The Bear: King of the Kitchen - Review Staffel 1
Jeremy Allen White und ich sind praktisch miteinander groß geworden. Wir sind nicht ganz derselbe Jahrgang, aber knapp aneinander vorbei und während er vor aller Augen in der Showtime-Serie "Shameless - Nicht ganz nüchtern" als Phillip 'Lip' Gallagher groß wurde, habe ich es parallel als Zuschauerin vor dem Bildschirm getan. Daher ist eine gewisse Verbundenheit zu ihm, aber auch zu den meisten seiner Seriengeschwister sehr groß und ich halte immer gespannt die Augen offen, was für neue Projekte sie nach dem Serienende nach elf Staffeln neu angreifen. Bei White ist es nun das FX-Projekt "The Bear", das ich alleine aufgrund der Synopsis der Serie nicht richtig zu packen wusste. Aber sein Name hat mich gereizt und so wurde ich tatsächlich mit einer sehr ungewöhnlichen Serie überrascht.
© 2022 Disney and its related entities; Matt Dinerstein/FX
"The Bear" spielt in Chicago, aber im Grunde gibt es nur einen Handlungsort und das ist der Sandwichladen The Original Beef of Chicagoland. Chicago als Kulisse verrät natürlich viel über die Menschen und die Hintergründe, die in dieser Küche aufeinandertreffen und es gibt auch hin und wieder Schnipsel, die außerhalb der vier Küchenwände stattfinden, aber das eigentliche Geschehen brummt am Herd. Während ich mir also diese acht Episode so ansah, habe ich darüber nachgedacht, ob ich irgendwo schon einmal solche Einblicke in eine Küchenstruktur erhalten habe und muss das wohl verneinen. Natürlich sind Küchen häufig genutzte Kulissen, aber oft ist es nur Mittel zum Zweck, um den Beruf einer Figur zu unterstreichen. Hier ist die Handlung aber die Küche selbst, um es mal eher plump auf einen Nenner zu bringen. Während man sonst beim inhaltlichen Beschreiben anderer Produktionen schon einmal weiter ausholen muss, ist es hier wirklich simpel, denn es geht um einen Küchenalltag und darum, diesen speziellen Laden allen Widerständen zum Trotz am Laufen zu halten. Die einzelnen Lebensgeschichten des Küchenpersonals sind weniger wichtig, auch wenn man die Charaktereigenschaften natürlich überall durchblitzen sieht, denn wer verrät auch nichts über sich selbst, indem er*sie handelt? Die Küche so in den Vordergrund zu heben, ist sicherlich auch ein spannender Ansatz, weil Kochshows in diesem Jahrhundert eine unwahrscheinliche Beliebtheit erfahren. Doch während dort gemütlich gebrötschelt und gebacken wird, ist es bekannt, dass es in Restaurantküchen wie in einem Tollhaus abgeht, viel Druck, viel Stress, harscher Umgang und all das bildet "The Bear" effektiv ab.
© 2022 Disney and its related entities; Matt Dinerstein/FX
Carmy (White) übernimmt den Laden seines verstorbenen Bruders Mikey (Jon Bernthal), der Selbstmord begangen hat. Ausgerechnet er, der in New York auf dem Weg zum Sternekoch war! Doch für Carmy ist es Familienehre und so kehrt er nach Chicago zurück und schmeißt The Original Beef of Chicagoland. Dort trifft er auf eine teils jahrelang eingespielte Truppe, die vermutlich in dem völlig chaotisch geführten Restaurant nur geblieben sind, weil Mikey so eine charmante Persönlichkeit hatte und jeden um den Finger wickeln konnte. All das sind nicht Carmys Eigenschaften, dafür hat er wirklich ein Verständnis von dem Geschäft. In kurzen Rückblenden wird seine harte Schule unter dem Chefkoch in New York (Joel McHale) gezeigt, doch all das will er für seine neue Truppe nicht sein, weswegen er die respektvolle Bezeichnung 'Chef' einführt, mit der sich alle gegenseitig ansprechen soll, egal welche Position sie dabei in der Küche inne haben. Andere Veränderungen nimmt Carmy eher behutsam vor, weil er wohl den Widerstand erahnt, der folgen würde. Daher muss es innerlich manchmal regelrecht in ihm kochen, wenn er all die Aspekte sieht, die die Küche bislang von einem echten Erfolg abgehalten hat. Da ist es ganz praktisch, dass sich mit Sydney (Ayo Edebiri) eine neue Köchin vorstellt, die eigentlich noch recht unerfahren ist, aber eine große Klappe und einen intuitiven Genie hat. Sie spricht vieles aus, was Carmy aus diplomatischen Gründen vermeidet. Damit ist Sydney aber auch die Brücke, damit Veränderungen vorangetrieben werden können.
