Bewertung

Review: #4.03 Aus den Angeln gehoben

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Nachdem im Staffelauftakt uns bis dahin völlig unbekannte Personen im Mittelpunkt standen und die Episode der vergangenen Woche ein insgesamt eher mäßiges Erzähltempo anschlug, geht es dieses Mal Schlag auf Schlag. Ein Zeitraffer schließt eine erzählerische Lücke aus #4.01 Strangers, in der Gegenwart nehmen die Geschichten Fahrt auf und auch in der Vergangenheit spielen gleich mehrere Handlungsstränge eine Rolle. Sie alle vereint das Thema Familie, Freundschaft und Zusammenhalt.

Beim Anschauen der Folge fühlte ich mich angesichts der vielen Entwicklungen und gezeigten Figuren bestens unterhalten. Die neuen Charaktere fügen sich nun also langsam in die Handlungen rund um die Pearsons ein. Zugleich ist die Fülle an Geschichten aber auch mein größter Kritikpunkt an der Episode. Gefühlt bleiben an vielen Stellen nur Schnipsel von Handlungen zurück, die ich gerne ausführlicher miterlebt hätte. Es ist eine nicht untypische Schwäche der Serie. Sie lässt sich durchaus gerne Zeit für ein bestimmtes Thema oder einzelne Figuren, versucht dann aber wieder den dadurch ins Stocken geratenen Erzählfluss, mit zu hohem Tempo anzukurbeln.

Nick

Der Zeitraffer in der Handlung um Nick und seine Therapeutin schließt die erzählerische Lücke, die sich im Staffelauftakt ergab, als Nick den Stuhl durch die Fensterscheibe in den Raum warf, in dem Cassidy gerade bei einem Kriegsveteranen-Treffen saß. Zugleich erfahren wir aber auch, wie es Nick seit seinem letzten Auftritt ergangen ist. Es war schön aber auch traurig zugleich, mitzuerleben, wie die Therapeutin Nick im Laufe der Zeit dazu gebracht hat, sich ihr gegenüber zu öffnen. Leider ist es ihr aber nicht gelungen, dies auch auf andere Personen auszuweiten. Seine starke Fokussierung auf sie führt nach ihrem Umzug dadurch auch zu seinem Rückfall. Erneut scheint sein Leben aus den Fugen zu geraten, weil er eine wichtige Bezugsperson verloren hat. So ist es auch kein Wunder, dass er wahrscheinlich Angst davor hat, seine Familie und insbesondere Kevin näher an sich heranzulassen. Die Geschichte der beiden scheint noch einmal von vorne zu beginnen, nur dieses Mal ist die Aussicht auf einen Erfolg Kevins wohl größer als zuvor.

Kevin

Von allen Geschichten am besten gefiel mir einmal mehr alles rund um Kevin. Ich habe es schon mehrfach in früheren Reviews betont, dass die Leistung von Justin Hartley meines Erachtens leider zu sehr unterschätzt wird. Inzwischen haben ja nahezu alle Darsteller der Pearson-Familie eine oder mehrere Nominierungen bei den Emmys und ähnlichen Auszeichnungen für Schauspieler erhalten oder gar gewonnen, ihm blieb dies jedoch soweit ich das mitverfolgt habe verwehrt. Dabei ist sein Charakter des Kevin so vielschichtig, natürlich mitunter glatt, charmant und auf sein Aussehen reduziert. Aber gerade in dieser Folge konnte er wieder ganz andere Seiten von sich zeigen und das gilt zugleich auch für den jungen Kevin in der Vergangenheitshandlung. So zeigt sich einmal mehr in Gegenwart und Vergangenheit wie empathisch Kevin sein kann, gerade wenn es um die Familie geht. Wir haben schon miterleben können, wie er seinem Bruder Randall bei dessen Panikattacken zur Hilfe kam, bekommen mit dem Blick in die Vergangenheit jedoch auch gezeigt, dass er dies auch schon in der Kindheit getan hat. Gerade diese Anknüpfungen an frühere Begebenheiten und Situationen sind es, die "This Is Us" so vielschichtig und dadurch intensiv werden lassen. Natürlich steht Kevin auch schon immer Kate zur Seite, wie wir bereits zu Genüge mitverfolgen konnten. Mit Nick hat er nun aber eine besonders schwere Nuss zu knacken. Womöglich ist es ihm mit dem entkrampfenden Lachanfall während des AA-Treffens nun auch gelungen. Es wäre nicht nur ihm selbst, sondern auch Nick zu wünschen. Ganz nebenbei sind nun auch schon die Anknüpfungspunkte zu Cassidy gelegt worden. Während das erste Aufeinandertreffen aus Cassidys Sicht durchaus verständlich noch große Skepsis hervorrief, scheint aber auch hier mit dem Lachanfall eine Entkrampfung einzutreten. Mir missfällt es zwar ein wenig, dass Cassidy verheiratet ist, ich hoffe dennoch, dass sich darum nicht noch ein großes Drama entspannen wird. Vielleicht werden wir aber auch diesbezüglich noch überrascht und das nimmt eine ganz andere Entwicklung als erwartet.

