New Amsterdam (2018) - Review, Staffel 1
Während andere mit "General Hospital" oder "Emergency Room - Die Notaufnahme" aufgewachsen sind, ist es für mich "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte", das seit fast 20 Jahren zu meiner wöchentlichen Dosis Lieblingsserien zählt. Man sollte also meinen, dass das Genre Krankenhausserien deshalb relativ weit oben auf meiner To-Watch-Liste steht. Doch nur selten haben es solche Serien in den vergangenen Jahren überhaupt geschafft, mein Interesse zu wecken. Nach dem obligatorischen "Grey's Anatomy"-Spin-Off "Private Practice" waren es eigentlich nur die kurzlebige Serie "Mercy" und zuletzt "The Good Doctor", die mich fasziniert haben. Und genau wie bei "The Good Doctor" hat mich "New Amsterdam" beim ersten Anlauf nicht binden können, obwohl ich zum Deutschlandstart der Serie die Gelegenheit hatte, Hauptdarsteller Ryan Eggold zu interviewen. Wieso habe ich der Serie also nun eine zweite Chance gegeben?
Vielleicht ist die nachlassende Qualität von "Grey's Anatomy" der Grund. Während man in früheren Staffeln fast bei jeder Episode ein Taschentuch zur Hand nehmen musste und emotional gepackt wurde, hat man zuletzt doch eher mit unnötigen Beziehungsdramen und fragwürdigen Castingentscheidungen für Stirnrunzeln gesorgt. Nun nach dem Ende von "This Is Us", das wenigstens noch für die wöchentliche Achterbahn der Emotionen gesorgt hatte, musste also etwas Neues her. Und ein bisschen war der Funke bei "New Amsterdam" ja bereits übergesprungen, es reichte nur noch nicht, um das Feuer zu entfachen. Diesmal war es wohl vor allem deshalb anders, weil ich mich nicht nur auf die Hauptfigur des Dr. Max Goodwin (Ryan Eggold) konzentrierte, um das Interview vorzubereiten. Wie meine Kollegin Lena in ihrer Review des Piloten bereits meinte, bietet die Serie einige interessante Charaktere und bei genauerem Hinsehen deutete sich das sich anbahnende Drama bereits an.
Dr. Lauren Bloom (Janet Montgomery) schien eine Superwoman zu sein, wie sie auch in Doppel- oder Dreifachschichten die Notaufnahme unter Kontrolle behält. Doch was sie leistet, ist menschlich einfach nicht möglich - und wie wir bald erfahren auch ohne die nötigen Aufputschmittel einfach nicht machbar - und so geschehen mit der Zeit Fehler. Ihr dabei zuzusehen, wie sie mit sich selbst kämpft, wie sie alle von sich wegstößt, die ihr helfen wollen und sie dann schließlich doch um Hilfe bittet, ist eine wunderbar dargestellte Entwicklung dieses Charakters. Dr. Helen Sharpe (Freema Agyeman) wirkte derweil im Auftakt erstmal sehr kühl und distanziert, doch man bemerkte sofort ihre Chemie mit Max, die sich über die erste Staffel hinweg als sehr kompliziert herausstellen sollte. Das Spannungsfeld zwischen Kolleg*innen, Ärztin und Patient sowie guten Freunden ist ein Dreieck, das man so nicht unbedingt sofort erwartet. Umso interessanter fand ich es, dass man das offensichtliche Liebesdreieck überhaupt nicht ausgeschlachtet hat, um künstlich Drama zu erzeugen. Es blieb die ganze Zeit so unterschwellig - trotz großartiger Momente z. B. in der Blizzard-Episode, die man hätte dafür nutzen können - dass diese Entwicklung irgendwie erfrischend war. Mit Dr. Floyd Reynolds (Jocko Sims) wirft man einen Kardiologen ins Rennen, der das komplette Gegenteil seiner Zunft zu sein scheint. Nicht ohne Grund "überlebt" er Max' Kündigungswelle und wird kurzerhand zum Oberarzt, was wohl bisher nicht unbedingt auf seinem Karriereplan gestanden hatte. Er wirkt nicht