Atlanta Medical (The Resident) - Review Staffel 6
Auch wenn FOX die sechste Staffel mit 13 Episoden von "Atlanta Medical" aka "The Resident" nicht als großes Finale im Vorfeld angekündigt hat, so lag doch etwas in der Luft, was eine solche Entscheidung wahrscheinlich machte. Das hat wohl auch das Produktionsteam rund um Amy Holden Jones (wobei es intern natürlich eine Verabredung gegeben haben mag) gespürt, denn sie haben eine knackige letzte Staffel entworfen, die überall einen runden Bogen hinterlässt und dennoch für die Zukunft Perspektiven offen gelassen hat, die im Zweifel mit neuen Geschichten hätten gefüllt werden können, nun aber von uns allen individuell erdacht werden können.
© 20th Century Fox; 2022 Fox Media LLC; Tom Griscom/FOX
"Atlanta Medical" hat sich für mich in der Masse der Krankenhausserien vor allem dadurch abgesetzt, weil es so offensiv und konsequent Kritik am US-amerikanischen Gesundheitssystem geübt hat. Das ist zuletzt in den Staffeln nicht mehr so überzeugend umgesetzt worden, ist dafür dann durch sehr dramatische Geschichten der Hauptfiguren aufgefangen worden. Das hatte auch was, denn wenn man so viele Jahre mit einem Schauspielcast und den Figuren verbringt, da entsteht unweigerlich eine Verbindung, die genauso Unterhaltung garantiert. Dennoch fand ich es wichtig und richtig, dass wir in dieser finalen Staffel wieder Ansätze haben, die an die ursprüngliche Erzählart erinnern. Sie waren nie weg, aber doch so reduziert, dass es eher pointierte Stellungnahmen wurden. Diesmal wird das beispielsweise durch die Episode repräsentiert, in der durch einen Zähler aufgezeigt wird, was ein einziges Opfer einer Schusswunde an medizinischem Personal bindet, was weltweit ja kaum noch in Überfluss vorhanden ist. Es ist aber auch die Problematik mit Drogen, die sich in gleich mehreren Storylines durch die Staffel zieht, aber eben in einer Episode mündet, wo gepanschte Fentanyl-Tabletten beinahe vier junge Leben auslöscht. Am deutlichsten wird es sicherlich durch den Politiker Mark Betz (Steven Culp) repräsentiert, der in seiner Funktion als Gouverneur dem Krankenhaus die Mittel streicht und fast schon Krieg führt, bis er selbst Patient im Chastain wird. Man sieht also, die Kritik war wieder da und das eben auf einem runtergeschraubten, aber auch angenehmen Niveau.
© 20th Century Fox; 2022 Fox Media LLC; Tom Griscom/FOX
Auch ansonsten hat die Staffel viel zu bieten. Als 'Altlast' aus der vorherigen Staffel ist das Liebesdreieck zwischen Conrad (Matt Czuchry), Billie (Jessica Lucas) und Cade (Kaley Ronayne) mitgenommen worden. Er hat sich generell schwer getan, nach Nic (Emily VanCamp) eine neue Beziehung einzugehen, weswegen es schwer genug war einzuschätzen, in welche Richtung er wohl tendiert. Der Staffelauftakt verrät uns schließlich, dass es nach einem kleineren Zeitsprung Cade geworden ist. Das war persönlich nicht meine erste Wahl, aber über den Staffelverlauf hinweg muss man wohl sagen, dass es die richtige Entscheidung