Review: #4.01 Sie ist nicht da

Waiting sucks! Unter diesem Motto standen die vielen Monate zwischen dem Finale der dritten Staffel und dem Start der vierten Season von "True Blood", doch entfaltet der oft verwendete Promo-Slogan eigentlich erst im Laufe dieses lang ersehnten Staffelauftaktes seine wahre, perfide Bedeutung, denn für uns Zuschauer ist es plötzlich so, als wäre die Serie während der ganzen Monate, in denen wir gespannt wie Flitzebogen gewartet haben, einfach ohne uns weitergelaufen. Es ist unfassbar viel passiert und wir haben es nicht gesehen. Daher müssen wir uns erst einmal wieder zurechtfinden und nach und nach entdecken, was sich alles verändert hat. Wir sind dabei freilich in guter Gesellschaft, denn auch Sookie hat alles verpasst und kehrt in ein verändertes Bon Temps zurück.

Um genau zu sein, ist ein Jahr vergangen, seit wir und Sookie zuletzt in Bon Temps waren. Da in der Elfenwelt, in die Sookie gebracht wurde, die Zeit anders läuft, glaubt sie zunächst, nur wenige Minuten fort gewesen zu sein. Bei all den vielen Veränderungen, mit denen sie dann plötzlich konfrontiert wird, und den Reaktionen, die ihre Rückkehr auslöst, da sie allgemein für tot gehalten wurde, bleibt ihr keine Zeit, das in der Elfenwelt Erlebte zu rekapitulieren. Ich tue das aber dennoch kurz:

Die Ernte

Die Welt der Elfen ist nicht der Ort voller Love, Peace & Harmony, der er bisher zu sein schien. Sookie entdeckt das wahre Gesicht der Elfen und das ist nicht unbedingt hübsch. Es ist eher Zombie-mäßig. Die Elfenkönigin Mab will keine Halb-Elfen mehr in der Menschenwelt belassen und hat eine Ernte befohlen. In jedem anderen Kontext außerhalb der Landwirtschaft ist "Ernte" ein sehr bedrohlicher Begriff. Im Prinzip haben wir hier Reinrassige, die Mischlinge zusammentreiben, was natürlich ein interessantes und schockierendes Bildnis ist. Es gibt aber auch Elfen, die eine bessere Einstellung zu ihren halbmenschlichen Verwandten haben und Sookie zur Flucht verhelfen.

Diese Darstellung der Elfenrasse steht durchaus im Einklang mit der nordischen Mythologie, die zwischen den schönen Lichtelfen und den bösartigen Schwarzelfen unterschied. Die heutige Bezeichnung "Elf" ist eine Ableitung vom althochdeutschen Begriff "Alb", den wir heute noch im Wort "Albtraum" finden. Auch die Tatsache, dass jene Halb-Elfen, die von den angebotenen Früchten gegessen haben, nicht mehr in die Menschenwelt zurückkehren können, zumindest nicht, ohne kurz darauf zu sterben, ist ein Element, das man schon seit Jahrhunderten so oder so ähnlich in Mythen findet. Es ist prinzipiell nicht empfehlenswert, ein Geschenk von einer Elfe, einer Fee, einem Kobold oder einer anderen übernatürlichen Kreatur anzunehmen, so schön oder schmackhaft es auch sein mag.

Ich bin durchaus gespannt, welche Rolle die Elfen in dieser Staffel noch spielen werden. Freiwillig wird Sookie wohl kaum in die Elfenwelt zurückkehren, aber das Queen Mab ihre Ernte einstellt und Sookie in Ruhe lässt, ist ebenso unwahrscheinlich. Außerdem würde mich mal interessieren, ob Sookies Elfenvorfahr, der diese Gene in die Familie Stackhouse gebracht hat, noch existiert.

King Bill

Ja, Bill ist jetzt König von Louisiana, zumindest was die vampirische Bevölkerung des Bundesstaates angeht. Das heißt im Umkehrschluss, dass er siegreich aus dem Kampf mit Sophie-Anne hervorgegangen sein muss, aber genaueres wissen wir darüber noch nicht. Man wird uns doch wohl diesen epischen Vampirkampf nicht vorenthalten? Was wir erfahren ist, dass Bill ganz anders regiert, als es Sophie-Anne und Russell Edgington getan haben. Bill gibt sich weltoffen und macht echte, menschliche Politik. Er hält Reden, weiht Gebäude ein und schüttelt Hände. Vielleicht küsst er sogar Babys, obwohl ich nicht sicher bin, welche Art von Mutter einem Vampir ihr Baby zum Küssen überlässt. Fakt ist, dass Bill viel tut, um Russells blutigen Auftritt vergessen zu machen, doch er hat auch seine geheimen Fäden, an denen er zieht, wie zum Beispiel eine Spionin im Hexenzirkel von Lafayette, Jesus und Holly.

Noch kann man schwer beurteilen, was von Bills neuer Karriere zu halten ist, aber das Thema hat Potential. Eric lässt jedenfalls einige verbale Spitzen gegen Bill los, die auf unterhaltsame und spannende Auseinandersetzungen zwischen den beiden Vampiren hoffen lassen. Für Eric hat sich gar nicht mal soviel geändert, außer, dass er jetzt der Eigentümer von Sookies Haus ist und auch gleich noch Ansprüche auf Sookie erhebt, wobei ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob diese Szene nicht vielleicht doch nur wieder ein Traum ist. Das wäre zwar ein schon ziemlich abgenutzter Kniff, aber das sehen die Autoren ja vielleicht anders.