so machthungrig, geldgeil oder selbstverliebt, wie man sich jemanden mit dieser Expertise vorstellt und je mehr man auch seine private Seite kennen lernt, desto sympathischer wird einem diese recht nerdige Figur. Mit Tyler Labine hat man sich derweil einen Darsteller an Bord geholt, den ich bisher nur aus Comedyserien kannte. Als Dr. Iggy Frome kann er viel davon zeigen, doch auch die empathische Seite kommt nie zu kurz. Er hat nicht nur für seine Patient*innen ein offenes Ohr, sondern ist auch immer für seine Kolleg*innen da. Dass dabei Grenzen verwischen, wird für ihn vor allem gegen Ende der Staffel zu einem Problem, was mich richtig mitgenommen hat. Denn als Außenstehende meint man, in ihm den idealen Therapeuten zu finden, dem die Probleme seiner Patient*innen zu Herzen gehen und der ihnen das Gefühl gibt, gehört und gesehen zu werden. Doch dass ihm schließlich seine Methoden angekreidet werden, die Art und Weise, wie er seinen Patient*innen hilft, hat mich wirklich betroffen gemacht. Während man bei Tyler Labine davon ausgehen konnte, dass er Witz in die Serie bringt, war das bei dem von Anupan Kher gespielten Dr. Vijay Kapoor eher nicht vorauszusehen. Der etwas ältere Arzt, der nie weiß, wo seine Brille ist, wirkt auf Anhieb eher langweilig und seine Behandlungsmethoden, die auf langen Anamnese-Gesprächen basieren, im hektischen Treiben einer Notaufnahme eher aus der Zeit gefallen. Doch schnell merkt man, dass er eine gute Seele ist, der weiß, was er tut. Und deshalb wünscht man ihm sein Glück, als er Interesse an der Cafeteria-Mitarbeiterin Ella (Dierdre Friel) entwickelt und auch noch versucht, sein Verhältnis zu seinem Sohn Rohan (Vandit Bhatt) zu kitten. Dass dabei viele Missverständnisse entstehen, mag anfangs lustig sein, doch ist es letztendlich auch irgendwie tragisch. Schade, dass man das gegen Ende der Staffel etwas aus den Augen verloren hat.
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Doch es sind auch die ganzen kleineren Figuren wie Dora (Zabryna Guevara), die nicht nur Max' Terminplan unter Kontrolle behält, sondern nach und nach auch immer mehr einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, oder Casey Acosta (Alejandro Hernandez), der sichtlich um Laurens Wohl besorgt ist und gleichzeitig immer mit anpackt, um den Stress in der hektischen Notaufnahme in Schach zu halten. Das ganze Krankenhaus scheint durch Max' Maßnahmen und positive Einstellung mitgerissen zu werden und es weht zum Ende der ersten Staffel hin tatsächlich ein frischer Wind im New Amsterdam. Dabei verliert man fast schon ein wenig das Zeitgefühl, denn während Max alle möglichen Krebs-Behandlungen durchmacht, lässt er es sich nicht nehmen, scheinbar täglich mit neuen Beschlüssen, den Krankenhausalltag nicht nur auf den Kopf zu stellen, sondern tatsächlich voranzubringen. Dabei scheint es egal zu sein, wie sehr ihn sein Körper im Stich lässt. Man sieht ihm förmlich beim Zerfall zu und drückt trotzdem die Daumen, dass er die nächste Maßnahme zur Verbesserung des Gesundheitswesens auch noch durchbringt. Für die zweite Staffel wünschte ich mir aber neben all diesem Superheldentum auch ein kleines Resümee, ob diese Methode wirklich überall gefruchtet hat, ob sich dieses Vorgehen auch auf andere Krankenhäuser übertragen lässt oder ob wir hier in unserem kleinen Mikrokosmos in New York City bleiben. Denn dann wäre das zwar schön für dieses eine Viertel dieser Millionenstadt, aber eine richtige Revolution sieht für mich anders aus.