war. Conrad hat etwas gewagt, aber zu 100% war er noch nicht bereit. Wäre er sofort mit Billie zusammen gekommen, vielleicht hätte es den beiden als Paar nicht gut getan. Bei Cade war sicherlich der Reiz, dass sie ihm charakterlich so ähnlich war, aber wie so oft im Leben, es ist nicht immer die Ähnlichkeit, die hilft, manchmal ist es der Umstand, dass man sich gegenseitig ausbalanciert. Das ist bei Billie eben mehr der Fall gewesen, zumal sie auch die natürlichere Beziehung zu Gigi (Remington Blaire Evans) hat. In einem kleinen Exkurs kann ich auch wieder loben, wie gut es wiederholt geklappt hat, das kleine Mädchen einzubinden. Sie lässt einem einfach das Herz aufgehen und auch ohne dass es innerhalb der Serie betont werden musste, Gigi hat wirklich die Charaktereigenschaften ihrer verstorbenen Mutter eingebracht und das ist einfach eine Wohltat, sie so immer noch zu spüren. Zurück zum Dreieck: ich fand es auch toll, wie erwachsen es insgesamt gelöst wurde. Zwar ist mit James Yamada (Ian Anthony Dale) noch eine weitere Figur eingebracht worden, die es richtig hätte verkomplizieren und hässlich werden lassen können, aber dem war nicht so. Alle vier Beteiligten haben sehr erwachsen reagiert. Cade durfte ihren berechtigten Moment der Enttäuschung haben, aber danach waren sie alle wieder Profis, die es sich auch gegenseitig wünschen. Man sieht also, Liebesdreiecke können gut funktionieren, ohne dass es unweigerlich Verlierer geben muss.
Devon (Manish Dayal) und Leela (Anuja Joshi) haben zusammen eine recht ruhige Staffel bekommen, was ich ebenso gut fand. Die beiden passen einfach so gut zusammen, dass es nur ärgerlich gewesen wäre, künstlich für sie etwas aufzubauen. Sie wurden beruflich herausgefordert, aber auch privat, wobei das mehr bei Leela lag, weil die Schwangerschaft ihres Zwillings Padma (Aneesha Joshi) alles andere als leicht abgelaufen ist. Aber arbeiten wir eins nach dem anderen ab. Devon hat mit seinen Studien ein neues Arbeitsfeld, das für das Krankenhaus enorm wichtig ist, denn je nach Erfolg hilft das auch unweigerlich dem Chastain. Es lief dabei nicht immer alles rosig ab, aber es war Devon anzumerken, dass er eben zukunftsorientiert, aber genauso ein grandioser Diagnostiker ist. In dem Zusammenhang finde ich es auch immer wieder toll, dass innerhalb der Staffel Devons Zeit auch aufgeteilt wird. Spätestens wenn es darum geht, spezielle Diagnosen zu finden, war er immer Conrads bester Schüler und es grandios, wenn sie im Flur ineinander laufen und ihren Wissensstand teilen, um sich entweder etwas bestätigen oder neuen Input geben zu lassen. Mit den beiden als Meister und Schüler hat alles begonnen und es macht es rund, dass sie inzwischen auf einer Ebene sind und sich dennoch in andere Richtungen entwickelt haben, wo sie sich auch nicht ins Gehege kommen können. Bei Leela wiederum war immer schon klar, dass sie im OP eine Koryphäe ist und es war passend, wie sie weiter gewachsen ist und es am Ende hin zur Oberärztin geschafft hat.