Der Hexenzirkel

Der Hexenzirkel, dem sich Lafayette und Jesus da angeschlossen haben, ist mir noch etwas suspekt, vor allem, da ich die Anführerin Marnie irgendwie anstrengend finde. Ihre Gesten waren mir zu theatralisch. Nicht, dass dies für "True Blood" etwas Neues wäre, aber deswegen muss es mir ja nicht auf Anhieb gefallen. Man kann wohl davon ausgehen, dass der Hexenzirkel noch eine größere Rolle spielen wird, da offenbar auch Bill ihn als Risiko betrachtet und der Zirkel nun dank Lafayette so richtig Power entwickelt. Aber was genau bedeutet dies für Lafayette? Er erscheint einerseits als das stärkste Glied in der Kette, als der mit der größten Macht, und andererseits als das schwächste Glied, als der argwöhnischste und unsicherste.

Fight Club

Tara ist für meinen Geschmack bislang der Hauptcharakter mit der furchtbarsten, da klischeehaftesten Entwicklung. Sie lebt nun in New Orleans, betreibt Cage Fighting und führt eine Liebesbeziehung mit einer Frau, die sich ebenfalls für Geld prügelt. Man kann diese Entwicklungen zwar schon recht glaubwürdig begründen, sowohl Taras Kampfsport, da sie endlich kein Opfer mehr sein will, als auch die lesbische Romanze, schließlich hatte sie enorm viel Pech mit Männern, doch trotzdem wirkt das alles ein wenig überspitzt und wie aus einem B-Movie entnommen.

Der beste Jason aller Zeiten

Jason wirkt so reif und erwachsen wie nie zuvor. Er ist tatsächlich Polizist geworden und scheint wirklich etwas von seinem Beruf zu verstehen. Er hält außerdem Andy im Zaum, der mittlerweile hochgradig V-abhängig ist. Darüber hinaus kümmert Jason sich weiterhin um die Bewohner von Hotshot, was ihm nun allerdings zum Verhängnis zu werden droht. Zum Dank dafür, dass Jason die Inzest-Brut mit Nahrung versorgt, helfen diese einem noch Unbekannten, bei dem es sich wohl um Felton handeln dürfte, Jason in eine Falle zu locken und einzusperren. Nett. Die Crystal-Storyline hat sich also noch nicht erledigt ... leider. Ich kann Crystal nicht ausstehen und begreife nicht, was Jason an ihr findet. Ist es dieses Mädchen in Not-Ding, das ihn anzieht? Man muss sich fragen, ob Crystal diese Rettungsbemühungen überhaupt wert ist, denn bislang hat sie Jason immer wieder weggestoßen und ist zu ihrer doch ziemlich abartigen Familie zurückgekehrt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihm auch jetzt nicht hilft.

Verbindungen

Bei Jessica und Hoyt ist der Beziehungsalltag eingekehrt, was bedeutet, dass sie sich um häusliche Themen wie das Essenmachen streiten. Als sie versuchen, wieder ein bisschen Schwung in ihr Leben zu bringen, indem sie gemeinsam ins Fangtasia gehen, wird Jessicas Monogamie durch willige Fangbanger auf die Probe gestellt. Wie es scheint, wird sich die vierte Staffel tatsächlich etwas genauer mit den Problemen eines Mensch-Vampir-Paares beschäftigen. Bei Bill und Sookie haben wir davon nicht ganz so viel gesehen, da Sookie nun einmal kein normaler Mensch ist und die beiden bei all den Gefahren und Herausforderungen kaum Zeit für Alltag hatten.

Sam hat seinen Bruder Tommy nicht getötet, ihn aber angeschossen und am Bein verletzt. Das ist erst einmal nicht so überraschend, doch mit den Folgen der Ereignisse hätte wohl niemand gerechnet: Tommy ist in die Fänge von Mrs. Fortenberry geraten und wird von ihr in einen neuen Hoyt verwandelt! Fassungslos sehen wir mit an, wie ein geschniegelter, braver Tommy sein Tischgebet spricht und Komplimente verteilt. Willkommen in der Twillight Zone! Es ist natürlich sehr bemerkenswert, dass hier ein Gestaltwandler, der sich äußerlich nicht in andere Menschen, sondern nur in Tiere transformieren kann, eine andere Persönlichkeit übernimmt. Auch Gestaltwandlerin Daphne hat sich ja anders gegeben, als sie wirklich war, um Sam zu verführen, und von besagtem Sam haben wir inzwischen ebenfalls einige Dinge erfahren, die wir anfangs nicht für möglich gehalten hätten. Liegt das also in der Natur der Gestaltwandler? Können sie gewissermaßen ihre Persönlichkeit wandeln, zumindest zeitweise?

Sam kann man mittlerweile nicht mehr wirklich als Sympathieträger bezeichnen. Seit seinem Schuss auf Tommy macht er einen Aggressionsbewältigungskurs, jedoch sitzt er dabei nicht mit irgendwelchen Leuten in einem Stuhlkreis, sondern trifft sich mit anderen Gestaltwandlern, trinkt mit ihnen und macht mit ihnen Ausflüge in Tiergestalt. Ob das hilft? Ich habe da doch so meine Zweifel.

Fazit

Natürlich ist dieser Staffelauftakt etwas befremdlich, da sich vieles verändert hat und wir mit riesigen Wissenslücken dastehen. Uns geben nicht nur die zukünftigen Entwicklungen Rätsel auf, auch die vergangenen Ereignisse sind noch ein großes Fragezeichen. Die Gefahr, dass es langweilig wird, besteht damit definitiv schon mal nicht. Die meisten Storylines erscheinen auch durchaus viel versprechend, obwohl sicherlich noch Luft nach oben ist und es in dieser Staffelpremiere keinen Moment gab, der wirklich das Gefühl vermittelt hat, dass uns eine brillante Season erwartet.

Maret Hosemann - myFanbase

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