You - Du wirst mich lieben - Review Staffel 4
Intuitiv habe ich es nach dem ersten Teil von Staffel 4 von "You - Du wirst mich lieben", der Anfang Februar 2023 auf Netflix veröffentlich wurde, nicht gewagt, schon eine Review zum Halbzeitfazit zu schreiben. Zum einen weil dieser erste Teil mich nicht maßgeblich vom Hocker gerissen hat und zum anderen weil ich schon ahnte, dass Teil 2 möglicherweise alles widerlegen würde, was ich vielleicht geschrieben hätte. Genau so ist es nun jetzt also mit dem zweiten Teil, der nur einen Monat später veröffentlicht wurde, passiert. Es war ein ziemlicher Mindfuck, aber ist das dann auch eine qualitative Bestätigung der dritten Staffel, die mir so gut gefallen hat?
An einer Einschätzung der ersten fünf Episoden komme ich dennoch nicht vorbei, aber das ist auch nicht schlimm, denn nicht alles war schlecht. Was ich eigentlich extrem passend fand, das war das Setting dieser vierten Staffel. Zum Ende von Staffel 3 hin waren die Hinweise gen Paris gestreut, was ich auch nicht schlecht gefunden hätte, aber dennoch macht der Umzug nach London noch viel mehr Sinn. Denn wenn ich an Joe Goldberg (Penn Badgley) denke, dann sehe ich ihn vor allem in seiner Staffel 1-Version, in der er mit der Bibliothek verwachsen wirkte, weil es wie sein natürlicher Lebensraum wirkte. Abgesehen vom exzessivem Stalking manifestierte das immer deutlich seine Persönlichkeit, daher immer passend auch diese belesenen inneren Monologe. Dementsprechend ist London oder vor allem Thema Oxford etwas, wo ich sofort sagen würde, das passt hervorragend, auch mit dem Kleidungsstil, den Joe pflegt. Auch als Collegeprofessor wurde für mich eine virtuelle Checkbox um einen weiteren Punkt abgehakt, denn das wirkte ebenfalls sehr schlüssig und natürlich. Dementsprechend war die Ausgangslage wirklich vielversprechend, doch die Freundesclique, in die Joe unter neuem Alias Jonathan durch Malcolm (Stephen Hagan) eingeführt wird, war ein ziemlicher Bruch mit diesem bis dato angemessenen elitären Eindruck.
Den Freundeskreis kann man zwar nicht über einen Kamm scheren, weil der Unterschied zwischen Kate (Charlotte Ritchie) und beispielsweise Gemma (Eve Austin) nicht größer sein könnte, aber die Leute waren eben eher mehr Gemma und dieses ekelhafte versnobte Verhalten war schon echt zuwider. Da diese erste Staffelhälfte aber ganz im zweiten Frühling der Whodunnits agiert, verstehe ich diese übertriebene Charakterzeichnung wiederum gut, denn desto extremer, desto wahrscheinlicher könnten alle der gesuchte Täter sein. Dennoch war es manchmal schwer mitanzusehen. Es ist wahrlich nicht so, als hätte Joe über die vorherigen drei Staffeln nur mit Personen seines Kalibers agiert, aber der Unterschied war diesmal so krass, dass es auch wieder unglaubwürdig erschien, dass es Joe da überhaupt solange aushält. Dennoch möchte ich auch für einige Charaktere dieser dritten Staffel eine Lanze brechen. Die angesprochene Kate finde ich solo sehr badass und sie hat mir so wirklich gut gefallen. Wenn später ihre Familienverhältnisse verraten werden, dann versteht man auch, dass sie manche Menschen wie einen Bienenschwarm anzieht. Ich glaube wiederum aber nicht, dass sie mit Joe ein gutes Doppel angibt. Ähnlich wie bei Love (Victoria Pedretti) wurde viel argumentiert, wie ähnlich sie sich doch sind, aber wir haben von Kate nicht mal ansatzweise solche Seiten erlebt, wie es bei Love wiederum normal war. Also was auch immer diese Gemeinsamkeiten sein sollen. Dennoch mochte ich sie als Figur. Ihre beste Freundin Phoebe (Tilly Keeper) ist da das völlige Gegenteil, weil sie sehr naiv ist und dennoch hat sie sich mit jeder Episode mehr in mein Herz gespielt. Denn sie mag noch so reich sein, man hat einfach gemerkt, dass sie überhaupt nicht so stereotyp denkt, wie man deswegen vielleicht meinen könnte. Sie ist ein sehr herzlicher und offener Mensch. Sie ist zwar auch total manipulierbar, aber deswegen fühlte ich mich ihr nur näher, weil ich ihr einfach gegönnt habe, an Menschen zu geraten, die es so gut mit ihr meinen, wie sie es umgekehrt mit allen anderen tut. Auch Rhys (Ed Speleers) möchte ich an der Stelle noch hervorheben, auch wenn er im späteren Verlauf dieser Review erst noch richtig wichtig werden wird, aber sein Charakter wirkte auch von Anfang an wie jemand, mit dem Joe es wirklich gut kann und das war im ganzen restlichen Chaos sehr angenehm.
