Undercover im Seniorenheim - Review, Staffel 1
Die weltweite Corona-Pandemie liegt nun schon fast fünf Jahre zurück und dennoch gibt es eine Aussage, die mir immer im Ohr geblieben ist und die ich für die neue Netflix-Miniserie "Undercover im Seniorenheim" absolut passend finde, auch weil sie aktueller denn je ist: Vergesst die älteren Menschen nicht. Eine Aussage, die beim ersten Lockdown fast überall zu lesen war und dennoch habe ich heute manchmal das Gefühl, es war eine Aussage, die heute nichts mehr wert ist, weil die Menschen viel zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind. Auch wenn es bei dem Netflix-Format, welches auf dem Oscar-nominierten Dokumentarfilm "The Mole Agent" basiert und dort Missstände im Altersheim aufgedeckt worden sind, nicht direkt darum geht, sondern um Diebstahl, ging es mir beim Schauen nicht mehr aus dem Kopf. Warum genau, das könnt ihr jetzt nachlesen.
© 2024 Netflix, Inc.; Colleen E. Hayes/Netflix
Ted Danson war mir natürlich schon lange ein Begriff, da ich aber die "CSI"-Serien nicht so verfolgt habe, fiel er mir erst durch "The Good Place" auf und auch wenn ich bisher nur eine Staffel gesehen habe, so wurde mir doch schnell bewusst, dass Danson es großartig beherrscht, Tragik und Comedy in ein und derselben Szene zu vereinen. Kein Wunder also, dass es für "Undercover im Seniorenheim" wieder zur Zusammenarbeit mit Michael Schur kam und ich kann jetzt schon sagen: Alles richtig gemacht. Vor ein paar Jahren kam ja die Diskussion auf und sie herrscht eigentlich noch immer, dass es keine entsprechende Rollen für Schauspieler und Schauspielerinnen über 60 gibt. Das ist zwar heute noch immer zu wenig, wenn ich aber an Serien wie "The Kominsky Method", "Grace & Frankie" oder auch manch andere denke, ist man doch auf einem guten Weg. Ich finde es aber auch wichtig, dass man in Filmen und Serien aufzeigt, nur weil man ein bestimmtes Alter erreicht hat, noch lange nicht zum Alten Eisen gehört und sich noch immer mit Hobbies beschäftigen kann, die ein gewisses technisches Können erfordern, was hier wunderbar in der ersten Episode aufgegriffen wird. Aber vor allem geht es bei Titelfigur Charles (Danson) darum, dass er nach dem Tod seiner geliebten Frau wieder am Leben teilnimmt. Das ist auch ein Thema, was wichtig ist, denn Ältere sind oftmals alleine und oftmals muss man sie ein bisschen zu ihrem Glück zwingen. Bei Charles hat man zum Beispiel in meinen Augen bemerkt, dass er sich vielleicht auch nicht mehr traut, am Leben teilzunehmen, weil er niemanden mehr hat, mit dem er das teilen kann und zu seiner Tochter Emily (Mary Elizabeth Ellis) hat er ein Verhältnis, bei dem man zu Beginn mehr als schnell bemerkt, dass es sehr sehr lose ist und dass die Ehefrau und Mutter eigentlich der Kleister und die Vermittlerin war. Dennoch versucht Charles doch irgendwie auf seine Art und Weise, eine Beziehung zu Emily aufzubauen bzw. zu halten, die dann doch etwas zum Schmunzeln einlädt. Doch genau sein ständiges Zeitunglesen und das Ausschneiden von Artikeln bringt ihn eines Tages mit Privatdetektivin Julie (Lilah Richcreek Estrada) zusammen. Diese sucht nämlich für einen Undercovereinsatz in einem Seniorenheim einen geeigneten Mann, den sie da einschleusen kann. Man hätte sicherlich auch eine Frau nehmen können, aber so ist das schon in Ordnung. Alleine schon bei den Vorstellungsgesprächen ergeben sich Szenen, bei denen man (leider) nicht umhin kommt, an seine Großeltern oder Eltern zu denken und Charles ist da echt der leuchtende Stern, selbst wenn seine darauffolgenden Trainingsstunden auch zum Grinsen einladen, weil er eben doch nicht so bewandert ist, wie Julie voraussetzt.
