Reasonable Doubt - Review Staffel 1 + 2
Obwohl "Reasonable Doubt" mit der ersten Staffel schon länger bei Disney+ für deutsche Fans zu streamen war, hatte es mich nicht auf Anhieb mitgerissen, auch weil im Cast für mich zunächst keine bekannten Schauspieler*innen dabei waren, für die ich sofort eingeschaltet hätte. Mit Staffel 2 wurden aber Morris Chestnut und Melissa Ponzio angekündigt und das waren dann andere Kaliber in der Argumentation. Dementsprechend habe ich die beiden Staffeln einfach hintereinander weggeguckt. Dabei hat sich mir eins gezeigt: Es sollte wohl sein, dass ich noch gewartet habe, denn die beiden Staffeln fühlen sich organisch aufeinander aufbauend an. Und zwar in dem Sinne, dass Staffel 2 niemals so genial funktioniert hätte, wenn Staffel 1 nicht so solide Vorarbeit geleistet hätte.
© 2021 Hulu; Ser Baffo/Hulu
In unserer Thanksgiving-Kolumne habe ich schon 'Schwarze Serien' erwähnt. Hier ist das auch noch dadurch unterstützt, dass hinter "Reasonable Doubt" die Marke Onyx Collective steht, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, People of Color sowie unterrepräsentierten Gruppen eine Plattform zu schaffen. Da man zu Disney Entertainment gehört, landen die Projekte in erster Linie bei Hulu und dann beispielsweise für uns deutsche Fans bei Disney+. Das Ansinnen von Onyx Collective ist dieser Anwaltsserie sehr stark anzumerken und das im allerpositivsten Sinne. Jax Stewart (Emayatzy Corinealdi) hat ihren Weg als Anwältin gemacht und ist inzwischen Partnerin einer angesehenen Kanzlei in Los Angeles. Aber sie ist eine Schwarze Frau unter lauter weißer Männer. Auch wenn sie sich zu behaupten weiß, so wird sie im Arbeitsalltag doch auch immer wieder auf die Differenzen gestoßen. Als Mandant Brayden Miller (Sean Patrick Thomas), der eigentlich für wirtschaftliche Themen seines Unternehmens von Rich Reed (Christopher Cassarino) vertreten wird, Ärger mit seiner Angestellten und Ex-Affäre Kaleesha (Perri Camper) hat, ist klar, dass Jax gefragt ist. Dabei ist der Vorwurf einer möglichen Vergewaltigung jetzt nicht unbedingt das, wo sie gebraucht würde, aber als es sich dann auf eine Mordanklage ausweitet, ist es der Kanzlei doch lieber, dass eine Schwarze Frau den bösen Schwarzen Mann vertritt. In Staffel 2 haben wir eine dazu ergänzende Perspektive, indem Jax dort ihre gute Freundin Shanelle (Shannon Kane) vertreten muss, die angeklagt wird, ihren Mann JT (Christopher Mychael Watson) umgebracht zu haben. Aber war es eiskaltes Kalkül oder Selbstverteidigung, weil sie jahrelang Opfer einer missbräuchlichen Beziehung war? Schon ganz unabhängig von der Hautfarbe ist Missbrauch in der Beziehung oft totgeschwiegen, weil sich die Opfer von der Legislative ihres Heimatlandes nicht ausgerechnet geschützt empfinden. Wie muss es da erst einer Schwarzen Frau ergehen?