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Kommen wir jetzt aber wieder zu der Whodunnit-Struktur der ersten Staffelhälfte. Ich mag das eigentlich und ich finde auch, dass eine Serie wie "You", die ein spezielles Muster bedient und dadurch Gefahr läuft, zu wiederholend zu agieren, es wagen muss, etwas auszubrechen. Der stetige Settingswechsel der Staffeln war schon ein wichtiger Punkt, aber diesmal ist es auch die Idee, dass Joe den Mörder sucht und dass er selbst das Stalking-Opfer wird. Sonst hat er sich am Anfang einer Staffel immer neu verguckt und somit sein 'You' ausgewählt, doch diesmal wird er kurz selbst zum 'You', um dann diese Ansprache selbst an eine unbekannte Person zu richten, für die er aber mal keine toxische Liebe, sondern eher Hass empfindet. Also bis hierher wirklich eine clevere Idee, auch weil Joes Studentin Nadia (Amy-Leigh Hickman) ihm gerade am Anfang unbewusst in die Karten spielt und ihn bestens für das Whodunnit-Genre nach beispielsweise Agatha Christie schult. Nadia ist auch so eine Figur, die ich in dieser Staffel sehr gemocht habe, und die ich mir eben bewusst aufgespart habe. Sie ist ohne Frage eine ältere Version von Ellie Alves (Jenna Ortega), die in Staffel 2 seinen Beschützerinstinkt weckte. Auch Nadia gegenüber fühlt sich Joe sofort verantwortlich, spätestens als er herausfindet, dass sie von Malcolm ausgenutzt wurde. Dennoch ist Nadia keine brave, unschuldige Studentin, denn sie weiß auch, was sie will, was ihr in der zweiten Staffelhälfte eine sehr wichtige Rolle zukommen lässt. Aber durch ihre Unterstützung ist Joe eben bestens auf dieses Spielchen vorbereitet, doch dann kommt eben dieser teilweise echt furchtbare Freundeskreis ins Spiel, denn unter ihnen gilt es, den Mörder zu finden und damit kollidierte das Konstrukt dann doch gewaltig. Denn es war zu offensichtlich, wer der vermeintliche Täter war. Zudem ging es in dieser Phase zu sehr um das Hin und Her zwischen Kate und Joe, das mich wie bereits erwähnt nicht überzeugen konnte, und spätestens zum Finale der ersten Hälfte hin, als die Freunde dann völlig high nur noch alle umbringen wollten, da war es mir dann echt zu viel. Da waren die guten Ansätze alle aufgebraucht.
