Popliteratur - Ein Erklärungsversuch
Es ist schwer zu sagen, warum manche Werke als Popliteratur gelten, andere wiederum nicht. Oftmals genügt die "einfache" Sprache, da sie mit Slang durchsetzt ist, und scheinbar biographische Handlungen, doch es ist natürlich viel mehr als das. Sie alle haben den Bezug zur Popkultur gemein – Charaktere bewegen sich oft im passenden Umfeld als Journalisten (wie in Markus Kavkas Held in "Rottenegg") oder gleich als Plattenverkäufer (wie in Nick Hornbys "High Fidelity"). Ein Äquivalent zu diesem tatsächlich sehr deutschem Phänom - nur unsere Sprache birgt diesen Begriff - kann man in der Pop Art sehen, eine Kunstform, die ebenfalls Bezug auf aktuelle, popkulturelle Ereignisse nahm oder nimmt, bestes Beispiel ist vermutlich Andy Warhols "Portrait" von Marilyn Monroe.
Die Autoren der deutschen Riege haben oftmals die Gemeinsamkeit, einst fürs Musikfernsehen gearbeitet zu haben, selbst Musiker zu sein – oder sonst auch "etwas mit Medien" zu machen. Als wichtigster deutscher Autor gilt sicherlich Benjamin von Stuckrad-Barre. 1998 entstand "Soloalbum", 2003 verfilmt mit Matthias Schweighöfer und Nora Tschirner. Als Vorlage diente seine Arbeit als Musikjournalist in den Neunziger Jahren. Ein Leben wie in einer Parallelwelt. Wer selbst im echten Leben wenig damit zu tun hat, hat eine Chance, durch das Lesen genau dahin zu flüchten.
Ein ebenfalls wichtiges Werk ist "Fleisch ist mein Gemüse". Hier erzählt Heinz Strunk 2004 von seiner Vergangenheit als Teil einer Tanzkapelle. Sein Kollege Rocko Schamoni, der ein Jahr später mit "Dorfpunks" für Furore sorgte und eine ganze Generation nachhaltig prägte, veröffentlichte zum 1. September 2016 einen Brief-, pardon, SMS-Wechsel mit Christoph Grissemann: "Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang".
Die Grande Dame der Popliteratur ist Alexa Hennig von Lange. Mit "Relax" schuf die umtriebige Berlinerin 1997 ein Monument fürs Erwachsenwerden. Inzwischen nehmen ihre Jugendbuchcharaktere allerdings immer weniger Drogen.
Die meisten Popschrifsteller gehen im Laufe ihrer Autorenkarriere ein Stück weit vom Genre weg, was daran liegt, dass der Erstling oftmals von Adoleszenz und Coming-of-Age sprüht. Zur Jugendlichkeit gehört zudem eine Spur weit Oberflächlichkeit, oftmals ein elitäres Verhalten – durch Macken bleiben die Figuren trotzdem welche zur Identifikation mit dem Publikum. Wer noch nicht gescheitert ist, wird es vermutlich im Laufe der Handlung tun, dies führt zu – scheinbar – abgeklärten Zynismus. Das Gesamtergebnis kann den Leser fordern und zum eigenen Reflektieren anregen.
Die Welle der Jungen Wilden scheint vorüber? Nicht ganz. 2011 veröffentlichte der Hamburger Miteigentümer und Programmdirektor des Uebel & Gefährlich, Tino Hanekamp, das fulminante "So was von da", im selben Jahr erschien "Tschick" von Wolfgang Herrndorf. Weitere wichtige Autoren sind unter anderem Musiker Jens Friebe und Sven Regner, Drehbuchautor Christian Kracht und Radio-DJ Thomas Meinecke. Als weibliche Vertreterin der Postmoderne darf Sibylle Berg nicht vergessen werden.
Speziell im 2015er "180 Grad Meer" machte sich Moderatorin Sarah Kuttner besondere Formulierungen zu eigen, ihr Debüt "Mängelexemplar" kam 2016 in die deutschen Kinos. Der Soundtrack ihres Lebens wurde dafür nicht vollumfänglich übernommen, doch Musikzitate finden immer mal wieder den Weg in ihre Werke, die sie speziell mit ihrer eigenen Sendung "Sarah Kuttner – Die Show" und "Kuttner." ins Leben ihrer Fans gebracht hat. Inzwischen gehören Serien immer stärker zum popkulturellen Leben und so spricht Sarah Kuttner gern von "The Walking Dead". Mareile Kurtzs "Mausmakis blaue Pumas" hat zum Beispiel ein Quellenverzeichnis in Kurzgeschichtenlänge, so viele Referenzen birgt die Erzählung. Die Aufarbeitung gesellschaftlicher Ereignisse fand übrigens bereits in den Fünfzigern als Beatkultur in Amerika statt, ist allerdings seitdem nicht besonders gegenwärtig.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch die Lesungen, Feuerwerke für sich. Hörbücher werden ebenfalls gerne von der Fangemeinde gekauft, denn die eigene Stimme des Autors hat in diesem Bezug im wahrsten Sinne ersten Stellenwert.
Simone Bauer - myFanbase
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