"Reasonable Doubt" packt also auf der juristischen Ebene spannende Themen an, aber klammert sie auch auf der privaten Ebene nicht aus. Hier fand ich vor allem sehr interessant, wie alleine in den zwei Staffeln Jax' charakterliche Entwicklung gestaltet wurde. In Staffel 1 ist sie keinesfalls als Sympathieträgerin zu sehen. Stattdessen erleben wir sie überall aneckend. In ihrer Familie ist sie oftmals isoliert, denn Ehemann Lewis (McKinley Freeman) hat ihr ein Ultimatum gestellt, was Job und ihre Ehe gegen überstellt. Sohnemann Spenser (Thaddeus J. Mixson) wirft ihr die Entzweiung der Familie vor und auch mit Mutter Lu (Pauletta Washington) knirscht es öfters, was mit einem Geheimnis aus der Vergangenheit dann langsam über die acht Episoden aufgearbeitet wird. Auch in ihrem Freundeskreis, darunter eben Shanelle, zeigt sich, dass dort alle alles aussprechen können, was aber ebenfalls dann schon mal für längere Funkstille sorgt. Dazu kommen die ethischen Herausforderungen einer Strafverteidigerin. Auch wenn sich Jax schon früh aus Gründen entschieden hat, nicht den Staat, sondern ihre Mandanten zu vertreten, so ist es nicht immer wieder die Frage, wie sie einen möglichen Verbrecher verteidigen kann, die sie noch umtreibt, sondern das, was nach außen an sie herangetragen wird. In Staffel 1 dann repräsentiert durch Fallon Stephens (Aries Sanders), die Schwester von Kaleesha, die Jax konkret damit konfrontiert, wie sie als Schwarze Frau einen Mann wie Brayden Miller vertreten kann. Das entwickelt sich über die gesamte Staffel hinweg, zumal dann auch nach und nach aufgeklärt wird, wie raffiniert Brayden die Menschen um sich herum täuscht. Parallel legt Jax mit ihren Entscheidungen ihr Privatleben immer mehr in Schutt und Asche, indem sie ihren ehemaligen Mandanten Damon Cooke (Michael Ealy) nach seiner Haftstrafe wieder in ihr Leben lässt. Einst brandgefährlich hat es schon zwischen ihnen geknistert, aber als sie den Prozess für ihn verloren hat, hat sie nahezu direkt danach Lewis kennenlernt. Doch nun leben sie getrennt und mit Damon entzünden sich alte Gefühle neu. Es war schon manchmal etwas ungläubig, aber auch mitreißend, welche Entscheidungen Jax getroffen hat, aber was sich dann mit Damon entwickelt hat, das war schon eine echte Überraschung. Damon hat den Reiz des Bad Boys präsentiert, gerade im direkten Kontrast zu Lewis, aber wer hätte gedacht, dass er so bad(ly in Love) ist?
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Auch wenn die erste Staffel nicht von Jax alleine handelte, so muss ich aber doch sagen, dass sie die wichtigste Figur der Serie ist. Ich habe in Staffel 1 oft mit ihr gehadert, aber nach den acht Episoden war ich auch schon angetan, wie vielschichtig sie gezeichnet ist, was mir einfach Respekt für sie als individuellen Menschen abverlangt. Das im Dunstkreis von streitbaren Charakteren wie Brayden und Damon ist dann auch so spannend, weil man einfach weiß, das ist eine Produktion von People of Color, die auch das Anliegen haben, dass wir im TV-Geschäft nicht immer nur Stereotypen herumlaufen haben, sondern dass wir echte Menschen mit Fehlern zu sehen bekommen. Dazu ist auch Lewis nicht nur perfekt. Er hat eine weiche Seite, die ihn automatisch geeigneter zum Mitleiden macht, aber dennoch zeigt die Serie auch an dieser Stelle auf, dass es in der Ehe nicht nur die Perspektive geben darf, dass Jax an allem Schuld hat. Da wir gerade schon bei der Figurenebene sind, so habe ich einen sehr klaren Kritikpunkt, den ich in der bereits bestätigten dritten Staffel gerne anders hätte. Während Spenser und Naima (Aderinsola Olabode) als Kinder des Hauptpaares auch löblich entwickelt und eingebunden werden, sind Daniel (Tim Jo) und Krystal (Angela Grovey) als engste Mitarbeiter von Jax in der Kanzlei leider nur Beiwerk. Ich kann sie zwar als Menschen packen, aber ich denke, dass durch ihre Tätigkeit auch noch mehr Persönlichkeit entstehen könnte.
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Staffel 1 hat mir insgesamt schon gut bewiesen, wie der Spagat aus Fall und Privatleben funktionieren kann und wie Streitereien sich mit hochemotionalen Momenten und witzigen Interaktionen abwechseln können. Angesichts einer solchen Achterbahn bleibt man gerne intensiv dabei. Zudem ist die Serie auch sehr sexy, ohne dies aber so voranzustellen, dass man vermuten müsste, man will so Aufmerksamkeit erregen. Nein, gar nicht. Das Sexleben ist hier jeweils ein Teil der Persönlichkeit und fügt sich organisch in das Gesamtgeschehen ein. In Staffel 2 werden aber dennoch nochmal zwei Schippen mindestens drauf gelegt. Durch die Ermittlungen gegen Shanelle ist es für Jax sehr persönlich geworden und das in einer Phase, wo sie sich selbst durch eine PTBS kämpfen muss. Ich fand es löblich, wie intensiv diese Phase beleuchtet wurde und dass diese verletzlichen Seiten von Jax so genauso ausgearbeitet worden wie die anderen. Aus diesem Grund kommt dann auch Chestnuts Corey Cash um die Ecke. Er ist quasi der Ersatz für Damon aus der ersten Staffel, ist aber dennoch auch ein ganz anderer Typus. Bei ihm war spannend, dass er ähnlich wie Jax gestaltet wurde. Es wurde schnell offensichtlich, dass er Shanelles Fall menschlich ernst nimmt, aber er hat sich auch manchmal etwas dubios verhalten, was bei ihm ähnlich viele Schichten darlegt hat. Ein großes Fragezeichen der Staffel war dann selbstredend, ob Corey und Jax aneinander kommen werden. Denn man holt einen Morris Chestnut nicht an Bord, wenn man nicht zumindest damit gedanklich spielt. Dementsprechend hat auch die gesamte zweite Staffel damit gespielt und mich damit auch öfters mal in die Irre geführt, aber das hat zum erzählerischen Reiz beigetragen.
