Reacher - Review Staffel 2

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Für gute Krimiadaptionen, da sollte der Blick definitiv nach Prime Video gehen. Schon mit "Bosch", die auf einer Reihe nach Michael Connelly beruht, hat man Kritiker für sich überzeugen können und auch "Reacher", hier nach Vorlage von Lee Child, hat mit Staffel 1 Anfang 2022 für Furore gesorgt. Ich kenne beide Reihen nicht, habe beide Serien aber auch richtig gerne für mich entdeckt. Was beide Serien auch vereint, sie konzentrieren sich auf einzelne Bände der Vorlage, oft etwas durcheinander, aber die Kerngedanken werden auf den Punkt adaptiert, so dass in acht bzw. zehn Episoden dann auch wirklich alles geklärt ist. Zwar geht die Tendenz generell hin zu kürzeren Staffeln, aber es gibt immer noch Beispiele, wo Geschichte unnötig ausgewrungen werden, um immer noch etwas rauszuquetschen, was die Handlung aber nicht hergibt. Bei "Reacher" und Staffel 2 war nun die Frage: Kann auch der zweite Durchgang gelingen, wenn man ein Erfolgsrezept (den Cast) quasi einmal austauscht?

Foto: Reacher - Copyright: Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video
Reacher
© Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video

Langlebige Serien stehen immer wieder vor der Herausforderung, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad neu erfinden müssen, dabei die eigenen Wurzeln aber auch nicht verraten dürfen. Nun ist "Reacher" noch keine langlebige Serie, man ist Mitte Dezember 2023 schließlich erst in die zweite Staffel gegangen, aber dennoch ist die zweite Staffel auch eine Herausforderung auf ihre Weise. Denn wenn der Start gut ankam, dann bestätige das erstmal. Ausgerechnet da auf viele neue Gesichter und auch eine ganz andere Atmosphäre (von Kleinstadt zu Großstadt) zu setzen, mutig. Aber man muss natürlich auch sagen, dass es mit Titelfigur Jack Reacher (Alan Ritchson) durchaus eine logische Geschichte ist. Er ist der einsame Wolf, der keinen festen Wohnsitz, keinen Koffer im Gepäck und auch sonst am liebsten nur die Einsamkeit hat. In dem Sinne war es logisch, dass ihn auch die kleine Affäre mit Roscoe (Willa Fitzgerald) nicht in Margrave halten würde. Dennoch war ein wenig Vermissen dabei, das muss ich ganz ehrlich gestehen. Ich mochte Roscoe, ich mochte Finlay (Malcolm Goodwin) und welche unterschiedlichen Dynamiken sie zu einem Typus wie Reacher aufgebaut haben. Das nun also bis auf einen gefeierten Gastauftritt von Finlay zu verlieren, ja, das war schon Wehmut. ABER: Die 110., die Militäreinheit, die aus Reachers Vergangenheit stammt, mit deren Mitgliedern er viel tiefere Verbindungen eingegangen ist, die sind ein würdiger Ersatz.

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Neagley (Maria Sten) haben wir schon in Staffel 1 kurz kennengelernt und bei ihr hatte ich mich schon früh freuen können, als sie für die zweite Staffel bestätigt worden ist. Sie ist eine Art weiblicher Reacher, aber doch auch ganz anders, aber es ist eine platonische Freundschaft, die sich gleich ins Gedächtnis gräbt. Dazu haben wir dann die zentralen Neuzugänge Dixon (Serinda Swan) und O'Donnell (Shaun Sipos). Während mich Dixon am wenigsten überzeugt hat, weil ihre Affäre mit Reacher mir zu dominant war und dadurch weniger ihre Fähigkeiten im Vordergrund standen, war O'Donnell für den Humor extrem wichtig. Er ist nicht alleine dafür verantwortlich, weil Reacher mit seiner Art eh die meisten Lacher in petto hat, aber er ergänzt das mit einer offensichtlicheren Art. In Rückblenden erleben wir auch die restlichen Mitglieder, die zwar als eigenständige Persönlichkeiten nicht so wichtig sind, aber dieser ganze Zusammenhalt war sehr wichtig, um viel darüber zu erklären, wer Reacher war und wer er sein kann. Auch wenn er als Chef der Truppe bei der Militärpolizei nicht der nahbarste war, aber er hatte ein Händchen dafür, eine Einheit unter sehr verschiedenen Charakteren zu erzeugen, was sie dann mit purer Loyalität zurückgezahlt haben. Tiefes Vertrauen hat auch Reacher aufgebaut. Auch wenn er strikt gewisse Grenzen eingehalten hat und sich mehr für die anderen gefreut hat, wenn sie untereinander Verbindungen geknüpft haben, aber er wäre für sie alle auch ohne Zögern in die Bresche gesprungen. Mit Neagley hat der innigste Beziehung aufgebaut und ich fand es wunderbar, wie das immer wieder in der Gegenwart aufgezeigt wurde. Sie sind immer auf einer Wellenlänge, aber auch mit den anderen wurde so schnell ein Rhythmus gefunden, was dann auch die Actionszenen so passend gemacht hat. Zu viert waren sie eine geölte Maschine, die sich nicht groß absprechen musste, weil eh jeder von ihnen weiß, was der jeweils andere tut.