Aus genau diesem Grund frage ich mich auch, wie clever es von Netflix war, "You" in zwei Hälften auszustrahlen. Der Zeitraum von vier Wochen ist nicht dramatisch lang, aber dennoch habe ich darüber hinweg diesen etwas enttäuschten Eindruck im Hinterkopf gehabt. Das wäre bei einem vollständigen Binge-Watching-Erlebnis so deutlich sicherlich nicht passiert. Andererseits lässt diese Pause den Unterschied zwischen den beiden Staffelhälften noch krasser erscheinen. Auch wenn am Ende, wenn Rhys als Killer dasteht, die Frage bei mir aufkam, ob Joe jetzt wirklich fünf Episoden brauchen wird, diesen zu überführen und loszuwerden, wäre ich dennoch niemals auf diese Entwicklung gekommen, die sich uns dann dargestellt hat. Für mich hat sich in der zweiten Staffelhälfte definitiv geklärt, warum ich Kate und Joe als Paar nicht so überzeugend finde, denn die eigentliche 'Liebes'geschichte dieser Staffel ist die zwischen Joe und Rhys aka dem düsteren Teil seines Unterbewusstseins. Auch wenn ich wahrlich keine Expertin für dissoziative Persönlichkeitsstörungen bin und deswegen nicht beurteilen mag, wie logisch Joes plötzlicher Wandel ist und was genau ihn an dem echten Rhys so fasziniert hat, so finde ich die Idee an sich toll, weil sie auch so unerwartet kam. Denn es gibt keinen doppelten Joe, also in bildlicher Hinsicht, sondern es gibt das Äußere von Rhys, das wiederum aber nicht im Geringsten etwas mit dem echten Rhys Montrose zu tun hat, der einfach nur das Pech hat, mit seiner Autobiographie etwas in Joe etwas erweckt zu haben, was ihn letztlich das Leben kostet. Und warum ist es nun eine Art Liebesgeschichte? Zum einen weil ab jetzt klar ist, dass wir Badgley und Speleers nur noch zusammen besetzen dürfen, denn sie waren wirklich großartig zusammen, und zum anderen weil eben diese diffuse Persönlichkeit von Joe so metaphorisch perfekt eingefangen wurde. Ja, Joe strebt in all den Staffeln immer nach der großen Liebe, aber vielleicht geht es tatsächlich mehr darum, sich selbst zu lieben und mit sich im Einklang zu leben (auch wenn es bei Joe zugegebenermaßen grenzwertig ist, andererseits ist er natürlich auch durch Traumata in der Kindheit entscheidend geprägt).
Auch wenn ich diese Wandlung und alle damit verknüpften Wandlungen rund um Marienne (Tati Gabrielle) und Nadia nicht kommen sah und deswegen gefeiert habe, so ist gleichzeitig auch wieder der Gedanke da, ob es nicht langsam genug ist. Staffel 3 war und ist mein bisheriger Höhepunkt. Staffel 4 ist zwar keine Enttäuschung, weil viel Neues gewagt wurde (eben u. a. die Ausstrahlung), weswegen der Handlungsverlauf mir definitiv in Erinnerung bleiben wird, aber gleichzeitig zeigt es mir doch, dass das Kapitel Joe Goldberg vielleicht zugeschlagen werden sollte. Showrunnerin Sera Gamble war nun schon in den Medien, um Pläne für Staffel 5 zu teilen, was schon sehr konkret erscheint. Netflix wird angesichts des Erfolgs wahrlich keinen Grund haben, die Serie einfach aus dem Programm zu streichen, weswegen ich die Produktion noch mehr in der Verantwortung sehe, für sich einen Schlussstrich zu finden. Auch wenn ich beispielsweise das Potenzial rund um Nadia und andere Figuren aus vorherigen Staffeln, die wissen, was Joe so treibt, sehen kann, so wäre es sicherlich sinnig, bald das Finale zu konzipieren. Natürlich würde ich eine fünfte Staffel noch mitnehmen, aber danach dürfte auch einfach gut sein. Vielleicht vertraue ich in der Angelegenheit auch einfach auf Penn Badgley, der gewisse Schwierigkeiten mit der Rolle und wie sie international wahrgenommen wird, immer zum Ausdruck gebracht hat. Er will sicherlich nicht für immer Joe Goldberg spielen, weswegen vielleicht er schon eine Endperspektive hat. Wer weiß das schon…
Fazit
Ob die Ausstrahlungspolitik von "You" wirklich so clever war, das möge einfach jeder für sich bewerten, aber es ist wohl relativ einfach gesagt, dass die zweite Staffelhälfte definitiv das Highlight ist. Diese war schauspielerisch und an gebotener Raffinesse wirklich überzeugend. Dennoch schätze ich das Setting und das Spielen mit neuen Erzählweisen, denn ohne die erste Hälfte hätte die zweite nie so wirken können. Insgesamt steht Staffel 4 für mich dennoch hinter der vorangegangenen zurück und ich sende wieder ein paar positive Gedanken aus, dass ein Serienende geplant werden dürfte.
Die Serie "You - Du wirst mich lieben" ansehen:
Lena Donth – myFanbase
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