Der Hauptteil der dritten Staffel ist eigentlich auch die Ehe von Jax und Lewis, die nach den Ereignissen vom vorangegangenen Staffelfinale eine zweite Chance erhält. Die Eheberatung der beiden ist ein konstantes Element und ich habe Dr. Vernon Webb (Jay DeVon Johnson) echt lieb gewonnen. Therapiesitzungen in fiktionalen Produktionen sind immer eine Sache für sich, aber hiernach dachte ich echt, einen Webb könnten wir alle gebrauchen. Speziell bei Paartherapien kommt die Herausforderung hinzu, einem der beiden nicht das Gefühl der Schuld zu vermitteln und der Spagat war hier wunderbar. Auf der charakterlichen Ebene ist so viel aufgearbeitet worden. Es gab ständig Hoch und Tiefs, aber das fühlte sich nicht künstlich an, stattdessen war es wie aus dem echten Leben geschnitten. Wir alle haben unsere eigene Geschichte und die Staffel hat anschaulich vermittelt, dass am Ende die Liebe füreinander zählt und dass Hass auch eine Ausdrucksform von Liebe ist, weil das Gegenteil ist Gleichgültigkeit. Ich bin richtiger Fan von Jax und Lewis als Paar geworden, weil sie nicht perfekt sind und weil sie lernen, sich zueinander zu bekennen, gerade weil sie die Fehler des anderen ebenfalls dazu zählen. In diesem Sinne hätte es mir irgendwann auch nicht gefallen, wenn Corey hier noch mehr mitgemischt hätte. Es war genau das rechte Maß, um ihn als neue Verführung zu haben, aber Jax so umgekehrt auch klar zu machen, was sie wirklich will.
© 2021 Hulu; Ser Baffo/Hulu
Der Fall rund um Brayden Miller hatte auch schon seinen Reiz, aber Shanelles Schicksal, die Geheimnisse darum, wie verbissen Mavis (Donna Biscoe) zu ihrem Sohn gehalten hat, dazu dann auch das persönliche Schicksal von Staatsanwältin Lucy Wargo (Ponzio), da griff alles ideal ineinander. Ich habe jede einzelne Episode echt mitgefiebert. Dazu wurde es von der Inszenierung her auch echt trickreich gestaltet, indem Shanelle die Visionen der Tatnacht sich auch immer mit anderen Details gedacht hat. Das war verwirrend, aber reizvoll. Zudem war es ihr als Mandantin der Staffel auch sehr gerecht, dass gezeigt wurde, wie sie vor JT war und wozu er sie gemacht hat. Der Thematik ist viel Raum gegeben worden. Auch wenn es nicht genug die Augen öffnen wird, aber es ist genau ins Zeitgeschehen hinein und hat deswegen wohl auch so berührt. Staffel 3 wird am Ende dann auch schon deutlich vorbereitet. Das hat mich bereits jetzt am Rand meines Sitzes, denn diesmal Lewis' Fehler so klar als Aushängeschild zu haben, das wird wieder andere Seiten zeigen. Auserzählt ist hier eindeutig gar nichts.
Fazit
"Reasonable Doubt" lässt sich vor allem als Anwaltsdrama vermarkten, hat aber noch viele Schichten mehr, weswegen es für mich ein echter Geheimtipp ist. Die jeweiligen juristischen Fälle sind thematisch aktuell und werden von allen Seiten beleuchtet. Dazu gibt es sehr viele vielschichtige Figuren, die gerade wegen ihrer Fehler einem ans Herz wachsen. Mitleiden und mitfühlen ist spätestens ab Staffel 2 nicht mehr zu vermeiden, weswegen Staffel 3 als Lohn absolut verdient ist.
Die Serie "Reasonable Doubt" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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