Foto: Robert Patrick, Reacher - Copyright: Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video
Robert Patrick, Reacher
© Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video

Die Rückblenden hatten also definitiv eine wichtige Funktion, aber ein wenig Potenzial ist auch verschwendet worden. In erster Linie waren sie natürlich dafür da zu zeigen, wie es in der 110. abgegangen ist, aber sie sind in den acht Episoden auch immer eingesetzt worden, um einen kleinen Aspekt zu unterstreichen, der für die jeweilige Gegenwartshandlung wichtig war. Das hat nur leider manchmal dafür gesorgt, dass es zu gewollt wirkte. Ein passendes Beispiel ist da Swan (Shannon Kook), der in einer Rückblende im Verdacht steht, dass er ein konfisziertes Drogenpäckchen absichtlich hat hinter den Sitz fallen lassen. Das soll eine Parallele dazu darstellen, wie in der Gegenwart sich die Gruppe darin uneinig ist, ob Swan ihnen in den Rücken fallen könnte oder nicht. Jedoch spielte es dann gar keine Rolle mehr und war also rein strategisch, um Zweifel zu säen. Es gab aber auch einen roten Faden in der Vergangenheit mit dem Drogenschmuggel auf der Militärbasis. Der Fall war aber völlig unspannend, bis auf den Moment, wo sie die Leute hochgenommen haben. Vielleicht wäre es insgesamt besser gewesen, einen Fall zu konstruieren, der vielleicht mit Langston (Robert Patrick) oder AM (Ferdinand Kingsley), den Antagonisten der Staffel) eine Verbindung gehabt hätte.

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Nun wird die Vergangenheit aber wirklich nur in kurzen Szenen aufgegriffen, der große Anteil bleibt die Gegenwart und das ist gut so, denn sie ist das Beste. Ich war erst überrascht, wie offensiv Langston und AM als Antagonisten präsentiert wurden und so einiges an Mysterium weggenommen wurde, aber letztlich haben sich über die acht Episoden hinweg dennoch noch genug Geheimnisse und Wendungen ergeben, die zum Einschalten bewogen haben. Langston hat AM als Antagonist aber locker geschlagen. AM hat zum einen in weiten Teilen für sich agiert und zum anderen hat das, was zu ihm aufgebaut wurde, am Ende null standgehalten. Ich hätte vom Aufbau her vermutet, dass letztlich AM der gewieftere Gegner für Reacher und die anderen wird, aber dem war nicht so. Langston hat auch gut funktioniert, weil Patrick eine entsprechende Ausstrahlung hat, aber natürlich war er eher der simplere Gegner, immer die Auftragskiller losschicken und sich selbst kaum die Finger schmutzig machen. Aber er hat die vier beschäftigt und mit ihm und den anderen gab es auch einen würdigen Showdown, deswegen war er insgesamt viel besser und wichtiger für die Serie.

Foto: Alan Ritchson, Serina Swan & Josh Blacker, Reacher - Copyright: Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video
Alan Ritchson, Serina Swan & Josh Blacker, Reacher
© Amazon Studios; Brooke Palmer/Prime Video

Die Gegenwart lebt weiterhin von der Fortsetzung, wie genial Reacher als Figur gezeichnet wird. Alleine seine erste Szene in Staffel 2, wo er mal eben eine räuberische Erpressung beendet, aber auch ansonsten sein wilder Klamottenkauf, der Gag mit der Zahnbürste. Da sind so viele Elemente, die einfach funktionieren. Ritchson lässt seine Figur so oft wie eine Maschine wirken (sieht ehrlich gesagt auch so aus), aber das macht den Kontrast zu dem weichen Herz, das durchaus da ist, umso genialer. Reacher ist auch kein Clown, aber seine Sprüche sitzen. Einen interessanten Gegenpart hatte er auch mit Guy Russo (Domenick Lobardozzi), deren Start nicht schlechter hätte sein können. Aber da ist dennoch etwas gewachsen und ich war beeindruckt, wie schnell diese Rolle doch so aufgebaut wurde, dass sie einem wichtig wurde und dann so einen emotionalen Moment beschert, quasi aus dem Nichts, aber deswegen auch so ergreifend. Aus der Rechnung dürfen wir aber auch Neagley nicht weglassen, die den Moment auch so besonders macht. Insgesamt zeichnet sich so das Bild einer nicht perfekten Serie, aber doch einer sehr unterhaltsamen. Reacher alleine reicht für die Serie durchaus aus, weil er einer Titelfigur wirklich würdig gezeichnet ist, aber dennoch würde ich den bescheidenen Wunsch äußern, dass wir in der bereits bestellten dritten Staffel wieder Mitglieder der 110. erleben. Neagley wird wohl gesetzt sein (Daumen sind gedrückt!), aber auch die anderen dürfen gerne wieder vorbeischauen, zumal ich bei Dixons Fähigkeiten auch noch großes Potenzial sehe. Das Setting wäre mir aber völlig egal, denn es sind dann doch die inneren Werte von "Reacher", die entscheidend sind.

Fazit

"Reacher" bietet eine gute zweite Staffel, die wieder einen persönlichen Schwerpunkt findet, indem es für die Titelfigur diesmal um die alte militärische Vergangenheit und loyale Kameraden geht. Zwar gibt es mit den Rückblenden und auf der Ebene der Antagonisten Schwächen zu vermelden, aber dafür sitzt die Action, der Humor und einfach geniale Charakterbeziehungen sowie einen Alan Ritchson, der für diese Rolle einfach geboren ist. Um die Qualität von Staffel 3 mache ich mir so keine Sorgen.

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Lena Donth - myFanbase

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