Kate & Toby

Das hohe Erzähltempo tat insbesondere der Handlung der beiden gut. Erfrischend unaufgeregt wurde dann auch das Geheimnis um Tobys Besuche im Fitnessstudio schon jetzt aufgelöst und nicht noch unnötig in die Länge gezogen. Kates erste Reaktion darauf fand ich auch nur allzu verständlich. Dabei ging es ihr meines Erachtens primär gar nicht unbedingt darum, dass Toby ihr das so lang verschwiegen hat, sondern vielmehr war sie im ersten Moment über seine Begründung schockiert und auch persönlich verletzt. Aber gerade die Erkenntnis, dass es eben gar nicht die Absicht war, sie zu verletzen, sondern für ihren gemeinsamen Sohn da sein zu können, hat Kate auch selbst geholfen. Sie hat erkannt, dass auch sie etwas dafür tun muss. Dass der Weg für sie ein weiter sein wird, verdeutlicht noch einmal der Blick in die Vergangenheit. Die gemeinsame Aerobic-Stunde mit Rebecca endet für sie mit einem frustrierenden Erlebnis im Anschluss auf der Waage. Auch in der Gegenwart zeigt sich, dass der Anfang aus kleinen Schritten besteht. Der gemeinsame Spaziergang mit dem anfänglich doch sehr skurrilen und unfreundlichen Nachbarn zeugt davon.

Randall & Jae-won

Mir war gar nicht bewusst, dass Randall und Jae-won inzwischen auch privat eine so tiefe Freundschaft entwickelt haben. Wenn man darüber einmal hinwegsieht, so ist diese aber auch schön anzusehen. Sie kennen die Eigenheiten des anderen wirklich schon sehr gut und Jae-won versteht es einfach gut, Randall in seinem Amt den Rücken für die Dinge frei zu halten, die ihm wichtig sind. Umso schöner ist es, dass Randall diese Treue und Freundschaft auch zu würdigen weiß und ihm trotz des ihm angetragenen Rates nicht kündigt, sondern seine Position noch stärkt. Das hängt in erster Linie natürlich auch mit Randalls typischer Art und Weise zusammen, die Dinge unkonventionell und anders als andere anzugehen. Sein offenes Ohr für die Bedürfnisse seiner Wähler ist im wichtiger, als das politische Geplänkel und Geschachere. Es ist die konsequente Fortführung seines Auftretens im Wahlkampf, die ihm möglicherweise nicht nur Freunde einbringen wird. Die Warnung wurde ja bereits ausgesprochen. Jetzt fehlt nur noch der vermeintliche Gegenspieler. Ich bin gespannt, was uns hier noch erwarten wird.

Déjà & Tess

Diese beiden kamen mir in dieser Folge definitiv zu kurz. Es gefiel mir gut, dass Malik Déjà schon zu diesem frühen Zeitpunkt über seine Tochter aufgeklärt hat. Die Wahrheit aus seinem Mund zu hören ist ein feiner Zug von ihm, mit dem er auch direkt weitere Pluspunkte bei mir sammeln konnte. Leider war die gemeinsame Szene von ihm und Déjà insgesamt doch sehr kurz und wir konnten auch nicht miterleben, wie sie sich von der überraschenden Mitteilung und damit zumindest in diesem Moment auch recht unangenehmen Situation loseisen konnte. Umso mehr gefiel es mir jedoch, dass sie sich mit diesen Neuigkeiten an Tess gewendet hat, gibt es in meinen Augen doch ohnehin viel zu selten gemeinsame Szenen der Mädchen. Es ist schön zu sehen, wie hier eine Familie zusammengewachsen ist und sich Vertrauen aufgebaut hat. Umgekehrt kam aber auch Tess viel zu kurz. Die von ihr gegenüber Déjà geschilderte Situation in der Schule hätte ich eigentlich lieber selbst im Bild verfolgt, als sie nur erzählt zu bekommen. Grundsätzlich steckt doch in dieser (sexuellen) Selbstfindungsphase von Tess jede Menge Potential, um dafür auch mehr erzählerischen Spielraum zu schaffen. Allein durch die Schilderung des Vorfalls entfaltet sich in meinen Augen die Wirkung nicht vollumfänglich. Hier wünsche ich mir in den kommenden Episoden doch etwas mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Doch trotz aller Kürze dieser Szenen, zählen diese eindeutig zu meinen Highlights der Folge.

Jack & Miguel

Ich bin mir unsicher, ob die Situation des drohenden Jobverlustes für Jack zuvor schon einmal thematisiert wurde. Miguels Reaktion auf die ausgesprochene Kündigung ist jedoch ein starkes Statement für ihre Freundschaft. Ich glaube Rebecca, aber vielleicht am ehesten noch ihr, und der Familie ist gar nicht bewusst, was für ein loyaler Freund Miguel für ihren Ehemann und Vater wirklich war, zeigte Jack sich in Sachen seiner eigenen Probleme doch stets sehr verschlossen. Vielleicht würde die Familie mit unserem Wissen ihren Stiefvater mit anderen Augen sehen. Er ist wirklich ein großartiger und großherziger Mensch. Das weiß natürlich auch Jack zu würdigen und sein Anruf bei Miguel, um sich zu bedanken, war dann nicht nur rührend, sondern in seiner Art auch sehr komisch, da es doch fast schon so wirkte, als wären die beiden ein Paar. Nachdem wir in der letzten Folge ihr erstes Aufeinandertreffen erleben durften, würde mich jetzt aber doch auch interessieren, wie sich die Freundschaft zwischen ihnen seitdem entwickelt hat. Ich warte also weiter gespannt auf eine Miguel-zentrierte Episode.

Fazit

Eine vollgepackte Episode, der es leider nicht gelingt, allen Geschichten den eigentlich benötigten Raum zu lassen. Dennoch wird die Handlung auf vielen Ebenen spannend und interessant vorangetrieben. Auch die emotionalen Familienmomente kommen nicht zu kurz. Die Ausgangslage für die weiteren Folgen ist vielversprechend, jetzt müssen die Autoren nur aufpassen, dass man sich auch ausreichend Zeit dafür nimmt.

Jan H. – myFanbase

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