Unter der Führung von Carmy und Sydney sieht man die einzelnen Figuren regelrecht aufblühen. Marcus (Lionel Boyce) entdeckt seine Liebe für besondere Torten und Tina (Liza Colón-Zayas) akzeptiert ganz langsam, dass nun ein anderer Wind weht. Respekt bekommt man von ihr nicht einfach geschenkt, den muss man sich schon hart erarbeiten. Der einzig durchgängig schwierig bleibende Faktor ist Richie (Ebon Moss-Bachrach), der wirklich an Nervigkeit kaum zu überbieten ist. Ich musste aber doch auch irgendwie lachen, denn das Urteil hätte ich über seinen Darsteller schon in "Girls" fällen können. Das ist offenbar also sein Spezialgebiet. Er ist neben Carmy und Sydney aber derjenige, bei dem doch auch effektiv hinter die Gefühlsfassade blicken kann, denn er hat in Mickey seinen besten Freund verloren und tut sich schwer damit, Carmy als neuen Chef zu akzeptieren, auch weil er eben diesen benötigten Neuanfang nicht wahrhaben will. In seiner plumpen Art trampelt er also alles nieder, was Carmy gerade erst liebevoll herangezogen hat. Schnell ist klar, alles wäre einfacher, wenn Richie einfach verschwinden würde. Zu dieser Erkenntnis kommt er irgendwann wohl auch selbst, doch das macht es nur noch schlimmer, denn was ist nun noch sein Wert? Auch wenn man zwischendurch also ein wenig Mitgefühl aufflammen spürt, im nächsten Moment hat es Richie schon wieder mit Anlauf zerstört. Er ist vermutlich jemand, der zwar die Lektion versteht, sie aber im nächsten Moment schon wieder vergessen hat, weil er rein nach dem Bauch geht. Dennoch trägt natürlich auch er zum Gefüge bei, denn er war eben schon immer da, die Beziehungen sind eng verwurzelt und wo Carmy aneckt, da hat er dann die richtige Ansprache. Das klappt aber nur unter der Voraussetzung, dass sich diese beiden Herren einig sind. Aber trotz allen Unkens und des Schuldendrucks durch Jimmy (herrlich anders: Oliver Platt) wächst in dieser ersten Staffel eine Familie neu zusammen. Die Endszene ist wirklich total versöhnlich und fühlt sich verdient an.
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Insgesamt überrascht "The Bear" auch immer wieder mit ästhetischen Einzelepisoden, die herausstechen und das gilt im besonderen Maße für die letzten beiden Folgen. Schon zuvor war auffällig, dass die Serie oft auf Echtzeit setzt, um den Stress vor einer Eröffnung zu simulieren, aber das ist mit der siebten Episode wirklich auf die Spitze getrieben worden. Hier hätte man vermutlich sogar eine Triggerwarnung vorab schalten sollen: Achtung, könnte erheblichen Stress verursachen! Sydney hat nämlich ein neues Bestellsystem für das Restaurant vorgeschlagen, das auch mehr für Abholungen gedacht ist, aus der Pandemie hat man offenbar gelernt. Doch es kommt zu einem technischen Fehler und noch bevor der Laden geöffnet ist, um die ersten Abholungen zuzulassen, strömen so viele Bestellungen rein, dass sogleich feststeht: Mission impossible. Zu dem Zeitpunkt war die Belegschaft eigentlich an einem Punkt, wo sich langsam alles eingespielt hatte, doch alles zerplatzte wie eine Seifenblase und Richies typische Art trug noch sein Übriges bei. Diese Episode ist zum Glück die kürzeste der Staffel und oh weh, es war wirklich Stress pur, denn auch das etablierte respektvolle 'Chef', das nur noch hin und her schoss, kam nun eher eine Beleidigung gleich. Zuvor war die Serie schon durch viele Schimpfworte geprägt, aber dem wurde noch einmal hiermit einer draufgesetzt. Hier eskalierte wirklich alles und das ist auch bei mir als Zuschauerin angekommen, da ich am liebsten aufgesprungen wäre, um den auf mich übertragenen Stress loszuwerden. Besonders natürlich von White eine hervorragende schauspielerische Leistung, da er der Fokus dieser Episode war. Er hatte sich bis dato so um Ruhe bemüht und nun hat es doch auch ihn übermannt. Die Schauspielkunst wurde dann nur noch im Finale überboten, als er einen ungeschnittenen Monolog in der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Süchtigen halten darf. Hier stellt sich Carmy seinem inneren Dämon, der auch gut erklärt, warum er dieses Restaurantprojekt so unbedingt durchzieht, auch wenn er rein kulinarisch längst in anderen Sphären unterwegs war. Das sind dann die Momente in dieser Serie, die dem als Experiment daherkommenden Projekt noch einmal die Krone aufsetzen.
Fazit
"The Bear" ist eine überraschend neu daherkommende Serie, da die originalgetreue Abbildung eines Alltags in einer professionellen Küche wohl so noch nie aufgegriffen worden ist. Es werden zwar auch Handlungen drum herum aufgebaut, um die Figuren greifbarer zu machen, aber der Star ist eigentlich die Küche. Neben ganz viel Stress, ganz vielen Beleidigungen und ganz vielen Fehden hat die Serie aber in allen Poren auch Herz und das zeigt sich immer deutlicher, auch dank eines tollen Casts, der wohl nicht nur vor der Kamera zusammengewachsen ist. So fühlt es sich zumindest an. Die Belohnung ist eine Staffel 2 und das wird spannend, wie man das noch einmal toppen will.
Die Serie "The Bear: King of the Kitchen" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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