Andreas' Rückblick 2018/2019
Die enttäuschendste Staffel - "Game of Thrones"

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Es sollte der große Abschluss einer Serie werden, die schnell zu einem weltweiten Phänomen wurde. Staffel 8 sollte in die Geschichtsbücher eingehen und zeigen, dass man der Buchvorlage von George R. R. Martin nicht nur gerecht werden kann, sondern ihr auch angemessen Tribut zollen kann. Vor allem aber sollte mit Staffel 8 bewiesen werden, dass die in Staffel 7 aufkommenden Zweifel der Zuschauerschaft, ob D. B. Weiss und David Benioff ohne fertig geschriebene Buchvorlage eine packende und kohärente Handlung schreiben und inszenieren können, unberechtigt sind. Und dann kam Staffel 8 und war eine absolute Katastrophe.

"Well, Dany kind of forgot about the Iron Fleet…"

Foto: Emilia Clarke, Game of Thrones - Copyright: Helen Sloan/HBO
Emilia Clarke, Game of Thrones
© Helen Sloan/HBO

Die Gründe hierfür sind leider vielfältig und zahlreich, begonnen bei einem Plot, der unverständlich unausgewogenes Tempo während der gesamten Staffel aufwies. Da wurden wichtige Entwicklungen entweder gar nicht ausreichend thematisiert oder gezeigt, um dann auf der anderen Seite Szenen zu zeigen, die entweder keine Bewandtnis hatten für das große Ganze oder schlichtweg viel zu lang auserzählt wurden. Wieso genau war es erforderlich, Tyrion über mehrere Minuten hinweg durch die Trümmer von King’s Landing wandern zu lassen, wenn es wirklich dringendere Dinge zu erzählen gäbe? Dabei war die Szene per se gar nicht schlecht, schließlich war sie gut inszeniert und Peter Dinklage ist einer der wenigen Schauspieler bei "Game of Thrones", der so einen Moment auch tragen kann. Aber in Anbetracht der geringen zur Verfügung stehenden Zeit muss man sich manchmal schon fragen, warum Staffel 8 so ein eklatantes Pacing-Problem hatte. Zumal die angesprochene Szene noch am ehesten verzeihbar wäre – im Gegensatz zu unnötig langen Gesichts-Nahaufnahmen, ausgedehnten Saufgelagen oder Sexszenen, die letzten Endes kaum Bedeutung hatten.

Hätte man hier bestimmte Szenen großzügig geschnitten, hätte wiederum so manch anderer Moment auserzählt werden könne, der einfach erforderlich gewesen wäre, sowohl für die Figuren der Serie und ihre schlüssige Weiterentwicklung als auch für den Zuschauer, dem wichtige Momente einfach vorenthalten wurden. Warum wird allen Ernstes die Reaktion der Stark-Schwestern Sansa und Arya auf Jons Geständnis über seine Herkunft einfach nicht gezeigt? Warum wendet man nicht mehr Zeit dafür auf die schockierende Wandlung eines der meistgeliebten Charaktere der Serie, Daenerys, auch ausreichend zu thematisieren, damit sie auch organisch und logisch wirkt? Nein, es ist nicht überraschend, dass Dany am Ende wahnsinnig wurde (oder wie immer man das nennen möchte, was sie in King’s Landing anrichtete), aber innerhalb weniger Momente eine Charakterentwicklung über sieben Staffeln auf den Kopf zu stellen ist vielleicht einfach nicht die beste Idee. So etwas braucht Zeit. Auf jeden Fall mehr Zeit, als Weiss und Benioff dafür eingeplant haben. Und, liebe GoT-Fans, hier nochmal zum Mitschreiben: Foreshadowing ist keine Charakterentwicklung. Nur weil seit Beginn der Serie angedeutet und wohlportioniert auch gezeigt wurde, dass Dany auch mal erbarmungslos sein kann, ist die abrupte Wandlung der Befreierin Dany, die immer das Wohl der Bevölkerung im Sinne hatte, hin zu einer Massenmörderin von tausenden von unschuldigen Menschen, dadurch nicht logisch. Denn auch hier nochmal klar zum Verständnis: die Wandlung selbst ist überhaupt nicht das Problem. Das Problem ist das Tempo, in der das geschehen ist und wie wenig Mühe man sich dabei gab, eine konsistente Charakterentwicklung zu zeichnen.

