Bewertung

Review: #7.02 Besuch in Saint Alice

Note 6. Nicht für diese Episode, keine Angst, sondern für die Einwohner von Bon Temps. In der vorherigen Review bin ich darauf eingegangen, dass die Bedrohung durch die H-Vampire ein ultimativer Charaktertest für Bon Temps' oftmals intolerante Bürger ist, nun muss man festhalten, dass sie krachend durchgefallen sind. Zumindest vorerst. Die Einwohner lassen sich von dem Möchtegern-Bürgermeister Vince aufwiegeln und bewaffnen sich. Nur zwei Teenager, Adilyn und Wade, stemmen sich vergeblich gegen die gefährliche Unvernunft.

Der Mob von Bon Temps

Man kann es den Bürgern von Bon Temps nicht verdenken, dass sie Angst haben. Wir Zuschauer bekommen durch den Trip in die nahegelegene Ortschaft Saint Alice ja ein ziemlich drastisches Bild von dem, was Bon Temps droht, vor Augen geführt. Auch dass die Leute wütend darüber sind, von der Regierung im Stich gelassen zu werden, ist zweifellos verständlich. Nichtsdestotrotz bewegen sich die Bürger von Bon Temps in die vollkommen falsche Richtung. Kein Ort auf dieser Welt wird, egal zu welcher Zeit und in welcher Krise, sicherer dadurch, dass jeder Vollhorst mit einer schweren Waffen herumläuft. In Bon Temps bricht die Ordnung gerade völlig zusammen. Leute, die sich dem Mob zuerst nicht anschließen wollen, werden mit ihren persönlichen Frustgefühlen, zum Beispiel gegen den Vorgesetzten, geködert. Dies zeigt schon, dass man hier nicht von einer entschlossenen Bevölkerung sprechen kann, die sich gemeinsam einer Gefahr entgegenstemmt, sondern es mit einer unbeherrschten Meute zu tun hat, die ausschließlich niederen Instinkten folgt. Statt Vernunft und Umsicht regieren die Angst um das eigene Leben, der Hass auf diejenigen, die anders sind, der Neid auf die Erfolgreicheren, individuelle Minderwertigkeitskomplexe - und nicht zu vergessen geballte Dummheit. Man könnte auch einfach sagen, sie agieren wie Hinterwäldler. Ich wiederhole: Note 6.

Saint Alice existiert nicht mehr

Die Szenen in Saint Alice haben apokalyptischen Charakter. Zahlreiche Hauswände, Dächer und Straßenschilder der Stadt sind mit Hilferufen, Gebeten und letzten Worten beschmiert. Ein gigantisches Massengrab rundet das erschütternde Bild ab und geht den Zuschauern unter die Haut.

Die Bewohner von Saint Alice sind offenbar nicht zum Mob geworden, sondern haben sich verzweifelt verbarrikadiert, was weniger törricht, aber letztlich auch nicht die beste Lösung war. Note 5. Wie genau es die H-Vampire geschafft haben, die Leute nachts aus ihren Häusern zu bekommen, erfahren wir nicht, das bleibt erst einmal unserer düsteren Fantasie überlassen. Mittel und Wege gibt es ja schon: becircen, ausräuchern, mit Hilfe von Geiseln herauslocken, durch permanente Bedrohung den kopflosen Fluchttrieb auslösen ...

Die Rettung für Bon Temps und andere Städte kann eigentlich nur in echtem Zusammenhalt von Menschen, gesunden Vampiren, Werwölfen, Gestaltwandlern, Hexen und Elfen liegen. Wenn jeder seine wahre Natur offenbaren und seine Fähigkeiten einbringen darf, es keine Ausgrenzung und Verfolgung mehr gibt, Rivalitäten vergessen werden und alle zusammenarbeiten, besteht noch die Chance, dass Saint Alice ein Einzelfall bleibt.

Das Tagebuch

Sookie findet in Saint Alice das Tagebuch von Mary Beth, der Frau, über deren Leiche sie im Staffelauftakt wortwörtlich gestolpert ist, und stellt fest, dass Mary Beth viel mit ihr gemeinsam hatte. Auch Mary Beths erste große Liebe war ein Vampir, den sie in einem Lokal kennen gelernt und der sie eines Nachts mit ins Fangtasia genommen hat. Mary Beth stellt gewissermaßen eine rein menschliche Version von Sookie dar, eine Version ohne Elfenkräfte und ohne andere übernatürliche Freunde und Liebhaber. Besser ergangen ist es Mary Beth dadurch nicht, im Gegenteil. Sie endete als Beute der H-Vampire.

Ich weiß nicht so recht, was ich mit diesem Tagebuch anfangen soll. Davon abgesehen, dass es wirklich ein riesiger Zufall ist, dass Sookie so auf einen "Zwilling" stößt, habe ich den Eindruck, dass sie wieder in die Arme von Bill getrieben werden soll. Mit Sookie und Bill als Endpaar muss man rechnen, aber zu plump und offensichtlich sollte es doch bitte nicht inszeniert werden.