Charles wird ins Seniorenheim Pacfic View eingeschleust, weil von einer Bewohnerin die Halskettet entwendet wurde und ihr Sohn Evan (Marc Evan Jackson) nicht die Polizei einschalten will. Eigentlich ein cleverer Zug, jemanden extra dafür quasi zu 'casten'. Es ist allerdings auch mit extremer Arbeit und Vorbereitung verbunden, nicht aufzufliegen und dennoch Kontakte zu knüpfen. Charles ist also genau der richtige Mann dafür: er wird gebraucht, er wird gefordert, er knüpft neue Kontakte und geistig stellt man ihn auch vor eine neue Aufgabe, die ihm als ehemaliger Professor auch nicht so schwer fallen dürfte. Interessant war hier aber seine Ankunft im Pacfic View. Die Unterkunft hat nämlich noch eine andere Nebenstation: 'Nachbarn'. Diese ist für die demenzerkankten Bewohner und Bewohnerinnen, von denen man aber nichts sieht. Man merkt Charles aber auch an, wie schwer ihm das fällt und so wird auch klar, dass seine Frau selbst Demenz hatte und ich konnte dadurch noch besser seinen in sich gekehrten und nachdenklichen Zustand verstehen. Dennoch fand ich seine Ankunft ziemlich amüsant, weil Heimleiterin Didi (Stephanie Beatriz) ihm mit Florence (Margaret Avery) und Virginia (Sally Struthers) gleich zwei Bewohnerinnen vorgestellt hat, auf die man gefasst sein muss, denn die sind noch recht fit und haben Lebensfreude und sexuelle Gelüste. Würde mich nicht wundern, wenn Virginia die "Shades of Grey"-Reihe gelesen hätte. Natürlich werden auch andere Bewohner und Bewohnerinnen auf den Neuankömmling aufmerksam und nicht alle sind erfreut, wie beispielsweise Elliot (John Getz). Aber auch Charles selbst muss ziemlich balancieren. Auch wenn er kein besonders gutes Verhältnis zu Tochter Emily hat, sorgt sie sich um ihn und macht Charles ausfindig, nur um dann selbst eine plausible aber dennoch falsche Identität anzunehmen. Das wiederum macht Didi stutzig, die Charles schon auf dem Radar hat.
© 2024 Netflix, Inc.; Colleen E. Hayes/Netflix
Beim Schauen habe ich zwar auch gerätselt, wer die Halskette gestohlen haben könnte und hatte dann auch eine ganze Weile Didi im Verdacht. Auch wenn es erst einmal und in erster Linie um die gestohlene Halskette ging, so wurde auch kurz das Thema Budget angeschnitten und wie viel Nerven und Ärger es kostet, etwas finanziert zu bekommen, was im ersten Augenblick gar nicht so kostspielig erscheint. Intensiv fand ich hier auch die letzten beiden Episoden, die Didi vermehrt ins Zentrum gestellt haben. Zu denken, dass man nichts geleistet oder gar versagt hat, weil man an Ort und Stelle nichts erreicht, an dem man seit Jahren arbeitet, kratzt in gewisser Hinsicht natürlich auch am Selbstbewusstsein und hier kann man Charles ruhig mal als Helden darstellen, denn er hat Didi verdeutlicht, dass es in einem Seniorenheim (und in anderen Bereichen) nicht um das Geld und die Finanzierung selbst geht, sondern um die Menschlichkeit und das finde ich in solchen Berufen ohnehin unglaublich wichtig, weswegen Pflegepersonal deutlich mehr verdienen müsste. Denn sie machen es mit Leidenschaft und Charles hat das sehr gut bei sich selbst erkennen und beschreiben können und Didi damit zum Umdenken bewegen können. Mir tat es aber auch leid, dass seine eigene Freundschaft zu Calbert (Stephen Henderson) kurz vorm Staffelende auch noch am seidenen Faden hing, auch wenn man beide Seiten unglaublich gut verstehen konnte.
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"Undercover im Seniorenheim" konzentriert sich vor allem in vielen Lebenslagen auf die Menschlichkeit und auf das menschliche Miteinander, was im Alter immer weniger zu werden scheint. Es wird aber in den acht knapp halbstündigen Episoden verdammt gut aufgezeigt, dass auch ältere Menschen Bedürfnisse jeglicher Art haben, dass sie trauern, dass sie lieben, dass sie feiern und einfach das Leben genießen wollen. Es gab durchaus einige Szenen, bei denen man emotional berührt wird oder gar die ein oder andere Träne verdrücken muss. Besonders gilt das auch bei Gladys (Susan Ruttan), die in meinen Augen eine sehr liebenswerte Frau ist und eine wunderbare Freundschaft zu Charles hat, selbst wenn die Demenz ihr immer mehr von ihr selbst nimmt. Ich musste dabei aber tatsächlich an die Filme "Honig im Kopf" und "Still Alice" denken, die eine ähnliche Thematik haben. Ich denke, auch wenn sich Menschen nicht mehr an Namen, Personen oder Tätigkeiten erinnern können, spüren sie doch, ob sie gemocht/geliebt werden und auch bei Gladys ist mir das auch gefallen und dass Charles dadurch auch nochmal etwas verarbeiten und wieder aufblühen konnte und dadurch darauf gekommen ist, was mit der Halskette geschah.
Fazit
"Undercover im Seniorenheim" erinnert teilweise an Hulus "Only Murders in the Building" und ich persönlich hätte nichts gegen eine zweite Staffel. Auch wenn ich mit dem offenen Ende 'leben' kann, wäre es schön zu sehen, wie sich Charles' Leben entwickelt hat und ob seine Zusammenarbeit mit Julie mit dem neuen Auftrag weitergeht. Michael Schur hat ein kleines Juwel erschaffen, was man getrost auf seine Watchlist setzen kann.
Die Serie "Undercover im Seniorenheim" ansehen:
Daniela S. - myFanbase
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