© 20th Century Fox; 2022 Fox Media LLC; Tom Griscom/FOX
Padma hat sicherlich mit einer der emotionalsten Storylines der Staffel bekommen. Neben der komplizierten Schwangerschaft war es auch ihre postnatale Depression, die einen ordentlich erschüttern konnte. Natürlich war es speziell auch nicht einfach mit AJ (Malcolm-Jamal Warner), aber nicht weil er so ein schlechter Typ ist, sondern weil er eben Arzt mit Leib und Seele ist, und wohl nie einfach Vaterzeit genommen hätte. Dazu dann eben, dass sie kein klassisches Paar sind und schon waren die Voraussetzungen für Padma besonders herausfordernd. Insgesamt haben wir bei den Haupt- und wichtigen Nebenfiguren viele Diagnosen diesmal zu bewältigen und es zieht sich wie ein roter Faden durch, dass es um eine Enttabuisierung geht. Speziell bei Padma wird so auch betont, dass es jede Mutter treffen kann. Deswegen gibt es auch einen kleinen Exkurs, wie in AJ Zweifel an Padma als Mutter wachsen. Aber ich denke, dass man das nur als kritisches Gegenwicht haben wollte, denn so schnell wie AJ wieder auf Kurs war (was auch besser zu ihm passte), war es schnell wieder vergessen. Für AJ ist es keine herausragende Staffel, denn er ist eben eine Figur, die auffällt, aber vielleicht war auch genau das die Entwicklung. Nach dem Tod seiner Mutter ist er durch die Zwillingsjungs familiär wieder vervollständigt worden und es hat ihn weiter geerdet. Zudem war er auffällig oft für andere da. Mir ist da besonders eine Szene im Kopf geblieben, als er James, den er anfänglich als vermeintlichen Konkurrenten ausgebootet hat, einen wirklich weisen Rat gibt. AJ denkt nicht mehr nur an sich selbst. Er ist ein Familienmensch und Teamplayer geworden, der dadurch in seinem Job nur noch besser wurde.
Bei der Enttabuisierung sind wir auch bei zwei Männern, denn wir haben Ian Sullivan (Andrew McCarthy) mit seiner Drogensucht und wir haben Randolph Bell (Bruce Greenwood) mit seiner diagnostizierten MS. Er ist in dieser finalen Staffel weniger zu sehen gewesen, aber es hat sich mit seinen Teilnahmen an Studien gut erklären lassen. Neben seiner wirklich schönen Hochzeit mit Kit (Jane Leeves) wird auch bei ihm ganz einer finalen Staffel entsprechend resümiert, wie weit er gekommen ist. Mit Betz' Feldzug gegen ihn wird einiges wieder hochgeholt, was uns dann vor Augen führt, ja, da war mal ein anderer Bell. Aber er ist der Bell geworden, der sich eine solche Badass-Frau wie Kit auch verdient hat. Natürlich ist das Loslassen dennoch nicht einfach, aber es ist nur richtig, dass es keine Wunderheilung für Bell gibt, sondern höchstens ein Aufschieben des Unweigerlichen. Etwas anders sieht das bei Ian aus, für den es eben wieder ein Zurück gibt, doch da kommt es auf Willensstärke an. Es war schon eine interessante Parallele, wie eben diese beiden Männer eigentlich in einem Boot saßen und dann doch wieder nicht. Bell war der Arroganz-Problemfall, Ian leidet eher unter echter Angst, Angst zu versagen. Beide haben aber ihre eigene Geschichte, wobei Charme bei beiden vieles überdecken konnte. Nachdem Cade mit Conrad eher eine Enttäuschung erlebt hat, war es ihr wiederum zu gönnen, dass es mit ihrem Vater besser werden könnte. Auch hier ist zu viel vorgefallen, aber dennoch entlässt man die beiden mit dem Wissen, dass sie auf einem guten Weg sind. Generell sind alle auf einem guten Weg. Dass am Ende eine schwere Phase für das Krankenhaus abgewendet werden konnte, das war symbolisch wohl das wichtigste. Das problematische Gesundheitssystem und die Dramen des Alltags wird es immer noch geben, aber die Figuren sind so gereift und gewachsen, dass man sie ihrem Schicksal guten Gewissens überlassen kann.
Fazit
"Atlanta Medical" ist nicht öffentlich als final mit Staffel 6 angekündigt worden, aber geahnt haben es wohl alle, weswegen ein wirklich rundes Abschlussbild entstanden ist. Es gab für alle noch einmal unterschiedliche Herausforderungen, es wurde viel auf die Anfangszeiten der Serie verwiesen und auch die Kritik am Gesundheitssystem war wieder angemessen integriert. Die Mischung demonstriert so perfekt, warum man diese Serie so gut gucken konnte und warum man sie jetzt trotz des Abschieds in Frieden gehen lassen kann.
Die Serie "Atlanta Medical" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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