenten David Letterman locker abzuhängen. Nachdem viel böses Blut geflossen ist, haben sich die Gemüter mittlerweile wieder beruhigt und es sieht danach aus, als würde der Skandal keine großartigen Konsequenzen für die beteiligten Personen haben. Kürzlich wurde verkündet, dass auch Conan O'Brien im Herbst eine neue Show erhalten soll – auf dem eher kleinen und unbekannten Kabelsender TBS.
Dieser Schock mitten in der Fernsehsaison brachte den Sender ordentlich ins Rudern und so mussten flugs fünf Sendeplätze mit der in der Hinterhand gehaltenen Dramaserie "Parenthood", einigen Realityprogrammen, Wiederholungen und einer Wiederbelebung des bereits totgeglaubten "Trauma" besetzt werden. Weitere Serien erhielten Nachbestellungen, darunter der Zuschauerliebling "Chuck", der es bereits im letzten Jahr nur knapp durch sehr viel Initiative von Seiten der Fans in die neue Season geschafft hat. Für Wackelkandidaten wie "Chuck" und das mit mehr als unterirdischen Quoten laufende "Heroes" (fiel teilweise unter die 4-Millionen-Marke), das einst noch durchschnittlich 12 bis 14 Millionen Zuschauer vor die Schirme locken konnte, kam die Absetzung der "Jay Leno Show" wie gerufen. Die Chancen auf eine Verlängerung trotz schwacher Zuschauerzahlen stehen derzeit so gut wie selten zuvor. Ebenfalls noch auf wackeligen Beinen stehen "Mercy" sowie die bereits erwähnten "Parenthood" und "Trauma" und auch die schwächelnde Crimeserie "Law & Order" und ihr solider laufendes Spin-Off "Law & Order: Special Victims Unit" warten noch auf eine Verlängerung.
Was immer die Zukunft bringt...
Bereits komplett verlängert wurde der vermeintlich erfolgreiche Comedy-Donnerstag mit "30 Rock", "The Office", "Parks and Recreation" und den Neuzugängen "Community" und "The Marriage Ref", von dem jedoch nur "The Office" überhaupt auf mehr als sieben Millionen Zuschauer kommt. Des Weiteren gab es grünes Licht für zahlreiche Realityformate, die zwar quotentechnisch nicht besser als die Drama- und Comedyserien des Senders laufen, aber eben billiger in der Produktion sind.
So gut die Chancen auch vermeintlich für die äußerst schlecht laufenden aktuellen NBC-Serien stehen mögen, ist es für den Sender doch auch wahrlich nicht ausreichend, weiterhin an mittelprächtigen Einschaltquoten festzuhalten, ohne ein wahres Zugpferd zu haben, wie man es in den 90ern in "Friends" und "Seinfeld" fand. Doch so sehr die Verantwortlichen des Pfauensenders sich sicherlich diese Zeit zurücksehnen, so muss man doch auch nach vorne schauen und in gute, neue Programme investieren. Es wird vermutet, dass NBC auf Grund seiner schwierigen Position nach dem gescheiterten Leno-Experiment mindestens fünf neue Dramaserie bestellen wird. Unter den Projekten, die derzeit am heißesten gehandelt werden, finden sich einige alte Bekannte für den aufmerksamen Serienzuschauer.
Gleich drei bekannte Serienmacher, die in der Vergangenheit vielfach überzeugen konnten, sind mit dem Sender im Gespräch. So steht das Remake "Rockford Files" vom "Dr. House"-Erfinder David Shore derzeit bei NBC ebenso hoch im Kurs wie das neue Copdrama "Undercovers" von J.J. Abrams und auch David E. Kelley macht, was er am besten kann: mit "Kindreds" ein neues Anwaltsdrama erschaffen. Nachdem das Spin-Off "Law & Order: Special Victims Unit" in diesem Jahr die quotenstärkste Nicht-Realityserie des Senders war und auch die Mutterserie locker abhängte, ist es nicht verwunderlich, dass auch ein weiteres Spin-Off namens "Law & Order: LA" in der Mache ist und bereits beschlossene Sache zu sein scheint. Ansonsten im Gespräch sind die Thrillerserien "Chase" (Jerry Bruckheimer) und "The Event" und die Dramen "The Cape" und "Love Bites" mit Becki Newton und Jordana Spiro. Auf der Comedyseite konnten die beiden von ABC abgelehnten Serien "This Little Piggy" und "Friends With Benefits" sowie "Next" von und mit Paul Reiser ("Verrückt nach Dir") einiges an Buzz verursachen.
Stichtag: 17. Mai
Der Traum, es wieder in die Top 3 der großen Networks zu schaffen, scheint für NBC erstmal ausgeträumt. Vorbei sind die Tage, an denen der Sender vor allem in der Comedysparte dominierte und die übrigen Sender Staub schlucken mussten. Nun heißt es erstmal Schadenbegrenzung betreiben, Wiedergutmachung leisten und die Fernsehzuschauer wieder mit spannenden Geschichten und solider Comedy vor die Bildschirme locken. Einfach wird es sicher nicht, doch viel zu verlieren hat man beim Peacock-Network nun wirklich nicht mehr...
Nadine Watz - myFanbase
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