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Womit wir schon beim nächsten Kritikpunkt wären, der Charakterentwicklung. In Staffel 8 waren die Figuren aus "Game of Thrones" Stichwortgeber, Auslöser von Reaktionen und plot devices, aber mit Sicherheit keine Menschen mit nachvollziehbaren Intentionen. Neben Dany besonders schade ist hierbei, was aus Jaime gemacht wurde. Seine gesamte redemption arc, also der Weg vom skrupellosen Königsmörder hin zu einem gewissenhaften und manchmal auch schlichtweg liebevollen Bruder und Begleiter, der versucht, für seine vergangenen Sünden aufzukommen, war letzten Endes gänzlich irrelevant, da er am Ende genau dort war, wo er auch am Anfang stand. Nach einem überhasteten Techtelmechtel mit Brienne, dessen Anberaumen infantiler und klischeebeladener nicht sein könnte, fällt ihm einfach auf, dass er ein schlechter Mensch ist und seiner Schwester beistehen muss. Aha. Kann sich jemand noch an diverse Aussagen von George R. R. Martin erinnern, dass ihn das typische gut-und-böse-Schema im Fantasy-Bereich nicht interessiert und er Charaktere erschaffen möchte, die sich über derartige Genre-Tropen hinwegsetzen und damit wirklich menschlich wirken? Warum genau soll Jaime ein per se schlechter Mensch sein nach seiner Entwicklung die Staffeln zuvor? Und vor allem: wieso ist das überhaupt wichtig in der Welt von "Game of Thrones", wer gut oder wer schlecht ist, wenn es hier doch eigentlich feine Abstufungen geben sollte? Und wieso muss das dennoch betont werden? Dito im Übrigen für Theon, der sich von Bran kurz vor seinem Ableben einreden lässt, dass er ein guter Mensch sei. Nein, ist er nicht. Muss er doch aber auch gar nicht sein, weil es darum überhaupt nicht geht. Hierzu sei auch noch abschließend ein Hinweis zu Cersei erlaubt, der eigentlichen Antagonistin, die in Staffel 8 dazu verkommt, mit eingefrorenem Gesicht auf "ihre" Stadt zu sehen. Sie war die wahrscheinlich gerissenste von allen, ergibt sich nun aber komplett ihrem Schicksal, weil man nicht mehr weiß, was man plot-technisch mit ihr anfangen soll, sodass sie zum verzweifelten und verheulten Häufchen Elend wird? Schwach. Einfach schwach.

Foto: Nikolaj Coster-Waldau, Game of Thrones - Copyright: Helen Sloan/HBO
Nikolaj Coster-Waldau, Game of Thrones
© Helen Sloan/HBO

Und die Logikfehler. Oh Gott, die ganzen Logikfehler. Die hier auch nur versuchen, in ihrer Gänze aufzuzählen, würde jeden Umfang sprengen, aber von exzessivem Einsatz von plot armor für die Hauptcharaktere über einstürzende Bauten, die danach besser aussehen als zuvor, Cersei und Jaime, die äußerlich unversehrt aussehen ob der Unmengen an Steinen, die auf sie eingestürzt sind, über Dany, die vergisst, dass es die Iron Fleet gibt, um möglichst unachtsam zu sein oder Dothraki, die erst praktisch ausgelöscht wurden, um im Anschluss wie durch Wunderhand in immer in der Zahl aufzutreten, die die Handlung gerade benötigt – es war wirklich alles dabei. Oder Grey Worm, der erst Jon fast umbringt, als er ein Massaker in der Stadt vermeiden möchte, dann ihn aber seelenruhig in ein Gefängnis steckt und dort in Ruhe lässt, obwohl dieser soeben seine Königin umgebracht hat? Haben die Unsullied generell ihre bedingungslose und bis in den Tod reichende Loyalität für Dany auch einfach vergessen? Warum überhaupt gibt Jon zu, Dany getötet zu haben? Und so weiter und so fort. Insbesondere Staffel 7 hatte auch schon einiges zu "bieten" in dieser Hinsicht, aber die Anzahl an Logikfehlern in Staffel 8 stellt alles in Schatten, was es hier jemals gab. "Game of Thrones" verkam in seinem geplanten großen Abschluss zu einem Actionspektakel ohne Sinn und Verstand mit dem einzigen Ziel, möglichst spektakuläre Wendungen aufzuzeigen und zu schockieren des Schockierens Willen. Was ist eigentlich mit Jons Herkunft als Targaryen? Warum wurde das zu dieser Riesenstory hochstilisiert, war letzten Endes aber komplett egal? Was ist mit Brans Fähigkeit als Three-Eyed-Raven, was mit dem Lord of Light? Was genau wollte der Night King? All das war letzten Endes nicht mehr als Nebenplot oder Filler für eine Welt, die Benioff und Weiss offensichtlich zu komplex war, um sie sinnvoll in das Gesamtgeschehen zu integrieren. Und so wird Bran dann eben zum Langweiler im Rollstuhl, der im Verlauf der Serie auch mal eine ganze Staffel nicht zu sehen war und der seine Fähigkeiten ungenutzt lässt, der aber laut Logik der "Game of Thrones"-Macher so viel erlebt habe, dass er nun der König der sechs Königreiche wurde. Aha. Tyrion, einer der Charaktere, der maßgeblich für den Verlauf der Geschehnisse der letzten Jahre war, aber aus der Erzählung "A Song of Ice and Fire" herausgelassen wird, weil es für einen kurzen Lacher gut ist? Geschenkt. Am Ende fällt so etwas schon kaum noch auf, weil Logiklöcher zählen in Staffel 8 von "Game of Thrones" eine sehr erschöpfende Tätigkeit ist.

Staffel 8 war der absolute Tiefpunkt einer ehemals guten (aber immer hoffnungslos überbewerteten) Serie, ein Ende, das die Fans so nicht verdient haben und auch niemand, der daran mitgearbeitet hat. Bis auf die durchweg tolle optische Inszenierung und teils gute schauspielerische Leistungen von Peter Dinklage und Emilia Clarke war das ein Reinfall par excellence und in der Fallhöhe wohl einmalig – selbst wenn man Staffel 6 von "Lost" miteinbezieht. Bei "Lost" gab es trotz alledem einen gewissen Wiederschauwert (selbst wenn man dafür ggf. Staffel 6 ignorieren musste), aber "Game of Thrones" wurde mit dieser letzten Staffel nachhaltig zerstört – eben wie ihre unzähligen Storylines und Charaktere.

Andreas K. - myFanbase

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