Das nackte Überleben

Die größte Spannung und Dramatik entfaltet sich im Keller des Fangtasias. Beinahe gelingt es Arlene, für sich und ihre Freundinnen die Freiheit zu erkämpfen, indem sie die noch verbliebene Menschlichkeit der H-Vampirin Betty Harris hervorkratzt, doch der Plan scheitert im letzten Moment, da Betty ihrer Krankheit erliegt. Es sieht also weiterhin finster aus für Arlene, Holly und Nicole, aber es macht Mut, dass Arlene sich aufgerafft hat. Der Kampfgeist der Frauen, gestählt durch viele erlittene Schicksalsschläge, tritt langsam hervor. Man darf dabei nicht vergessen, dass es noch einen kleinen Trumpf gibt. Holly ist eine Hexe bzw, eine Wicca, wenn auch keine besonders mächtige. Vielleicht reicht ihr Können aber, um mit der Unterstützung ihrer Leidensgenossinnen einen Ausweg zu finden.

Wir gewinnen auch etwas mehr Einblick in den Alltag dieser H-Vampire, die Saint Alice ausgeblutet haben und nun in Bon Temps wildern. Ich muss bei ihnen nicht so sehr an Zombies denken, wie ich es noch am Ende von Staffel sechs getan habe, sondern eher an vollkommen kaputte Drogensüchtige, die vom Leben ausgespuckt wurden und einfach nur noch an ihren Stoff (Blut) kommen wollen, um ihr Leid erträglicher zu machen. Ganz verschwunden sind die Personen, die sie früher einmal waren, nicht, wie das Beispiel Betty zeigt, aber letztlich denken die meisten von ihnen nur noch an sich und geben einen Dreck auf das Leben anderer. Sie sind stumpfe, mitleidlose, sterbende Killer, die wirklich nichts mehr zu verlieren haben. Nicht einmal mehr ihre Würde.

Gefunden in Frankreich

Wie viel Mitgefühl und Würde hat sich Eric noch bewahrt? Pam findet ihn im französischen Rhone, an einem Ort, der für sie offenbar nichts Gutes verkörpert, und stellt fest, dass er an Hep V erkrankt ist. Eigentlich komisch, dass ich damit überhaupt nicht gerechnet habe, denn bei sechs Vampiren unter den Hauptcharakteren ist es nun wirklich nicht unwahrscheinlich, dass mindestens einer an der Seuche erkrankt, die schon ein Achtel der Vampirpopulation befallen hat. Wir sehen noch zu wenig von Eric, um seine Verfassung exakt einschätzen zu können, aber man darf wohl davon ausgehen, dass er am Boden ist. Auf jeden Fall schulden uns die nächsten Episoden einige Erklärungen: Wie hat Eric die Begegnung mit der Sonne überlebt? Wie wurde er infiziert? Warum ist Rhone ein rotes Tuch für Pam? Und wann reißen sich die beiden Vampire endlich zusammen und kehren dorthin zurück, wo sie gebraucht werden und zumindest eine Verwandte von ihnen - Willa - Anleitung benötigt, schon allein, weil sie sich von Lettie Mae verschaukeln lässt?

Tara am Kreuz

Lettie Mae bleibt ihrem hysterisch-religiösem Wesen treu und will weitere Tara-Visionen erzwingen. Dazu fügt sie sich eine schwere Brandwunde zu, damit Willa sie heilt. Die Vision, die Lettie Mae daraufhin bekommt, ist alles andere als erhellend, sondern ein Bild aus verschiedenen christlichen Motiven. Tara hängt in einem weißen Kleid an einem Kreuz, mit einer Schlange um den Hals, und spricht in einer fremden Sprache. Nun, das weiße Kleid symbolisiert Unschuld und erinnert an die Sakramente Taufe und Hochzeit. Die Schlange hingegen steht für die Verführung und die Sünde, oder schlicht für die Vertreibung aus dem Paradies, und das Kreuz erinnert natürlich an die Kreuzigung Jesu. Das Sprechen in fremden Zungen wiederum gilt als Gnadengabe des Heiligen Geistes. In diesem Bild sind somit die Dreifaltigkeit vertreten (Gott, Jesus und Heiliger Geist), das Neue und das Alte Testament vermengt und Schuld und Unschuld vereint. Interpretationsmöglichkeiten existieren also viele, Klarheiten aber keine. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob diese Vision wirklich mehr darstellt als nur ein Produkt von Lettie Mae's Fantasie.

Sex & Pizza

Das Highlight dieser Folge ist Jason, der mehrere witzige und bemerkenswerte Szenen hat, angefangen natürlich mit seinem erotischen Traum von Eric. Für Jason ist das keine ganz neue Erfahrung, denn da er schon zuvor mit Vampirblut geheilt wurde, hatte er bereits erotische Träume vom jeweiligen Spender ... Oh Himmel, mir drängt sich gerade ein Bild von Lettie Mae und Willa in den Kopf ..., aber für uns Zuschauer ist das immer wieder ein echtes Erlebnis. Sehr unterhaltsam ist auch Jasons Art der Polizeiarbeit. Um herauszufinden, wie lange eine Familie schon verschwunden ist, probiert er einfach deren zurückgelassene Pizza - und isst diese dann auch gleich noch ganz auf. Mit dieser Pizza-Forensik lässt er sämtliche Charaktere von (bislang) drei CSI-Serien mal eben wie überbezahlte Angeber aussehen. Jason war nie und wird nie die hellste Birne im Kronleuchter sein, aber manchmal ist das nicht das Schlechteste. Bizarre Situationen erfordern mitunter die gradlinigen Mittel eines simplen Verstandes.

Maret Hosemann - myFanbase

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