Dabei komme ich nun auch noch mal kurz auf Max selbst zu sprechen. In Lenas Review zum Piloten bereits als "gottgleich" beschrieben, kommt es seinem Verhalten doch sehr nah. Er entscheidet über Wohl und Weh von tausenden von Patient- und Mitarbeiter*innen und zögert nicht, auch unpopuläre Dinge durchzudrücken, wenn sie die Situation des oder der Einzelnen verbessern. Als seine Kolleg*innen von seiner Krebserkrankung erfahren, fragen sie sich aber zurecht, ob er dieses Verhalten nur an den Tag legt, weil er weiß, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt und er die Konsequenzen nicht mehr zu fürchten braucht. Diese Frage habe ich mir auch mehr als einmal gestellt, obwohl ich ja bereits wusste, dass er uns mindestens fünf Staffeln erhalten bleibt. Aber im Verlauf der ersten Staffel lernt man, dass es ihm einfach ein tiefes inneres Bedürfnis ist, den Menschen zu helfen, Ungerechtigkeiten abzubauen und für Aufklärung zu sorgen. Es ist sein Lebensziel und nichts kann ihn davon abbringen. Deshalb bricht es einem das Herz, mitanzusehen, wie es ihm körperlich immer schlechter geht - erst recht als dann die Nebenwirkungen der Chemotherapie und Bestrahlung einsetzen. Andererseits möchte man ihn manchmal einfach nur packen und schütteln, damit er endlich mal an sich, seine Gesundheit und die Bedeutung für seine Familie denkt, denn schließlich dauert es nicht mehr lange, bis er Vater wird. Wäre ihm die Schwangerschaft seiner Frau Georgia (Lisa O'Hare) egal gewesen, hätte man das ja noch irgendwie verstehen können, dass er das hintenanstellt, aber man sieht ja ab der ersten Folge, wie sehr er um sie besorgt ist. Daher wunderte mich die ein oder andere Entscheidung und Verzögerung in seiner Therapie dann schon... Es bleibt zu hoffen, dass er im Laufe dieser ersten Staffel und insbesondere nach den Ereignissen im nervenaufreibenden Staffelfinale dazu gelernt und sein System im New Amsterdam soweit ins Rollen gebracht hat, dass er wenigstens ein bisschen kürzer tritt.
Unabhängig von den einzelnen Charakterentwicklungen war es das Aufzeigen der Missstände im amerikanischen Gesundheitssystem und der Gesellschaft, das mich Folge für Folge überzeugt hat. Zwar gibt man sich bei "Grey's Anatomy" teilweise auch Mühe, soziale Ungerechtigkeit aufzuzeigen, bei "New Amsterdam" bietet man aber wenigstens einen Lösungsversuch. Da kann man natürlich argumentieren, dass viele dieser Ansätze unrealistisch sind und nur ein Träumer auf diese Ideen kommen könnte. Doch Max Goodwin ist ein Träumer, der wahnsinnig gut argumentieren kann. Er kämpft dafür, jedem oder jeder Patient*in die notwendige Behandlung zu ermöglichen. Dabei wird er oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er sozialistisch handele, was in den gespaltenen USA heutzutage ein vernichtendes Urteil zu sein scheint. Doch wenn er dann von öffentlichen Schulen oder den Feuerwehren spricht, bei denen man diese "Sozialistische" - für das Allgemeinwohl der Gesellschaft vorhandene und finanzierte - gerne in Anspruch nimmt, regt er die Zuschauenden hoffentlich zum Nachdenken an, so dass der Funke aus dieser fiktionalen Welt vielleicht auch ein bisschen in unsere Realität überspringt.
Fazit
Ein wenig ärgere ich mich, dass ich "New Amsterdam" erst jetzt entdeckt habe, andererseits war es vielleicht auch genau der richtige Zeitpunkt. "New Amsterdam" ist nicht einfach eine weitere Krankenhausserie im großen Pool dieses Genres. Genau wie ihre Hauptfigur des Max Goodwin bringt sie frischen Wind herein und schafft es empatisch und mit den nötigen Prisen Humor und Drama die Missstände im amerikanischen Gesundheitssystem aufzuzeigen und Lösungsansätze zu präsentieren. Die Einschätzung, ob diese realistisch sind, überlasse ich anderen, aber es wäre schon interessant zu sehen, ob sich der oder die eine oder andere Verantwortliche durch die dargestellten Methoden inspirieren lässt und ebenfalls eine Revolution startet. Max Goodwin jedenfalls opfert in jeder Minute dieser Serie sein Leben dafür.
Die Serie "New Amsterdam" ansehen:
Catherine Bühnsack - myFanbase
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